Anwalt sagt vor Dopingprozess: Niemand wurde geschädigt
Die Republik schütze praktisch die Interessen von Radteams in Steuerparadiesen, sagt Stefan Denifls Verteidiger.
Am Montag steht nach den Ermittlungen in der „Operation Aderlass“am Landesgericht Innsbruck der Ex-Radrennfahrer Stefan Denifl wegen Dopings vor Gericht. Dass auch der 31-Jährige aus Fulpmes im Stubaital bei seinen Leistungen im Sattel mit Eigenblutdoping nachgeholfen hatte, wurde Anfang März vergangenen Jahres bekannt – wenige Tage nach der Razzia bei der nordischen Ski-WM in Seefeld. Denifl war kurzzeitig festgenommen worden und legte gegenüber den Ermittlern ein Geständnis ab. Formell ist Denifl bis Frühjahr 2023 gesperrt, de facto hat er seine Profikarriere Ende 2018 beendet. Damals war überraschend die Vertragsauflösung mit seinem neuen polnischen Team CCC nach nur zwei Monaten bekannt geworden – aus „persönlichen Gründen“Denifls, wie es damals hieß.
Der Fall Denifl ist juristisch vor allem deshalb interessant, weil es bei ihm um die weitaus höchsten Summen geht, die bei den Dopingprozessen in Österreich bisher angeklagt wurden, nämlich mehr als eine halbe Million Euro. Staatsanwalt Dieter Albert hat Denifl deshalb nicht nur des Sportbetrugs, sondern auch des gewerbsmäßigen schweren Betrugs angeklagt, weil er sich durch Doping eine fortlaufende Einnahme verschafft habe. Wird der Ex-Profi wegen eines Schadens, der 300.000 Euro übersteigt, verurteilt, droht ihm eine Freiheitsstrafe von ein bis zehn Jahren.
Die Vorwürfe, von 2014 bis 2018 Blutdoping praktiziert und Wachstumshormone genommen zu haben, werden nicht bestritten, erklärt Denifls Verteidiger Wilhelm Plattner. Er ist aber der Meinung, dass es keine Geschädigten gibt. Die Situation im Profiradsport sei mit jener von Langläufern nicht zu vergleichen. Die Radfahrer seien Angestellte von privaten Radteams, während die Wintersportler für die Verbände ihrer Heimatländer starteten. Sponsorgelder gebe es im Radsport für den einzelnen Sportler daher viel weniger. Die Preisgelder würden bei den Teams zum Teil aufgeteilt.
Zum Vergleich: Ex-Langläufer Johannes Dürr erhielt vergangene Woche zwar eine milde bedingte Strafe, aber er muss zusätzlich zur Geldstrafe 52.000 Euro an den Staat zahlen, weil das Gericht diese Summe als unzulässige Einnahme rechtlich für verfallen erklärt hat.
Der Tiroler Radprofi Denifl war im maßgeblichen Zeitraum bei zwei Teams engagiert, zuerst (ab 2013) beim Schweizer Team IAM, das von der gleichnamigen Vermögensverwaltungsfirma in Genf gesponsert und von Firmengründer Michel Thétaz geführt wurde, bis es sich Ende 2016 auflöste. Dann wechselte Denifl zum damals neuen irischen Team Aqua Blue Sport mit Sitz in Dublin.
Die Verteidigungsstrategie skizzierte Plattner so: Denifl habe seinen Vertrag komplett erfüllt. Darin sei eine Verpflichtung zu Rückzahlungen im Fall von Doping nur als Kann-Bestimmung enthalten. Plattner: „Die Rennveranstalter leben von Höchstleistungen. Denifl musste etwas nehmen, um als Wasserträger mithalten zu können. Das werden wir thematisieren.“Wenn der Staat nun die Rückforderung von bereits versteuerten Einkünften eines Sportlers verlange oder diese für verfallen erkläre, würden damit nur „die wirtschaftlichen Interessen von Radteams in Steuerparadiesen geschützt“, so der Anwalt.
Denifl, ein Bergspezialist, war einer der erfolgreichsten österreichischen Radprofis der vergangenen zehn Jahre. Er gewann unter anderem die Österreich-Rundfahrt 2017 und im September desselben Jahres eine 180-km-Etappe bei der Spanien-Rundfahrt La Vuelta. Die Siege und Preisgelder wurden ihm von der österreichischen Anti-DopingRechtskommission wegen des Dopings aberkannt und Denifl zur Rückzahlung verpflichtet.