Warum sie noch da ist
Sie sind widerständig und zäh. Sie wollen sich ihr Christin-Sein nicht von den Männern stehlen lassen und pochen beinahe wider alle Hoffnung auf die Gleichheit von Frau und Mann in der katholischen Kirche.
Jüngst hat es sich bei der Amazonien-Synode im Oktober 2019 in Rom gezeigt: Dass selbst bei einer Versammlung von überwiegend eher fortschrittlichen katholischen Bischöfen beim Thema Frauen am allerwenigsten vorangeht. Zwar traten die Oberhirten aus dem südamerikanischen Regenwald dafür ein, dass verheiratete Gemeindeleiter für ihre Pfarre zum Priester geweiht werden sollen. Aber der Vorstoß der Basis, dass Frauen wenigstens der Weg zur Diakonin geöffnet werden sollte, wurde im Abschlussdokument mit keiner Silbe erwähnt. „Mann-Sein als Qualifikation zum Weiheamt kommt der totalen Reduktion von Charismen und Berufungen auf ein biologistisches Argument gleich“, sagt dazu Angelika Ritter-Grepl. Die Leiterin des Frauenreferats der Diözese Innsbruck studierte Kritische Geschlechter- und Sozialforschung an der Universität Innsbruck und ist Mitbegründerin der kirchlichen Fraueninitiative „bleiben.erheben.wandeln“. Dass das Weiheamt – vielleicht – für verheiratete Männer geöffnet werde, hält sie für eine erneute Fehlentwicklung. „Die Zulassung von viri probati verschärft die Frauenfrage in der katholischen Kirche. Für theologisch ausgebildete Frauen im kirchlichen Dienst entsteht dadurch eine Situation des Zwangslaientums, eine unsägliche Diskriminierung. Ein solcher Schritt kann nur als frauenfeindlich, als misogyn, gewertet werden, er bestätigt die unheilvolle Geschlechterordnung der katholischen Kirche“, sagt Ritter-Grepl.
Bleiben oder gehen, und wenn bleiben, warum? Mehr als 80 Frauen setzen sich in dem Sammelband „Frauen machen Kirche“mit dieser, ihrer Gretchenfrage auseinander. Jesus habe radikal mit bestehenden Kategorien gebrochen, meint Regina Augustin, Generalsekretärin der Katholischen Frauenbewegung Oberösterreichs. Eine Kernaussage dazu habe der Apostel Paulus schon um das Jahr 55 in seinem Galaterbrief formuliert: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ,einer‘ in Christus Jesus.“(Gal 3, 26) Regina Augustin beantwortet die Frage, warum sie noch Mitglied sei, so: „Weil ich den Neuanfang nicht verpassen möchte!“Einen Neuanfang, den die Ordensgründerin und Kirchenlehrerin
Teresa von Ávila schon im 16. Jh. gefordert hat: „Aber ich halte es in diesen Zeiten für unrecht, wenn man starke und begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt.“
Frauen, die heute bewusst in der katholischen Kirche bleiben, ist das aus der Seele gesprochen. Ulrike Bechmann, Religionswissenschafterin an der Universität Graz, ist überzeugt, wer bleibe, brauche ein Höchstmaß an Eigenmotivation und eine Spiritualität, die trotzdem trage, die von anderen Orten her denke als von der Kirche als Institution. „Eine starke Leistung der Frauen, ein Armutszeugnis für die Kirche angesichts ihrer Ansprüche an sich selbst.“Auch jene Frauen, die einen eigenen spirituellen Weg suchten, müssten dafür viel Kraft aufbringen. „Für viele dieser Frauen wäre wahrscheinlich Bleiben eine prima Alternative gewesen. Und auch für die Kirche wäre es eine prima Alternative, diese Frauen mit all ihrer Spiritualität nicht zu verlieren. Allen: Der Raum dafür wird nicht bereitet, und so wird er immer leerer werden.“
Definitiv nicht bereitet ist der Raum für Frauen, die sich zur Priesterin berufen fühlen. Melanie Lerchner, Religionspädagogin in Salzburg, hat noch heute den Satz in den Ohren, der ihr als 24-Jährige auf den Kopf zugesagt wurde: „Du kannst keinen göttlichen Ruf zum Priesteramt hören – du bist eine Frau.“Nach einem solchen Satz aus dem Mund einer kirchlichen Obrigkeit, „weiß man nicht, soll man in ewige Schockstarre verfallen, wütend im Kreis laufen, losheulen, zum Gegenangriff einatmen oder sich am besten wie in einem Marvel-Comic ,PUFFFFFFFF‘ in Luft auflösen.“Wie umgehen mit einer solchen Kirche, fragt sich Lerchner: bleiben – resignieren – dulden, bleiben – erheben – wandeln, gehen – erheben – wandeln oder einfach nur gehen?
Annamaria Ferchl-Blum hat sich als Religionsinspektorin in Feldkirch ihren eigenen spirituellen und beruflichen Faden gewoben. Durch „Missbrauch im engsten Umfeld, Konflikte, Enttäuschungen und Zweifel“verlor sie weitgehend ihre Hoffnung, die festgefahrenen kirchlichen Muster dadurch verändern zu können, dass viele Frauen mitarbeiten, mitweben. „Heute webe ich nur noch dort mit, wo es mir sinnvoll erscheint, ich einen Auftrag spüre und mein Faden gebraucht wird. Das gelingt in meiner beruflichen Tätigkeit weitgehend ohne allzu ungute Verknotungen und gerissene Fäden. Abstand brauche ich von Pfarren, Liturgien und allen Formen der Zelebration des männlichen, geistlichen Amtes.“
Viele Frauen stünden der Kirche – noch – zur Verfügung, um die Knäuel an unheilvollem Klerikalismus und verkrusteten Machtstrukturen zu lösen, betont Ferchl-Blum. Häufige Motivation dafür ist die Kernbotschaft des Evangeliums. Regina Brandl, Gründungsrektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Edith Stein in Stams, glaubt an eine Kirche, die an der Seite der Armen, Flüchtlinge und Geknechteten stehe, eine globale Kirche, die ein Kontrastprogramm gegen Nationalismen und einzelstaatliche Egoismen sei, und eine Kirche, die gegen menschenverachtende Strukturen, Dogmen und Ideologien die Würde jeder und jedes Einzelnen einklage. Nicht zuletzt bedeute ihr Kirche auch Heimat, „aus der ich mich nicht vertreiben lasse“.
Dagegen sieht die Theologin Katrin Geiger vom Bildungsund Erholungshaus der Barmherzigen Schwestern Innsbruck ihren Platz „draußen vor der Tür“. Vor der Kirchentür sei ihr Ort der Solidarität mit Ausgeschlossenen, Verletzten, Müden, ein Ort, an dem Menschen einander auf Augenhöhe begegneten. Dass irgendwer in der Kirche die Macht habe, Türen zu öffnen oder zu schließen, „leuchtet mir nicht ein, nicht mehr. Mein Glaube ist biblischer geworden, mein Glaube ist Suche nach Jesus im Leben.“
Ihre Nischen lebt auch die Religionspädagogin und Supervisorin Doris Gilgenreiner. Sie fühlt sich der biblischen Botschaft nahe, aber nicht der Institution, auch wenn sie manchmal die Sehnsucht nach Dazugehören, Mitgestalten und Mitbestimmen verspüre. „Aber in dieser Struktur? In diesem Machtgefüge? Nein, Priesterin will ich schon lange nicht mehr werden.“Es gebe Nischen, in denen es möglich sei, Gott gemeinsam, auf Augenhöhe zu feiern – ohne „Das darfst du und das nicht“. bleiben.erheben.wandeln (Hrsg.): „Frauen machen Kirche“. 80 persönliche Zeugnisse, authentische Stimmen aus der Mitte der katholischen Kirche. 232 S., 19,60 Euro, Patmos 2020.