Mietpreise: Deckel drauf wie in Berlin?
Der Gemeinderat diskutiert am Mittwoch über einen massiven Eingriff ins Mietrecht. Gegner und Befürworter nennen dasselbe Beispiel.
SALZBURG. Es ist ein leidiges Thema, um das die Salzburger Stadtpolitik nicht herumkommt. Und eines, für das es den Königsweg einer Lösung leider auch nicht gibt: die steigenden Mietpreise. Die KPÖplus, die seit Mai 2019 im Gemeinderat vertreten ist, fordert, dass auch in Salzburg die Einführung eines Mietendeckels geprüft wird. Nun debattiert der Gemeinderat am Mittwoch – freilich rein hypothetisch.
Die Mieten einfrieren, damit sie nicht Jahr für Jahr steigen – das klingt für Mieter fantastisch. Berlin hat am vergangenen Donnerstag mit rot-rot-grüner Mehrheit als erstes deutsches Bundesland
einen Mietendeckel gesetzlich beschlossen. In der deutschen Hauptstadt dürfen die Mieten damit fünf Jahre lang nicht steigen. Ausgenommen davon sind Neubauwohnungen, die ab 2014 bezugsfertig wurden. Der Mietenstopp soll für rund 1,5 Millionen Wohnungen gelten. Klagen dagegen gelten als sicher.
In Salzburg gibt es klare Befürworter eines Mietendeckels. KayMichael Dankl (KPÖplus): „Wir müssen uns der Frage stellen, ob Wohnen ein Grundrecht für alle ist oder etwas, womit manche sehr viel Geld verdienen können.“Seit 30 Jahren sei in Salzburg die Rede davon, die Wohnungsproblematik zu lösen – tatsächlich passiere das aber nicht. Deshalb solle man sich jetzt das Berliner Modell ansehen. Dort sei schon vor dem Mietendeckel eine Sanierungspflicht für Wohnungen eingeführt worden, sagt Dankl. Dennoch rechnen 61 Prozent der Berliner damit, dass künftig weniger in die Instandhaltung der vom Mietendeckel betroffenen Wohnungen investiert wird. Das geht aus einer Umfrage unter 1000 Personen hervor, die ein Meinungsforschungsinstitut im November im Auftrag des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) und der „Berliner Morgenpost“durchgeführt hat.
In derselben Befragung begrüßten 70 Prozent der Befragten den Mietendeckel, aber: Nur 29 Prozent gingen davon aus, dass dadurch die Mieten langfristig gesenkt würden.
Auch die Bürgerliste will Mieten einfrieren und Höchstmieten gesetzlich festlegen. „Im privaten Bereich, denn im geförderten haben wir das praktisch ja schon“, sagt Gemeinderätin Anna Schiester. Ein Deckel sei notwendig, weil die Preise bei jeder Neuvermietung stiegen. Daher plädiert die Bürgerliste für einen Mietendeckel 30 Jahre nachdem ein Gebäude errichtet worden ist – denn dann sei es ja auch ausfinanziert. „30 Jahre lang soll es freie Mietzinsbildung geben. Dann sollte eine moderate Grundmiete gelten“, meint Schiester. Auch rückwirkend. Das würde alle Wohnungen in Salzburg treffen, die im Jahr 1990 oder früher erbaut worden sind. Der Befürchtung, dass Vermieter ihre Gebäude bei einem drohenden Mietendeckel nicht mehr sanieren, könne man mit einem Bonus entgegentreten. „Wenn Vermieter investieren, können sie eine Miete von 25 Prozent über dem Richtwert verlangen.“
Einen anderen Vorschlag bringt SPÖ-Stadträtin Anja Hagenauer ein. „Laut Mietrechtsgesetz darf die Miete in Wohnungen, die vor 1953 errichtet worden sind, acht Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten. Das gilt auch für private Mietwohnungen und betrifft insgesamt rund zehn bis 15 Prozent des Wohnungsbestands in der Stadt Salzburg. Warum diskutieren wir nicht darüber, dieses Bundesgesetz so auszuweiten, dass die Regelung für Wohnungen gilt, die zum Beispiel bis 1980 errichtet wurden?“, fragt Hagenauer.
Die Mehrheit im Salzburger Gemeinderat hält freilich nichts von solchen Vorstößen, denn sie würden das Gegenteil bewirken. „Ein Mietendeckel ist kontraproduktiv und reine Symbolpolitik: Es wird weniger saniert und gebaut. Darunter leidet nicht nur die Qualität, sondern auch die Anzahl der Wohnungen und das verschärft das Problem noch weiter“, sagt Vizebgm. Barbara Unterkofler (ÖVP). In Berlin könne man bereits sehen, was das anrichte. Die Baubranche rechne
„Seit 30 Jahren wird geredet, aber das Problem bleibt ungelöst.“
Kay-Michael Dankl, KPÖplus
„Planwirtschaft hat in dem Bereich noch nie funktioniert.“
Christoph Fuchs, ÖVP
dort mit einem Auftragsverlust von 600 Millionen Euro, Investitionen in Sanierung und Neubau würden überdacht, Aufträge storniert, argumentiert Unterkofler. Was das Ganze gebracht habe, zeige sich auch in Genf. Dort sind die Mieten seit 1996 eingefroren. An etlichen Gebäuden bröckle der Putz. „Planwirtschaft in der Wohnungspolitik hat noch nie funktioniert“, meint ÖVP-Klubchef Christoph Fuchs.
Was Salzburg betreffe, so gehörten von 72.000 Wohnungen in Mehrparteienhäusern ohnehin 22.000 Stück den Gemeinnützigen, Stadt, Land oder Bund. Und diese hätten de facto einen Mietendeckel und seien einem klaren Regime unterworfen, heißt es von der ÖVP. Und eine gewisse Preisentwicklung – die müsse man eben zulassen.
Ablehnend steht dem Ganzen auch die FPÖ gegenüber. Das Berliner Modell sei ungeeignet, um in Salzburg das Mietenproblem zu lösen. Außerdem sei es fraglich, ob es überhaupt verfassungskonform sei. Viel eher müsse man selbst die stadteigenen Wohnungen sanieren und bei Strom-, Wasser- und Kanalgebühren einen Stopp einziehen. Die Stadt-FPÖ warnt auch vor den Folgen eines Mietendeckels. „Damit wird die Schaffung neuen Wohnraums zum Stillstand kommen. Notwendige Sanierungen und dringende Modernisierungen werden verschleppt, was auch Arbeitsplätze im Handwerk ruinieren wird.“
Neos-Gemeinderat Lukas Rößlhuber gehört auch nicht zu den Befürwortern eines Mietenstopps. „Wenn man Mieten deckelt, verhindert man Anreize für Investitionen, und das führt zu einer Verknappung des Angebotes an neuen Wohnungen, und damit wiederum zu steigenden Preisen. Mietdeckelungen sind also kontraproduktiv.“
Ein Mietenstopp wäre ein massiver Eingriff ins Mietrecht – und selbst wenn sich Salzburg das politisch jemals mehrheitlich wünschen würde, es könnte ausschließlich der Bund beschließen. Damit ist realistischerweise nicht zu rechnen. Die Debatte der Stadtpolitik am Mittwoch wird daher – wie es ein Mandatar nennt – eher „eine ideologische Schaumschlägerei“.