Götterdämmerung im Klimawandel
Der Titel der Serie bezeichnet in der Mythologie der Wikinger das „Ende der Welt“: „Ragnarök“. Für Netflix hat der Däne Adam Price („Borgen“) das Sagenhafte aus grauer Vorzeit direkt in die Gegenwart katapultiert: In eine Zeit, in der die Gletscher schmelzen und die Verwendung von Plastiksäcken eine Umweltsünde ist. Die sechsteilige Mysteryserie schafft mit etwas Augenzwinkern und teilweise betörenden Bildern einen Spagat zwischen Klimakrise und nordischen Mythen, zwischen Götterwelten und Superhelden, zwischen diabolischen Riesen und der coolen Instagram-Generation. Der Schüler Magne (David Stakston) kommt neu in den auf den ersten Blick idyllischen Ort Edda. Dort freundet er sich mit der Schulkollegin und Umweltaktivistin Isolde (Ylva Bjørkaas Thedin) an, die bald auf mysteriöse Weise stirbt. Apropos mysteriös. Der mit einer wunderbaren Langsamkeit in Blicken und Bewegung gespielte Magne besitzt nach einer Berührung einer Einheimischen Riesenkräfte, kann einen Hammer Hunderte Meter weit werfen oder die 100 Meter in 6,98 Sekunden laufen. Die Bedrohlichkeit nimmt stark zu, „Die Stadt ist krank“ist mehrfach zu hören. Als sich ein zu Aggressionsausbrüchen aller Art neigender Industrieboss und dessen comichaft überzeichnete Frau – sie jobbt als abgefeimte Rektorin – als Wiedergänger outen und Magne sich als Reinkarnation von Thor profiliert, ist die Götterdämmerung schon sehr nah. Höllenhunde mit stechend grünen Augen, Rentiere mit herausgerissenen Herzen, Blitzexzesse: „Ragnarök“steigert sich zunehmend zu einem nicht immer stimmigen Furioso. Fortsetzung folgt – ziemlich sicher.