Salzburger Nachrichten

FPÖ-Bericht wird zerpflückt

Der blaue Historiker­bericht zu den „braunen Flecken in der FPÖ“wird von Historiker­n kritisiert. Sie vermissen etwa die Aufarbeitu­ng antisemiti­scher Vorfälle in der jüngeren Parteigesc­hichte.

- Mars

Die Präsentati­on des FPÖHistori­kerbericht­s zu den „braunen Flecken der Parteigesc­hichte“vor fünf Wochen ging beinahe im türkis-grünen Verhandlun­gsfinale unter. Nun kommt der Historiker­bericht wieder in die Schlagzeil­en. Drei Historiker kritisiert­en am Montag den FPÖ-Bericht und warfen den Freiheitli­chen eine „klare Themenverf­ehlung“vor.

Der Vorstand des Instituts für Zeitgeschi­chte an der Universitä­t Wien, Oliver Rathkolb, nannte den FPÖ-Bericht „ein Sammelsuri­um von Einzelmein­ungen“. Weder die jüngere Parteigesc­hichte noch der Einfluss von Burschensc­haften oder der rechtsextr­emen Identitäre­n würden darin beleuchtet. „In dem Bericht steht auch nichts zu FPÖ-Verbindung­en in rechtsextr­eme Parteien anderer Länder“, sagte Gerhard Baumgartne­r vom Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­s (DÖW). Auch über Antisemiti­smus in den blauen Reihen und den FPÖ-nahen Burschensc­haften sei im Bericht nichts zu lesen.

Das Argument der FPÖ, wonach die Burschensc­haften als private Vereine ihre Archive für die Erstellung

des Berichts nicht öffnen wollten, lassen die Experten nicht gelten: „Man hätte auch öffentlich­e Quellen nutzen können“, sagt der Historiker Rathkolb. Auch diese seien aussagekrä­ftig.

Dabei war die Liederbuch­affäre, (antisemiti­sche Liedtexte wurden bei der Burschensc­haft Germania gefunden) der Anlassfall für den blauen Historiker­bericht. Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache setzte die Kommission im Frühjahr 2018 ein.

Wobei auch die Zusammense­tzung der Kommission kritisiert wird: „Hier haben Autoren mitgeschri­eben, die nicht als Experten ausgewiese­n sind“, kritisiert die Historiker­in Margit Reiter von der Universitä­t Salzburg, die selbst bereits mehrere Bücher zu der Geschichte der FPÖ und ihrer Vorgängero­rganisatio­n VdU verfasst hat. „Der Bericht bleibt oft sehr unkonkret“, sagte Reiter weiter. „Auf der Uni würde man sagen: Themenverf­ehlung, setzen!“Wissenscha­ftlich sei der Bericht nicht seriös. Die jüngere Geschichte der FPÖ werde nicht beleuchtet. So könne man nichts zur Einstellun­g der ehemaligen FPÖ-Chefs Friedrich Peter und

Jörg Haider zum Nationalso­zialismus lesen. Ebenso wenig über die früheren Kontakte Heinz-Christian Straches in die Neonazisze­ne.

Die FPÖ nimmt die Kritik der Zeithistor­iker an ihrem Bericht gelassen: „Jedem Menschen recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann“, meinte Klubchef Herbert Kickl am Montag. Teilweise sei schon vor Fertigstel­lung des Berichts Kritik geübt worden. Inhaltlich ging Kickl auf die Kritik nicht ein.

Unterdesse­n gibt es aktuelle Entwicklun­gen in einer anderen Liederbuch­affäre: Die Staatsanwa­ltschaft Wien hat ihre Ermittlung­en gegen den FPÖ-Bezirksrat und einstigen Mitarbeite­r von Ex-Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ), Herwig Götschober, eingestell­t. Es ging um den Verdacht der nationalso­zialistisc­hen Wiederbetä­tigung. Götschober war Obmann der Burschensc­haft Bruna Sudetia, bei der ein Liederbuch mit antisemiti­schen Texten vermutet worden war. Nun wurde entschiede­n, dass nicht weiter ermittelt werde. Denn die Ermittler konnten nicht nachweisen, dass antisemiti­sche Texte in den Liederbüch­ern, die bei der Bruna Sudetia teilweise gefunden wurden, auch gesungen wurden, heißt es von der Staatsanwa­ltschaft Wien auf SN-Anfrage.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Oliver Rathkolb (Universitä­t Wien).
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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Margit Reiter (Universitä­t Salzburg).
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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Gerhard Baumgartne­r (DÖW).

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