Sänger gehen am Arbeitsplatz durch die Hölle
„Viva la Diva“: Das Salzburger Landestheater zeigt eine Donizetti-Oper in neuer Fassung.
„Wir haben eigentlich einen Tenor erwartet“, sagt der Regisseur. Damit kann die schüchterne Soubrette zwar nicht dienen, aber ihre Stimme verschafft ihr ein Engagement. Ein Casting gewährt einen Blick hinter die Kulissen einer Opernproduktion: Die ungarische Mezzosopranistin kommuniziert nur per Agent, der in Freilassing und Flachau weltbekannte Tenor verliert Nerven und Stimme. Weil man noch einen Inspizienten braucht, ist er trotzdem an Bord.
„Nichts auf dieser Bühne ereignet sich, was ich als erfahrener Opernregisseur nicht selbst schon erlebt hätte“, sagt Regisseur Stephen Medcalf über „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“. Im Salzburger Landestheater wird Gaetano Donizettis Opera buffa, die auch unter „Viva la Mamma!“, firmiert, mit einem Prolog angereichert und unter dem Namen „Viva la Diva“neu aufbereitet. Gemeinsam mit Andreas Fladvad-Geier, Konzertchef der Stiftung Mozarteum, hat Medcalf eine deutschsprachige Fassung erstellt, die auch russische Festspielsponsoren und den Salzburger Swap-Skandal auf die Schaufel nimmt.
Diven gibt es in dieser 1827 uraufgeführten Persiflage auf den Opernbetrieb genug. Allein dass Donizetti die Helikoptermama, die über die Gesangskarriere ihrer Tochter wacht, mit einem Bariton besetzt, verleiht dem Stück eine schräge Optik. George Humphreys schlüpft in die Rolle der unverwüstlichen Agatha, die wie ein britischer Bierkutscher über die Rivalinnen der Tochter flucht. Dabei galoppiert der hinreißende Komödiant formvollendet wie eine Musterschülerin von Heidi Klum in High Heels über die Bühne.
Anne-Fleur Werner kontert als Primadonna Corinna mit gezielt geschleuderten Koloraturen und einem Hündchen, das die diesbezüglich sensible Agatha in den Wahnsinn treibt. Auch Raimundas Juzuitis ist als Corinnas Gatte Sergej Prokoloff nicht zimperlich. Sympathiewert besitzen einzig Hazel McBain als Agathas Tochter Luisa Klein und
Franz Supper als Inspizient: In einem unbeobachteten Moment schmettert der Kammersänger ein italienisch gefärbtes „Dein ist mein ganzes Herz“ins Publikum.
Warum ist das Operngenre so empfänglich für Diven? „Weil die Stimme ein kostbares Instrument ist“, antwortet Medcalf. „Sänger sind verletzlicher als alle anderen Instrumentalisten. Sie müssen auf der Bühne stehen und die große
Performance liefern. Viele große Diven sind wegen dieses Drucks so sensibel und neurotisch.“Die Liebe zu dieser Kunstform merkt man der Inszenierung, von der sich die SN bei der Generalprobe einen Eindruck verschaffen konnten, an. Aber auch den britischen Humor, den Medcalf bereits in seinen Salzburger Inszenierungen von Werken seines Landsmanns Benjamin Britten aufblitzen ließ. Wer noch nicht auf der Bühne gestanden sei und ein stimmliches Versagen am eigenen Leib erlebt habe, wisse nicht, was wahre Hölle sei, sagt der Regisseur. Seine Inszenierung handle von schlechtem Benehmen am Arbeitsplatz – gewissermaßen „The Office“im Operngewand.
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