Coronavirus unterbricht die Lieferketten
In Südkorea stoppt Hyundai die Autoproduktion, weil Teile aus China fehlen. Der Rohölpreis rutschte auf unter 50 Dollar.
In der Nacht auf Dienstag sind die Rohölpreise erstmals seit einem Jahr zeitweise auf unter 50 Dollar gerutscht. Grund dafür ist nicht zuletzt das neuartige Coronavirus, das die Wirtschaft Chinas immer weiter bremst. Am Dienstag schien die Ölpreis-Talfahrt zwar vorerst gestoppt, wegen der Unklarheiten berieten Experten der OPEC und weiterer großer Ölproduzenten bei einem Krisentreffen in Wien jedoch, ob eine Drosselung der Produktion „notwendig“sei. Sollte es Kürzungen geben, würde dies bei einem Ministertreffen verkündet, sagte ein Sprecher des irakischen Ölministeriums in Bagdad. Abhängig von der weiteren Entwicklung der Virusausbreitung werde derzeit erwogen, ein Treffen der Ölminister von März auf Februar vorzuziehen.
Die Unruhe der Ölproduzenten ist nachvollziehbar. Experten schätzen, dass die Ölnachfrage in China, immerhin die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, um ein Fünftel einbrechen könnte. Dazu kommt der sinkende Bedarf an Kerosin, weil viele Airlines China vorerst vom Flugplan genommen haben.
Die Führung in China plant angesichts der angespannten Lage neue Konjunkturspritzen. „Wir werden die Stützung der Wirtschaft forcieren“, sagte ein Regierungsberater laut Reuters. Geld soll unter anderem in die von der Viruskrise besonders betroffenen Bereiche Einzelhandel, Logistik, Verkehr und Tourismus fließen. Zudem soll die Notenbank den Leitzins kappen.
Das Virus trifft die chinesische wie auch die globale Wirtschaft zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die Risiken seien durch Handelskonflikte, Brexit, schwache Banken und geopolitische Konflikte ohnehin schon ungewöhnlich hoch, sagt Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen
Instituts für Wirtschaftsforschung DIW. „Sollten die Produktionsstopps in der chinesischen Industrie länger anhalten, wären auch die internationalen Lieferketten bedroht“, fürchtet Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Beim größten südkoreanischen Autohersteller ist das bereits der Fall. Hyundai Motor kündigte am Dienstag an, die Produktion in allen sieben Werken im Heimatland teils auszusetzen, weil benötigte Kabelbäume, die üblicherweise aus China kommen, fehlen. Bis Ende der Woche werde die gesamte Produktion in Südkorea zum Stillstand gekommen sein. Zugleich sucht der Konzern nach „alternativen Zulieferern in anderen Regionen“.
Auch der oberösterreichische Faserhersteller Lenzing muss möglicherweise seine Produktion in Nanjing
– rund 500 Kilometer von Wuhan entfernt – einstellen. Derzeit sei das Werk noch mit 80 Prozent der Leistung in Betrieb, sagte ein Sprecher, es gebe jedoch viele Unsicherheiten. 200 Mitarbeiter seien noch im Werk, 600 zu Hause. Der Lagerbestand sei „im normalen Bereich“. Man könne noch zwei Tage weiterproduzieren. Wegen Transportkontrollen könnte aber bei Chemikalien ein Engpass auftreten.
In Europa halten sich die Folgen bisher in Grenzen, auch weil die Produktion wegen der Feiertage zum chinesischen Neujahrsfest – am 25. Jänner – ohnehin eingeschränkt war. Fratzscher warnt daher: „Die größte wirtschaftliche Sorge ist die Panikmache, die wir in Einzelfällen auch in Europa sehen.“Die Angst vor dem Unbekannten führe bei Konsumenten und Firmen – in China und global – zu übertrieben starken Reaktionen.