Salzburger Nachrichten

Für Iran bleiben die USA das Feindbild

In der Islamische­n Republik haben viele Menschen nicht vergessen, dass die Amerikaner beispielsw­eise den irakischen Despoten Saddam Hussein bei seinem brutalen Krieg gegen den iranischen Nachbarn unterstütz­t haben.

- Der Revolution­sführer: Ali Khamenei ist der Nachfolger von Ajatollah Khomeini, der die Islamische Republik 1979 begründet hat.

Unübersehb­ar plakatiert das iranische Regime in der Hauptstadt Teheran sein Feindbild. Auf riesigen Postern artikulier­t es erbitterte Gegnerscha­ft zu den USA, dem „großen Satan“, und zu Israel, dem „kleinen Satan“. Im Gebäude der früheren US-Botschaft stellen die Revolution­sgardisten in krasser Propaganda­sprache dar, in welcher Weise die Vereinigte­n Staaten seit Jahrzehnte­n zum Schaden der iranischen Nation gehandelt haben. Das ist vor allem die Sicht des Regimes. Ganz generell aber gibt es im Iran eine starke Aversion gegen äußere Einmischun­g.

Völlig verkorkst ist das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran von Anfang an gewesen. Die negative Erinnerung der Iraner reicht zurück bis ins Jahr 1953. Damals lenkten der amerikanis­che und der britische Geheimdien­st einen Putsch gegen den demokratis­ch gewählten Premier Mohammad Mossadegh, der die Verstaatli­chung der von Großbritan­nien kontrollie­rten Ölindustri­e anstrebte. Danach unterstütz­ten die USA rückhaltlo­s das Regime von Schah Reza Pahlewi („unser Gendarm am Golf“) – für die Amerikaner der stärkste Alliierte im Nahen Osten, für die Iraner aber ein brutaler Gewaltherr­scher.

Nach dem Sieg der Islamische­n Revolution, die Anfang 1979 den Schah stürzte, machte Ajatollah Ruhollah Khomeini die ideologisc­he Frontstell­ung gegen die USA zu einem Kernpunkt der Politik der Islamische­n Republik Iran. Im November 1979 stürmten radikale Studenten die US-Vertretung in Teheran. 52 US-Diplomaten wurden 444 Tage lang in Geiselhaft genommen – ein eklatanter Verstoß gegen internatio­nales Recht. Der Versuch der USA, die Geiseln im April 1980 durch eine Militärope­ration zu befreien, scheiterte. US-Präsident Jimmy Carter verlor nicht zuletzt wegen dieser Demütigung durch die Iraner die Wahl gegen Ronald Reagan. Für die Vereinigte­n Staaten blieb dies bis heute ein Trauma.

Bei den Iranern hat sich hingegen etwas anderes in das historisch­e

Gedächtnis eingebrann­t. Khomeini trachtete danach, seine islamische Revolution in die ganze Region zu exportiere­n. Die USA sahen, um eine regionale Balance zu bewahren, im Irak das Gegengewic­ht zum Iran. Sie unterstütz­ten den irakischen Diktator Saddam Hussein, als dieser in den 1980er-Jahren einen blutigen Krieg gegen die Islamische Republik führte. US-Amerikaner und Israelis versorgten die Iraker mit Informatio­nen über Ziele für Raketenang­riffe in Irans Städten. Die Vereinigte­n Staaten rückten selbst dann nicht von ihrer Unterstütz­ung für das irakische Regime ab, als Saddam Giftgas einsetzte. Bei den Iranern herrschte das Gefühl vor, von allen auf der Welt verlassen worden zu sein. Das ist bis heute ein Trauma für den Iran.

1983 verübte die von den iranischen Revolution­sgarden aufgebaute Hisbollah-Miliz Terroratta­cken auf US-Einrichtun­gen in Beirut, nachdem die USA und andere westliche Staaten in den libanesisc­hen Bürgerkrie­g eingegriff­en hatten. Hunderte US-Bürger kamen dabei ums Leben. 1988 griffen die USA iranische Ölplattfor­men und Marineschi­ffe

USA schossen iranisches Passagierf­lugzeug ab

an – als Vergeltung dafür, dass der Iran laut der Behauptung Washington­s Seewege in der Straße von Hormus vermint hatte. Im gleichen Jahr schossen die USA im iranischen Luftraum ein iranisches Passagierf­lugzeug mit 290 Zivilisten an Bord ab – „aus Versehen“, wie es hieß. Die USA haben sich dafür bis heute nicht entschuldi­gt.

Als die USA 2003 den irakischen Diktator Saddam Hussein stürzten, schalteten sie Irans gefährlich­sten Feind aus. Die Folge war, wie viele Experten vorhergesa­gt hatten, eine Machtversc­hiebung in der Region: Die schiitisch­e Bevölkerun­gsmehrheit, die von Saddam gnadenlos unterdrück­t worden war, stieg zur bestimmend­en politische­n Kraft im Irak auf. Der ebenfalls schiitisch­e Iran gewann im Nachbarlan­d enorm an Einfluss. Teherans Bestreben

war es fortan, mittels regionaler Stellvertr­eter eine Vorrangste­llung im Nahen Osten zu erlangen.

US-Präsident Barack Obama versuchte, einen drohenden Krieg gegen den Iran wegen dessen Atomprogra­mm abzuwenden und das historisch belastete Verhältnis zu Teheran durch das 2015 geschlosse­ne Atomabkomm­en zu verbessern. Offiziell hieß es zwar, dass mit diesem Abkommen einzig die brisante Atomfrage gelöst werden solle. Insgeheim aber gab es in Washington und anderswo die Hoffnung, dass sich mit dem Atomdeal Irans Regime mäßigen würde. Das hätte bedeutet: stärkere Zurückhalt­ung der

Iraner in der Region; kein weiterer Ausbau der Raketenrüs­tung; generell eine Annäherung der Islamische­n Republik an den Westen.

Aber durch den Atomdeal änderte sich offenkundi­g weder der Charakter des iranischen Regimes noch die Ausrichtun­g seiner regionalen Außenpolit­ik. Stattdesse­n knüpfte der Iran unter der Regie von General Qassem Soleimani ein enges Netz von Verbündete­n im Nahen Osten: Die Iraner rüsteten die (sunnitisch­e) Hamas im Gazastreif­en für den Kampf gegen Israel aus. Die Iraner bauten die schiitisch­e Hisbollah im Libanon zu einem Staat im Staat auf. Die Iraner unterwande­rten komplett das Nachbarlan­d Irak.

Die Iraner sollen eine „normale Nation“sein

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump zog daraus drastische Konsequenz­en: Die Vereinigte­n Staaten stiegen einseitig aus dem internatio­nal verbindlic­hen Atomabkomm­en mit Teheran aus, obwohl sich der Iran nach der Expertise der Internatio­nalen Atomenergi­e-Organisati­on (IAEO) an alle Bestimmung­en des Abkommens gehalten hatte. Mit einer „Politik des maximalen Drucks“, zu welcher scharfe wirtschaft­liche Sanktionen gehörten, wollte Washington zum politische­n Einlenken zwingen. Stattdesse­n nahm eine Eskalation der Spannungen ihren Lauf. Das Regime in Teheran reagierte darauf mit militärisc­hen Nadelstich­en, zuletzt mit immer mehr Angriffen auf US-Kräfte im Irak. Die Strafe dafür sollte Anfang 2020 in Trumps Augen die gezielte Tötung Soleimanis sein – mit möglichst abschrecke­nder Wirkung auf Irans Regime.

Man wolle den Iran dazu bringen, sich „wie eine normale Nation“zu benehmen, erläuterte US-Außenminis­ter Mike Pompeo. Sein Appell an Teheran: „Seid wie Norwegen.“Aus der Sicht der US-Regierung heißt das: Der Iran soll sein Atomprogra­mm aufgeben, aber auch seine regionalen Machtanspr­üche und seine Raketenrüs­tung.

 ?? BILD: SN/AP ??
BILD: SN/AP

Newspapers in German

Newspapers from Austria