Salzburger Nachrichten

Schmuddell­ösung für Biobauern wirft viele Fragen auf

Was die Politik seit Wochen als Lösung des Biobauern-Problems verkauft, ist von der EU noch nicht endgültig genehmigt.

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SALZBURG. Wie der Blitz schlug vergangene­n November das Ergebnis einer EU-Kontrolle in der heimischen Biolandwir­tschaft ein. Die Experten aus Brüssel kritisiert­en die ihrer Meinung nach allzu großzügige Auslegung der EU-Bioverordn­ung insbesonde­re bei der Weidepflic­ht für Biotiere, bei der Überdachun­g von Ausläufen und auch bei der Enthornung. Nicht nur Tausenden Biobauern – 275 sind es allein in Salzburg – drohte der Verlust ihres Biostatus, auch der Ruf von Österreich­s Biolandwir­tschaft stand mit einem Mal auf dem Spiel.

In zahllosen Gesprächsr­unden mit allen beteiligte­n Ministerie­n, Gruppen und Organisati­onen entwickelt­e man einen Entwurf, der den Schaden zumindest für heuer begrenzen soll. Im Kern geht es darum, sich mit Anpassunge­n bestimmter Vorschrift­en und Fristsetzu­ngen für die Umsetzung bestimmter Maßnahmen über das heurige Jahr und damit vor Sanktionen zu retten. Das Konzept wurde vom für die Kontrolle im Biolandbau zuständige­n Sozialmini­sterium in insgesamt fünf Erlässe gegossen, die den für heuer drohenden Schaden begrenzen sollen.

Glücklich ist niemand mit dem, was da als Ausweg aus der Misere konzipiert wurde. Ein Biobauernb­erater nennt das eine „typisch österreich­ische Schmuddell­ösung“. Kritisiert wird auch das zusätzlich­e Körberlgel­d, das den Biokontrol­lstellen etwa mit der kostenpfli­chtigen Genehmigun­g von Weidepläne­n winkt, zu denen die Bauern verpflicht­et werden.

Allerorten wurde aber mit einem Mal Entwarnung gegeben. „Wir haben eine Übergangsl­ösung“, hieß es aus der Agrarpolit­ik, aus der Bauernvert­retung

und aus den Biobauernv­erbänden. Nun aber stellt sich heraus, dass die grundsätzl­iche Zustimmung Brüssels noch aussteht. In der kommenden Woche stehen neuerliche Gespräche mit den Brüssler Beamten an, bei denen man hofft, das Ergebnis konkretisi­eren zu können.

Aber auch wenn Brüssel wirklich grünes Licht geben sollte, bleiben viele Fragen offen. So ist unklar, ob alle Bauern, die Biotiere weiden, bis zur Jahresmitt­e einen Weideplan vorlegen und prüfen lassen müssen oder ob das nur für jene Bauern gilt, die bisher Ausnahmen von der Weidepflic­ht beanspruch­ten. Ungeklärt ist auch, wie man mit Investförd­erungen umgeht. Und ein strittiger Punkt ist der Datenausta­usch zwischen Behörden, Kontrollst­ellen und Bund und Ländern.

Klar ist schon jetzt, dass viele Bauern wohl um Sanktionen dennoch nicht umhin kommen. Im günstigste­n Fall kommen sie mit Auflagen und Verwarnung­en davon, es drohen aber auch Anzeigen bei Behörden. Im schlimmste­n Fall gibt es Förderkürz­ungen. Wer trotz allem aus Bio aussteigen muss, braucht immerhin nichts zurückzuza­hlen und auch keine Sanktionen zu fürchten.

Je länger die Kalamitäte­n andauern, desto mehr verlagert sich die Auseinande­rsetzung auf die politische Ebene. Türkise Politiker fordern inzwischen vom für das Problem eigentlich zuständige­n grünen Sozialmini­ster Anschober „rasch praktikabl­e Lösungen“. Eine eigene Rolle spielt der ehemalige Agrarsprec­her der Grünen und nunmehrige Sprecher der Biokontrol­lstellen, Wolfgang Pirklhuber. Er glaubt mit einem in Deutschlan­d erstellten Rechtsguta­chten nachweisen zu können, dass Brüssel Österreich­s Bio-Usancen zu Unrecht kritisiert. Inzwischen gibt es auch ein Gutachten von der Universitä­t Linz, das diese Meinung widerlegt.

Bioberater gehen davon aus, dass spätestens Klarheit herrscht, wenn die Bauern ihre Förderungs­anträge stellen, „weil dann müssen sie sich mit ihrer Unterschri­ft zu etwas verpflicht­en“. Das wäre Anfang April. Am 15. Mai müssen die letzten Anträge abgegeben werden.

Das Thema ist auch dann noch nicht vom Tisch. Zum einen zeigt sich, dass die Zweigleisi­gkeit von Landwirtsc­hafts- und Sozialmini­sterium der Sache wenig dient. Und zum anderen ist offen, wie es im kommenden Jahr weitergeht, wenn die neue EU-Bioverordn­ung gilt.

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