Schau, dass wir zeitnah ins Kino kommen
Über die Vorbildwirkung der Tierwelt am Beispiel des Grottenolms.
Der Bundeskanzler hat wieder „zeitnah“gesagt. Laut Sprachexperten feiert das Wörtchen ungefähr seinen 20. Geburtstag. Weil der Bundeskanzler recht jung ist, hätte er das Wort gut und gern schon als Schüler in einem Aufsatz in der Gym-Unterstufe verwenden können. Etwa beim Thema „Wie mich ein Missgeschick gehindert hat, nachhaltige Mobilität zu leben“. Da hätt’ er schreiben können: „Kannst du bitte zeitnah mein Fahrrad reparieren?“Oder über ein Rendezvous: „Magst nicht zeitnah mal ins Kino mit mir?“Vielleicht hätte daneben mit roter Lehrerschrift „Ausdruck!“gestanden und „bald“, „schnell“oder „zügig“wären als bessere Wortwahl vorgeschlagen worden. Ganz schön viel „hätte“und „wäre“ist das bisher. Aus, das klingt zu sehr nach Polit-Verbalverbiegung durch Vorgaukelei. Also anders: „Bald“, „schnell“und „zügig“sind schöne Worte, gut erprobt, treffsicher und deswegen halt ein bisserl aus der Mode gekommen. Treffsicher muss die verbale Nebelmaschine funktionieren. „Zeitnah“kann das. Wer nahe an der Zeit ist, ist ja vorn dabei, dran an der Sache, modern, effizient. Jedenfalls tut das Wort so. Es tut so, als sei man ganz nahe dran, immer am Geschehen, immer in Bewegung. Atemlos durch jedes Problemfeld quasi. Oder wie der Helmut Qualtinger sang: „I hob zwoar ka Ahnung, wo i hinfoahr/ Aber dafür bin i g’schwinder dort.“Relativ zeitnah, als das Wort „zeitnah“aus Kanzlersmund wieder einmal prominent auftauchte, war von Wissenschaftern Neues über den Grottenolm zu erfahren. Acht Jahre nahmen die sich Zeit, um 19 der blinden Schwanzlurche zu beobachten. Sie bewegten sich in dieser Zeit nahe, nämlich durchschnittlich fünf Meter, also etwa 1,6 Millimeter am Tag. Regungslos durch das Leben quasi. Vermutet wird, dass die Lurche deshalb so eine sehr hohe Lebenserwartung haben. Zeitnah ist deren Tod recht spät, die Zeit rennt ihnen nicht davon, und sie ihr nicht hinterher. Das, so zeigen Umfragen, sind zwei Zustände, die viele Menschen immer öfter haben. Ob dagegen der Einsatz von „zeitnah“hilft? Wörtlich sagt „zeitnah“, etwas sei nahe an der Zeit. Politiker haben es gern, wenn man sie dort vermutet. Wer weit weg ist von der Zeit, der könnte von ihr überholt werden. Das könnte bald, zügig oder schnell recht blöd ausgehen.