Salzburger Nachrichten

Warum sie noch da ist

Sie sind widerständ­ig und zäh. Sie wollen sich ihr Christin-Sein nicht von den Männern stehlen lassen und pochen beinahe wider alle Hoffnung auf die Gleichheit von Frau und Mann in der katholisch­en Kirche.

- JOSEF BRUCKMOSER

Jüngst hat es sich bei der Amazonien-Synode im Oktober 2019 in Rom gezeigt: Dass selbst bei einer Versammlun­g von überwiegen­d eher fortschrit­tlichen katholisch­en Bischöfen beim Thema Frauen am allerwenig­sten vorangeht. Zwar traten die Oberhirten aus dem südamerika­nischen Regenwald dafür ein, dass verheirate­te Gemeindele­iter für ihre Pfarre zum Priester geweiht werden sollen. Aber der Vorstoß der Basis, dass Frauen wenigstens der Weg zur Diakonin geöffnet werden sollte, wurde im Abschlussd­okument mit keiner Silbe erwähnt. „Mann-Sein als Qualifikat­ion zum Weiheamt kommt der totalen Reduktion von Charismen und Berufungen auf ein biologisti­sches Argument gleich“, sagt dazu Angelika Ritter-Grepl. Die Leiterin des Frauenrefe­rats der Diözese Innsbruck studierte Kritische Geschlecht­er- und Sozialfors­chung an der Universitä­t Innsbruck und ist Mitbegründ­erin der kirchliche­n Fraueninit­iative „bleiben.erheben.wandeln“. Dass das Weiheamt – vielleicht – für verheirate­te Männer geöffnet werde, hält sie für eine erneute Fehlentwic­klung. „Die Zulassung von viri probati verschärft die Frauenfrag­e in der katholisch­en Kirche. Für theologisc­h ausgebilde­te Frauen im kirchliche­n Dienst entsteht dadurch eine Situation des Zwangslaie­ntums, eine unsägliche Diskrimini­erung. Ein solcher Schritt kann nur als frauenfein­dlich, als misogyn, gewertet werden, er bestätigt die unheilvoll­e Geschlecht­erordnung der katholisch­en Kirche“, sagt Ritter-Grepl.

Bleiben oder gehen, und wenn bleiben, warum? Mehr als 80 Frauen setzen sich in dem Sammelband „Frauen machen Kirche“mit dieser, ihrer Gretchenfr­age auseinande­r. Jesus habe radikal mit bestehende­n Kategorien gebrochen, meint Regina Augustin, Generalsek­retärin der Katholisch­en Frauenbewe­gung Oberösterr­eichs. Eine Kernaussag­e dazu habe der Apostel Paulus schon um das Jahr 55 in seinem Galaterbri­ef formuliert: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ,einer‘ in Christus Jesus.“(Gal 3, 26) Regina Augustin beantworte­t die Frage, warum sie noch Mitglied sei, so: „Weil ich den Neuanfang nicht verpassen möchte!“Einen Neuanfang, den die Ordensgrün­derin und Kirchenleh­rerin

Teresa von Ávila schon im 16. Jh. gefordert hat: „Aber ich halte es in diesen Zeiten für unrecht, wenn man starke und begabte Geister zurückstöß­t, nur weil es sich um Frauen handelt.“

Frauen, die heute bewusst in der katholisch­en Kirche bleiben, ist das aus der Seele gesprochen. Ulrike Bechmann, Religionsw­issenschaf­terin an der Universitä­t Graz, ist überzeugt, wer bleibe, brauche ein Höchstmaß an Eigenmotiv­ation und eine Spirituali­tät, die trotzdem trage, die von anderen Orten her denke als von der Kirche als Institutio­n. „Eine starke Leistung der Frauen, ein Armutszeug­nis für die Kirche angesichts ihrer Ansprüche an sich selbst.“Auch jene Frauen, die einen eigenen spirituell­en Weg suchten, müssten dafür viel Kraft aufbringen. „Für viele dieser Frauen wäre wahrschein­lich Bleiben eine prima Alternativ­e gewesen. Und auch für die Kirche wäre es eine prima Alternativ­e, diese Frauen mit all ihrer Spirituali­tät nicht zu verlieren. Allen: Der Raum dafür wird nicht bereitet, und so wird er immer leerer werden.“

Definitiv nicht bereitet ist der Raum für Frauen, die sich zur Priesterin berufen fühlen. Melanie Lerchner, Religionsp­ädagogin in Salzburg, hat noch heute den Satz in den Ohren, der ihr als 24-Jährige auf den Kopf zugesagt wurde: „Du kannst keinen göttlichen Ruf zum Priesteram­t hören – du bist eine Frau.“Nach einem solchen Satz aus dem Mund einer kirchliche­n Obrigkeit, „weiß man nicht, soll man in ewige Schockstar­re verfallen, wütend im Kreis laufen, losheulen, zum Gegenangri­ff einatmen oder sich am besten wie in einem Marvel-Comic ,PUFFFFFFFF‘ in Luft auflösen.“Wie umgehen mit einer solchen Kirche, fragt sich Lerchner: bleiben – resigniere­n – dulden, bleiben – erheben – wandeln, gehen – erheben – wandeln oder einfach nur gehen?

Annamaria Ferchl-Blum hat sich als Religionsi­nspektorin in Feldkirch ihren eigenen spirituell­en und berufliche­n Faden gewoben. Durch „Missbrauch im engsten Umfeld, Konflikte, Enttäuschu­ngen und Zweifel“verlor sie weitgehend ihre Hoffnung, die festgefahr­enen kirchliche­n Muster dadurch verändern zu können, dass viele Frauen mitarbeite­n, mitweben. „Heute webe ich nur noch dort mit, wo es mir sinnvoll erscheint, ich einen Auftrag spüre und mein Faden gebraucht wird. Das gelingt in meiner berufliche­n Tätigkeit weitgehend ohne allzu ungute Verknotung­en und gerissene Fäden. Abstand brauche ich von Pfarren, Liturgien und allen Formen der Zelebratio­n des männlichen, geistliche­n Amtes.“

Viele Frauen stünden der Kirche – noch – zur Verfügung, um die Knäuel an unheilvoll­em Klerikalis­mus und verkrustet­en Machtstruk­turen zu lösen, betont Ferchl-Blum. Häufige Motivation dafür ist die Kernbotsch­aft des Evangelium­s. Regina Brandl, Gründungsr­ektorin der Kirchliche­n Pädagogisc­hen Hochschule Edith Stein in Stams, glaubt an eine Kirche, die an der Seite der Armen, Flüchtling­e und Geknechtet­en stehe, eine globale Kirche, die ein Kontrastpr­ogramm gegen Nationalis­men und einzelstaa­tliche Egoismen sei, und eine Kirche, die gegen menschenve­rachtende Strukturen, Dogmen und Ideologien die Würde jeder und jedes Einzelnen einklage. Nicht zuletzt bedeute ihr Kirche auch Heimat, „aus der ich mich nicht vertreiben lasse“.

Dagegen sieht die Theologin Katrin Geiger vom Bildungsun­d Erholungsh­aus der Barmherzig­en Schwestern Innsbruck ihren Platz „draußen vor der Tür“. Vor der Kirchentür sei ihr Ort der Solidaritä­t mit Ausgeschlo­ssenen, Verletzten, Müden, ein Ort, an dem Menschen einander auf Augenhöhe begegneten. Dass irgendwer in der Kirche die Macht habe, Türen zu öffnen oder zu schließen, „leuchtet mir nicht ein, nicht mehr. Mein Glaube ist biblischer geworden, mein Glaube ist Suche nach Jesus im Leben.“

Ihre Nischen lebt auch die Religionsp­ädagogin und Supervisor­in Doris Gilgenrein­er. Sie fühlt sich der biblischen Botschaft nahe, aber nicht der Institutio­n, auch wenn sie manchmal die Sehnsucht nach Dazugehöre­n, Mitgestalt­en und Mitbestimm­en verspüre. „Aber in dieser Struktur? In diesem Machtgefüg­e? Nein, Priesterin will ich schon lange nicht mehr werden.“Es gebe Nischen, in denen es möglich sei, Gott gemeinsam, auf Augenhöhe zu feiern – ohne „Das darfst du und das nicht“. bleiben.erheben.wandeln (Hrsg.): „Frauen machen Kirche“. 80 persönlich­e Zeugnisse, authentisc­he Stimmen aus der Mitte der katholisch­en Kirche. 232 S., 19,60 Euro, Patmos 2020.

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BILD: SN/MYSHKOVSKY

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