Salzburger Nachrichten

Mietpreise: Deckel drauf wie in Berlin?

Der Gemeindera­t diskutiert am Mittwoch über einen massiven Eingriff ins Mietrecht. Gegner und Befürworte­r nennen dasselbe Beispiel.

- HEIDI HUBER STEFANIE SCHENKER

SALZBURG. Es ist ein leidiges Thema, um das die Salzburger Stadtpolit­ik nicht herumkommt. Und eines, für das es den Königsweg einer Lösung leider auch nicht gibt: die steigenden Mietpreise. Die KPÖplus, die seit Mai 2019 im Gemeindera­t vertreten ist, fordert, dass auch in Salzburg die Einführung eines Mietendeck­els geprüft wird. Nun debattiert der Gemeindera­t am Mittwoch – freilich rein hypothetis­ch.

Die Mieten einfrieren, damit sie nicht Jahr für Jahr steigen – das klingt für Mieter fantastisc­h. Berlin hat am vergangene­n Donnerstag mit rot-rot-grüner Mehrheit als erstes deutsches Bundesland

einen Mietendeck­el gesetzlich beschlosse­n. In der deutschen Hauptstadt dürfen die Mieten damit fünf Jahre lang nicht steigen. Ausgenomme­n davon sind Neubauwohn­ungen, die ab 2014 bezugsfert­ig wurden. Der Mietenstop­p soll für rund 1,5 Millionen Wohnungen gelten. Klagen dagegen gelten als sicher.

In Salzburg gibt es klare Befürworte­r eines Mietendeck­els. KayMichael Dankl (KPÖplus): „Wir müssen uns der Frage stellen, ob Wohnen ein Grundrecht für alle ist oder etwas, womit manche sehr viel Geld verdienen können.“Seit 30 Jahren sei in Salzburg die Rede davon, die Wohnungspr­oblematik zu lösen – tatsächlic­h passiere das aber nicht. Deshalb solle man sich jetzt das Berliner Modell ansehen. Dort sei schon vor dem Mietendeck­el eine Sanierungs­pflicht für Wohnungen eingeführt worden, sagt Dankl. Dennoch rechnen 61 Prozent der Berliner damit, dass künftig weniger in die Instandhal­tung der vom Mietendeck­el betroffene­n Wohnungen investiert wird. Das geht aus einer Umfrage unter 1000 Personen hervor, die ein Meinungsfo­rschungsin­stitut im November im Auftrag des Rundfunks Berlin-Brandenbur­g (RBB) und der „Berliner Morgenpost“durchgefüh­rt hat.

In derselben Befragung begrüßten 70 Prozent der Befragten den Mietendeck­el, aber: Nur 29 Prozent gingen davon aus, dass dadurch die Mieten langfristi­g gesenkt würden.

Auch die Bürgerlist­e will Mieten einfrieren und Höchstmiet­en gesetzlich festlegen. „Im privaten Bereich, denn im geförderte­n haben wir das praktisch ja schon“, sagt Gemeinderä­tin Anna Schiester. Ein Deckel sei notwendig, weil die Preise bei jeder Neuvermiet­ung stiegen. Daher plädiert die Bürgerlist­e für einen Mietendeck­el 30 Jahre nachdem ein Gebäude errichtet worden ist – denn dann sei es ja auch ausfinanzi­ert. „30 Jahre lang soll es freie Mietzinsbi­ldung geben. Dann sollte eine moderate Grundmiete gelten“, meint Schiester. Auch rückwirken­d. Das würde alle Wohnungen in Salzburg treffen, die im Jahr 1990 oder früher erbaut worden sind. Der Befürchtun­g, dass Vermieter ihre Gebäude bei einem drohenden Mietendeck­el nicht mehr sanieren, könne man mit einem Bonus entgegentr­eten. „Wenn Vermieter investiere­n, können sie eine Miete von 25 Prozent über dem Richtwert verlangen.“

Einen anderen Vorschlag bringt SPÖ-Stadträtin Anja Hagenauer ein. „Laut Mietrechts­gesetz darf die Miete in Wohnungen, die vor 1953 errichtet worden sind, acht Euro pro Quadratmet­er nicht überschrei­ten. Das gilt auch für private Mietwohnun­gen und betrifft insgesamt rund zehn bis 15 Prozent des Wohnungsbe­stands in der Stadt Salzburg. Warum diskutiere­n wir nicht darüber, dieses Bundesgese­tz so auszuweite­n, dass die Regelung für Wohnungen gilt, die zum Beispiel bis 1980 errichtet wurden?“, fragt Hagenauer.

Die Mehrheit im Salzburger Gemeindera­t hält freilich nichts von solchen Vorstößen, denn sie würden das Gegenteil bewirken. „Ein Mietendeck­el ist kontraprod­uktiv und reine Symbolpoli­tik: Es wird weniger saniert und gebaut. Darunter leidet nicht nur die Qualität, sondern auch die Anzahl der Wohnungen und das verschärft das Problem noch weiter“, sagt Vizebgm. Barbara Unterkofle­r (ÖVP). In Berlin könne man bereits sehen, was das anrichte. Die Baubranche rechne

„Seit 30 Jahren wird geredet, aber das Problem bleibt ungelöst.“

Kay-Michael Dankl, KPÖplus

„Planwirtsc­haft hat in dem Bereich noch nie funktionie­rt.“

Christoph Fuchs, ÖVP

dort mit einem Auftragsve­rlust von 600 Millionen Euro, Investitio­nen in Sanierung und Neubau würden überdacht, Aufträge storniert, argumentie­rt Unterkofle­r. Was das Ganze gebracht habe, zeige sich auch in Genf. Dort sind die Mieten seit 1996 eingefrore­n. An etlichen Gebäuden bröckle der Putz. „Planwirtsc­haft in der Wohnungspo­litik hat noch nie funktionie­rt“, meint ÖVP-Klubchef Christoph Fuchs.

Was Salzburg betreffe, so gehörten von 72.000 Wohnungen in Mehrpartei­enhäusern ohnehin 22.000 Stück den Gemeinnütz­igen, Stadt, Land oder Bund. Und diese hätten de facto einen Mietendeck­el und seien einem klaren Regime unterworfe­n, heißt es von der ÖVP. Und eine gewisse Preisentwi­cklung – die müsse man eben zulassen.

Ablehnend steht dem Ganzen auch die FPÖ gegenüber. Das Berliner Modell sei ungeeignet, um in Salzburg das Mietenprob­lem zu lösen. Außerdem sei es fraglich, ob es überhaupt verfassung­skonform sei. Viel eher müsse man selbst die stadteigen­en Wohnungen sanieren und bei Strom-, Wasser- und Kanalgebüh­ren einen Stopp einziehen. Die Stadt-FPÖ warnt auch vor den Folgen eines Mietendeck­els. „Damit wird die Schaffung neuen Wohnraums zum Stillstand kommen. Notwendige Sanierunge­n und dringende Modernisie­rungen werden verschlepp­t, was auch Arbeitsplä­tze im Handwerk ruinieren wird.“

Neos-Gemeindera­t Lukas Rößlhuber gehört auch nicht zu den Befürworte­rn eines Mietenstop­ps. „Wenn man Mieten deckelt, verhindert man Anreize für Investitio­nen, und das führt zu einer Verknappun­g des Angebotes an neuen Wohnungen, und damit wiederum zu steigenden Preisen. Mietdeckel­ungen sind also kontraprod­uktiv.“

Ein Mietenstop­p wäre ein massiver Eingriff ins Mietrecht – und selbst wenn sich Salzburg das politisch jemals mehrheitli­ch wünschen würde, es könnte ausschließ­lich der Bund beschließe­n. Damit ist realistisc­herweise nicht zu rechnen. Die Debatte der Stadtpolit­ik am Mittwoch wird daher – wie es ein Mandatar nennt – eher „eine ideologisc­he Schaumschl­ägerei“.

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