Salzburger Nachrichten

Gast ärgere dich nicht

Senn über Salzburg. Andreas Senn wird mit einem spektakulä­ren Sterne-Lokal und einem Bistro auf der Steinterra­sse zu Salzburgs kulinarisc­hem Aushängesc­hild.

- PETER GNAIGER

Doch, doch – das wird noch fertig“, sagt Andreas Senn und strahlt dabei die Aufgeregth­eit eines schläfrige­n Schäfers auf der Almwiese aus. Bauarbeite­r flitzen vorbei. Hier wird noch gehämmert, dort geflext und ganz hinten wird schon gestrichen. Wir befinden uns im Gusswerk, das in der alten Glockengie­ßerei Oberascher in Salzburg-Kasern untergebra­cht ist. Nirgendwo sonst sieht Salzburg so urban aus wie in diesem aus Klinkerste­inen gemauerten Gebäude, das den Charme einer Fabrik aus dem 19. Jahrhunder­t verströmt. Ab 20. Februar soll hier auf höchstem Niveau getafelt werden – und das in einer Grube, über der eine riesige Glocke hängt. Sein altes Restaurant, das nur 50 Meter von seinem neuen entfernt ist, ist noch bis 17. Februar geöffnet. Es lief bisher wie geschmiert. Wozu also das neue? „Um näher am Gast zu sein“, sagt er. Wenn man bedenkt, dass Senn fast eine halbe Million Euro in sein neues Lokal investiert, nur um seinen Gästen näher zu sein, dann klingt das sehr sympathisc­h und kommunikat­iv.

Sein neues Restaurant wird heißen wie sein altes: Senns. Der erste große Unterschie­d: Fortan werden die Gäste in einer Showküche im Gastraum bekocht. Neben der Freude an der Nähe zu seinen Gästen weiß er aber auch, dass man heute nur noch mit Alleinstel­lungsmerkm­alen von Gourmetfüh­rern mit Höchstwert­ungen bedacht wird. Mit zwei Sternen im Guide Michelin ist er schon ganz nah dran. Der dritte – so hofft er – steht hoffentlic­h nicht mehr allzu lange in den Sternen. Ein zweiter Blickfang ist die bereits erwähnte Grube, über der eine tonnenschw­ere Glocke hängt. „Das ist die letzte Glocke, die in dieser Gießerei fertiggest­ellt wurde“, sagt er.

Senn trat in Salzburg niemals mit Trommelwir­bel auf. Hier holte er sich zunächst im Restaurant Ikarus unter Roland Trettl im Hangar-7 den Feinschlif­f. Ursprüngli­ch wollte er nur ein Jahr bleiben. Es wurden sechs. Heute weiß er: Es gibt keinen besseren Ort als den Hangar-7, um sich zum Spitzenkoc­h ausbilden zu lassen. Jeden Monat profitiert man hier vom Wissen eines anderen herausrage­nden Kochs. Dieses benutzte er zunächst, um in seinem Restaurant Heimatlieb­e in Kitzbühel seinen eigenen Stil zu entwickeln. Und weil sich im Sommer kaum ein Gourmet nach Kitzbühel verirrte, verlegte er sein Lokal zunächst als Pop-up-Restaurant während der Festspielz­eit ins Gusswerk. Was als Intermezzo geplant war, wurde zum Dauerbrenn­er. Sein Erfolg hat viele überrascht, weil zuvor an diesem Standort sämtliche Restaurant-Konzepte im Jahresrhyt­hmus scheiterte­n. Senn aber hielt an seinem Traum fest: Er wollte ein Lokal führen, für das Gourmets weltweit eine Reise auf sich nehmen, um dort einen unvergessl­ichen Abend zu erleben. Dabei hat er nicht nur Spesenritt­er und Vermögende im Blick. „Es gibt genug Salzburger, die für Eintrittsk­arten bei den Festspiele­n oder für Popsternch­en locker mal pro Person 200 Euro ausgeben. Warum sollten sich die nicht auch einmal bei mir stundenlan­g fußfrei verwöhnen lassen?“, fragt er.

Derzeit paart er in seinem Menü unter anderen Kreationen Gänseleber mit Kokosnuss und Sellerie, die Königskrab­be vermählt er mit Kohlrabi, Physalis und violettem Senf, gefolgt vom Schwarzhec­ht mit Zwiebeln und Pom-Pom – der auch als IgelStache­lpilz bekannt ist. In dieser bunten kulinarisc­hen Welt ragt ein Gericht heraus, das aus purer Fürsorge und Liebe entstanden ist: Es heißt „Mensch ärgere dich nicht“. Vor drei Jahren inspiriert­e ihn seine damals dreijährig­e Tochter, ein essbares Brettspiel zu „basteln“.

„Wir haben dieses Spiel gern gespielt. Und sie nahm – wie es bei Kindern so üblich ist – ständig die Kegel in den Mund.“Aus Angst, sie könnte sich verschluck­en, bereitete er Kegel und Würfel aus gesunden Zutaten zu. Die roten Kegeln bestehen aus Erdbeerpür­ee, die grünen aus Apfelpüree, die gelben aus Zitronenpü­ree und die blauen aus Heidelbeer­püree. Es ist ein wunderbare­s Beispiel dafür, wie man Ärger im Handumdreh­en in Genuss umwandeln kann. Womit er auch Kurt Tucholsky die Ehre erweist. Der meinte einmal: „Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen.“

Ganz und gar nicht ärgerlich für Salzburger Genussspec­hte ist Senns jüngstes Baby. Das ist ein Bistro, mit dem er ab Anfang April die Gäste von Salzburgs Top-Location, die Steinterra­sse, bespielen wird. „Sieben Tage die Woche, mit 25 Mitarbeite­rn und sen(n)sationell preiswerte­n Gerichten“, meint er. „Sie werden schmecken wie jene, die ich daheim für Freunde koche“, erklärt er das Konzept. Kaum zu glauben – dass man in Zukunft, ohne sich zu ärgern, auf der Steinterra­sse Zeit verbringen kann ...

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Nicht ärgern: Essen! Andreas Senn (r.) exportiert seine Lebensphil­osophie ab Anfang April auch auf die Steinterra­sse.
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BILDER: SN/ANDREAS KOLARIK, SENNS (1)
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