Im Titelduell steht es 55:0
Bayern München verspürt Rückenwind, Herausforderer RB Leipzig schwächelte zuletzt. Im Spitzenspiel am Sonntag könnten die Bullen den Spieß wieder umdrehen.
Für die Experten gibt es keine Zweifel: Früher oder später wird RB Leipzig es mit den allmächtigen Bayern aufnehmen und ein ernsthafter Konkurrent um Titel werden. Die Frage ist nur, wann es passiert. Somit kommt dem direkten Duell am Sonntag (18, live auf Sky Sport) fast historische Bedeutung zu. Markiert der Schlager des Ersten gegen den Zweiten in der Münchner Allianz Arena die Wachablöse? Oder wehren die Bayern in bewährter „Mia san mia“-Manier den Angriff noch einmal ab?
Der Rekordmeister hält bei 55 großen Titeln, beim gerade einmal zehn Jahre alten Emporkömmling aus dem Osten brauchte es bislang noch keinen Trophäenschrank. Während der ersten Saisonhälfte wirkten die Leipziger so souverän, dass der erstmalige Griff nach der Meisterschale nicht mehr unrealistisch schien. Ein in Hochform agierender ÖFB-Teamspieler Marcel Sabitzer und Tormaschine Timo Werner waren nur zwei Erfolgsfaktoren auf dem Weg zur Halbzeitführung, vier Punkte vor den Bayern. Der Meister der letzten sieben Jahre zeigte ungewohnte Schwächen und zog mit dem Rauswurf von Trainer Niko Kovač die Reißleine. Unter Interimstrainer Hansi Flick fanden die Bayern aber in die Erfolgsspur zurück. „Meine Mannschaft hat den Willen, das Ganze wieder umzubiegen und am Ende der Saison vorne zu stehen. Es wird eine schwierige Aufgabe, aber wir haben die Qualität dazu“, sagte der langjährige Co-Trainer schon vor dem Rückrundenstart. Inzwischen ist aus BayernSicht wieder alles im Lot. Nach acht Siegen in zehn Ligaspielen unter Flick gehen sie ins Schlagerspiel wie eh und je: als Tabellenführer und Favorit. Auch weil bei den Bullen der Motor seit dem Jahreswechsel stottert: Nur ein Sieg in vier Bewerbsspielen, dazu peinliche Starfriseur-Affäre vor dem Auswärtsspiel in Frankfurt.
Die Eintracht, demnächst Europa-League-Gegner des österreichischen Schwesterclubs Red Bull Salzburg, warf Leipzig vor wenigen Tagen mit einem 3:1 auch noch aus dem DFB-Pokal. Die Bayern hingegen kamen mit dem 4:3 gegen Hoffenheim weiter, wenn auch nach der zwischenzeitlichen 4:1-Führung am Ende nur knapp. Das Schwächeln in der Schlussphase mit zwei Hoffenheim-Gegentoren des Ex-Salzburgers Munas Dabbur sah Flick als „Weckruf“zur rechten Zeit. „Dass wir noch mal so ins Schwimmen kommen, darüber müssen wir reden, das müssen wir analysieren.“Der Reputation Flicks hat das Ganze nicht geschadet. Die Entscheidungsträger
beim Rekordmeister können sich den vermeintlichen Notnagel auf der Bank inzwischen als langfristige Lösung vorstellen. Mit Flick blühte auch Thomas Müller wieder auf. „Thomas verkörpert den FC Bayern und repräsentiert den Verein hervorragend“, lobt der neue Präsident Herbert Hainer den Ur-Bayern. Der frühere Trainer Jupp Heynckes meint: „Wäre ich ein Verantwortlicher des FC Bayern, würde Thomas nie woanders spielen. Er gehört zum FC Bayern wie der Marienplatz zu München.“Dort, auf dem Marienplatz, wollen sie am Saisonende wieder feiern. Titel Nummer 56, 57 und vielleicht sogar 58? Oder kriegt RB noch einmal die Kurve und macht den Leipziger Markt oder die Festwiese im Frühsommer zur Jubelstätte? Sportdirektor Markus Krösche ist bemüht, den Ball vor dem großen Duell vom Sonntag flach zu halten. Natürlich wolle man gewinnen, sagte er. Aber: „Bayern ist bei Weitem noch kein Endspiel.“