Zwei Kanzler, zwei Meinungen
Kanzler Sebastian Kurz und seine deutsche Kollegin Angela Merkel sind über das EU-Budget einig, nicht aber über die Seenotrettung und die Finanztransaktionssteuer. Über Schwarz-Grün reden sie lieber nicht.
Beim Treffen von Kanzler Sebastian Kurz mit seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel wurden Montag in Berlin erneut die Unterschiede in europäischen Fragen deutlich. Kurz ist gegen die Wiederaufnahme der EU-Rettungsaktion „Sophia“im Mittelmeer,
Merkel ist dafür. Kurz ist gegen die deutschen Pläne für eine Finanztransaktionssteuer in ihrer derzeitigen Form, Merkel will einen Kompromiss. Einzig beim EU-Budget sehen die beiden die Dinge ähnlich und wollen sich als Nettozahler eng abstimmen.
Wenn der österreichische Kanzler Sebastian Kurz nach Berlin zu Angela Merkel kommt, stehen die deutschen Medien kopf. Das war schon während seiner ersten Kanzlerschaft so und das war auch am Montag so. Die Frage, ob eine schwarz-grüne Koalition auch ein Modell für Deutschland sein könnte, wurde im Vorfeld des Besuchs breit erörtert, zumal Kurz den Punkt in einem Interview selbst angestoßen hatte.
In seinem Gespräch mit der deutschen Bundeskanzlerin in Berlin war es aber kaum ein Thema. Kurz und Merkel erörterten eine Reihe von Europa-Fragen, wobei sie öfter uneinig als einig waren.
Vor allem beim Thema Seenotrettung – der Wiederaufnahme der europäischen Marinemission „Sophia“– gingen die Meinungen auseinander. Merkel findet es unterm Strich besser, erneut eine staatliche Mission zur Rettung von Bootsmigranten vor der libyschen Küste zu starten. Kurz hält davon gar nichts, da die frühere Mission nicht das gewünschte Ergebnis gebracht habe, nämlich das Sterben im Mittelmeer zu beenden. Profitiert habe dagegen das Schlepperwesen. Laut der „Welt“vom Montag sind, seitdem die staatliche Seenotrettung unter EU-Kommando 2017 auf Druck Italiens heruntergefahren wurde, deutlich weniger Menschen ums Leben gekommen, weil erheblich weniger Migranten nach Libyen gekommen sind. Wurden 2017 noch 2853 Tote registriert, waren es 2018 nur noch 743.
Mehr Einigkeit zwischen Wien und Berlin herrscht in der Frage des künftigen EU-Haushalts nach dem Brexit. Deutschland und Österreich stehen hier als Nettozahler Seite an Seite. Beide Kanzler halten den Vorschlag der EU-Kommission, dass 1,11 Prozent der EU-Wirtschaftskraft in den Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 fließen sollen, für zu hoch. Berlin und Wien wollen wie andere große Nettozahler nur 1,0 Prozent beitragen. Merkel gab sich allerdings kompromissbereit. Es hänge nicht zuletzt auch davon ab, wofür das Geld verwendet werde. Die Kanzlerin plädierte für mehr Geld für die Forschung. Aber es gehe auch um Strukturhilfen für die ostdeutschen Bundesländer.
Kurz bekräftigte auch seine ablehnende Haltung gegenüber dem deutschen Vorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Zwar halte er die Besteuerung von Finanztransaktionen innerhalb der EU für richtig. Er sei auch grundsätzlich für eine Spekulationssteuer. Aber den Vorschlag des deutschen Finanzministers Olaf Scholz (SPD) lehnte er erneut ab.
In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“hatte Kurz zuvor klargestellt, dass Österreich dagegen sei, „hochspekulative Geschäfte und Derivate von einer Finanztransaktionssteuer auszunehmen und stattdessen die Realwirtschaft und die Kleinanleger zu bestrafen“. Das habe nichts mehr mit den ursprünglichen Plänen aus Berlin und Paris zu tun.
Merkel bedauerte das Nein aus Wien, will aber nicht aufgeben und die Gespräche weiterführen. In der EU sei es leider so, dass man schnell Zustimmung ernte, wenn man eine Finanztransaktionssteuer vorschlage, so die Kanzlerin. Aber wenn es um die Konkretisierung gehe, würden viele wieder abspringen. Auch Deutschlands Finanzminister Scholz wollte ursprünglich mehr, zog sich dann aber auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zurück, um das Projekt nicht ganz zu begraben. Sollte Österreich definitiv abspringen, käme die nötige Mindestzahl von neun EU-Ländern für eine Einführung nicht zustande.
Auf das Thema Schwarz-Grün wollte sich die Kanzlerin nicht einlassen. Das sei heute nicht vorhersehbar. Das müssten die Wähler entscheiden. Kurz hatte am Tag zuvor in einem Interview seine Koalition aus Konservativen und Grünen als Vorbild für Deutschland bezeichnet: „Ich erwarte sogar, dass die nächste Regierung in Deutschland eine schwarz-grüne sein dürfte.“ Am Montag relativierte er dann, er wolle sich nicht einmischen. Aber er habe sich diesbezüglich zu einer Wette verleiten lassen.
Dennoch schlug die Aussage von Kurz in Deutschland hohe Wellen und wurde zum Politikum. Der Chef der deutschen Linken, Bernd Riexinger, warnte vor einer schwarz-grünen Koalition nach österreichischem Vorbild. Das bedeute nur ein „Greenwashing schwarzer Politik“, warnte er. Der Vorsitzende der deutschen Grünen, Robert Habeck, wies die Kurz’schen Koalitionsspekulationen zurück. Eineinhalb Jahre vor der Wahl stehe diese Frage überhaupt nicht auf der Agenda. Der prominente CDU-Politiker Friedrich Merz sagte, die Grünen seien zunächst einmal der Hauptgegner der CDU bei der kommenden Bundestagswahl.