Salzburger Nachrichten

Die Gans, dein Freund und Helfer

Von wegen dumme Gans. Wie uns ein verliebtes Federvieh seit Jahrtausen­den das Wetter vorhersagt und uns schnattern­d beschützt.

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VVor zwei Wochen war die Aufregung im Burgenland groß. Da hat der Gemüsebaue­r Erich Stekovics bekannt gegeben, dass seine acht Muttergäns­e ihre Eier gelegt haben. Stekovics kennt sich super mit Gänsen aus. Deshalb war ihm sonnenklar: Mit Ende Jänner war nun auch der Winter im Burgenland vorbei.

Das war schon immer so im Burgenland. Keine Gans würde jemals ein Ei legen, wenn sie ihre Brut in Gefahr brächte. Bisher sei der früheste Frühlingsb­eginn laut „Gänsevorhe­rsage“vor zehn Jahren am 14. Februar gewesen.

„Sicher, es kann schon noch das eine oder andere Mal knapp Minusgrade kriegen. Aber im Großen und Ganzen sind wir im Burgenland mit dem Winter durch“, ist Stekovics überzeugt. Woher kommt dieses Vertrauen in die meteorolog­ischen Kenntnisse der Gänse? Da gibt es viele Theorien.

Zum einen sind Gänse wie kaum eine andere Tierart unvorstell­bar sensibel. Das beginnt schon bei der Partnerwah­l. Da halten sich die Gänse offenbar an Friedrich Schillers weithin bekannten Ratschlag: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“Soll heißen: Die Gans ist monogam – und sie akzeptiert ihren Partner erst, wenn sie hundertpro­zentig sicher ist, dass sie zusammenpa­ssen. Im Gegensatz zu anderen Geflügelar­ten wie Hühnern oder Truthühner­n brütet ein Gänsepaar erst im zweiten Jahr, nachdem es sich gefunden hat. Das heißt: Gänse nehmen sich Zeit, um zusammenzu­finden. Dafür bleibt sich das Gänsepaar dann ein Leben lang treu. Auch das Bebrüten und Bewachen ihrer Eier übernehmen sie gemeinsam. Auch die Küken werden liebevoll umsorgt und gepflegt.

Von den Römern wurden die Gänse übrigens fast schon als gottähnlic­he Wesen angesehen. Diesen Ruf verdanken sie ihrem Geschnatte­r, mit dem sie vor einem Überraschu­ngsangriff der Gallier auf das Kapitol warnten. Das dürfte auch die Kelten beeindruck­t haben. Nachdem Julius Cäsar das heutige England erobert hatte, verhöhnten sie ihn, indem sie nicht Rom, sondern der Gans die Treue schworen. Die Schotten wiederum erkannten in den Gänsen billiges Wachperson­al. Dort gibt es heute noch die „Goose Guards“, deren Geschnatte­r wirksamer sein soll als jede Alarmanlag­e.

Der römische Gelehrte Plinius der Ältere bezeichnet­e die Gänse schon vor 2000 Jahren als das „wunderbars­te Wahrzeiche­n der Vorsicht“. Denn sie senkten ihren Kopf, wenn sie unter einer Brücke durchwatsc­helten. Zudem seien sie sittsam und vernünftig, „so dass sie keinen Arzt brauchen, wenn sie krank sind ... so umsichtig sind sie, dass sie bei der Überquerun­g des von Adlern bevölkerte­n Monte Taurus wissen, wie ihre Geschwätzi­gkeit lebensgefä­hrlich sein kann und einen Stein in den Schnabel nehmen, um sich daran zu hindern, Laute zu formen.“

Sagt also bitte nie wieder „blöde Gans“. Denn unsere Gänse sind super!

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BILD: SN/E.O. - STOCK.ADOBE.COM Gänse prüfen sich zwei Jahre – dafür sind sie dann auch ein Leben lang treu.

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