Große Pläne mit winzigen Chips
Es ist die bisher größte private Investition in Österreich: Um 1,6 Milliarden Euro baut Infineon ein Mikrochip-Werk in Villach – und will dort die digitale Zukunft Europas mitgestalten.
REGINA REITSAMER
Sie haben einen Durchmesser von meist nicht mehr als zwei oder drei Millimetern, sind in vielen Alltagsgegenständen aber entscheidend. Dafür etwa, ob man beim Telefonieren den Gesprächspartner am Handy glasklar versteht oder nur Rauschen hört. „In 40 Prozent aller Smartphones weltweit sind heute von uns in Villach mitentwickelte Chips samt Siliziummikrofon“, sagt Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Österreich. Sicherheitschips von Infineon stecken in jedem zweiten Pass, Energiesparchips in jedem zweiten Serverpark und Rechenzentrum. Bei Windenergie und Photovoltaik werden Mikrochips genauso gebraucht wie bei Elektroautos und autonomem Fahren. 11,4 Milliarden Stück hat man im Villacher Infineon-Werk 2019 produziert. Winzig ist nicht nur der
Chip, sondern auch der Preis, der dafür gezahlt wird. Gerade 20 Cent bringe eines der kaum fünf Millimeter großen Smartphone-Mikrofone, sagt Herlitschka. Selbst wenn vier in einem Handy verbaut seien, komme man noch nicht auf einen Euro, und das bei Smartphones, deren neue Modelle rund 1000 Euro kosten.
Um profitabel wirtschaften zu können, brauche die Halbleiterindustrie damit eines – große Volumina. In die wird in Villach derzeit investiert. 1,6 Milliarden Euro steckt die deutsche Konzernmutter in eine neue, hochautomatisierte Chipfabrik am Standort Villach. „Mikrochips sind ein extrem forschungsintensives Produkt, das ganz schnelllebig ist und am Schluss auch noch fast nichts kostet“, sagt Herlitschka. Bei modernen Autos kommen 80 Prozent der Innovation durch Mikroelektronik, sei es durch bessere Sensoren bei Parkhilfen oder optimale
Motorsteuerung, die für weniger Verbrauch sorgt. „Der Wert aller Halbleiterprodukte in einem Auto liegt aber nur bei 350 Euro.“
In Villach ziehen derzeit 700 Bauarbeiter das neue 60.000 Quadratmeter große Werk in die Höhe – samt Nebengebäuden. Halbleiterproduktion sei schon beim Bau alles andere als einfach, erklärt Bauleiter Andreas Wittmann. Nur in zwei Ebenen des 34 Meter hohen Gebäudes werden ab Ende 2021 wirklich Mikrochips gefertigt – in Reinsträumen. Schon ein winziges Staubkorn kann die Schaltungen auf einem Chip blockieren. Auf 28 Liter Luft darf in der Produktion damit maximal ein Staubteilchen über 0,005 Millimeter kommen. Zum Vergleich: In einem Operationssaal sind es 1000 bis 10.000 Teilchen, reine Gebirgsluft hat etwa 100.000. Daneben braucht es konstant 22 Grad Celsius und 42 Prozent Luftfeuchtigkeit. Um das zu erreichen, brauche man über und unter dem Reinstraum je ein Stockwerk voll Technik, sagt Wittmann. „Ein Quadratmeter Reinraum braucht sieben Quadratmeter Zusatzfläche.“
Die Mikrochips werden auf hauchdünnen Siliziumscheiben mit 30 Zentimetern Durchmesser, aber nur ein Drittel so dünn wie ein Haar, gefertigt. „Weltweit sind wir die Einzigen, die das in der Dünne schaffen“, sagt Herlitschka. Die Größe helfe schlicht, mehr Chips unterzubringen. Durch die Dünne gehe kaum Energie verloren. Strom so intelligent zu schalten, dass es wenig Verlust gebe, sei nicht nur aus Kosten-, sondern auch aus Klimaschutzgründen entscheidend, sagt Herlitschka. In Zeiten, in denen allein das Internet mehr Energie verbraucht als der Flugverkehr und die Digitalisierung, mit künstlicher Intelligenz oder Blockchain-Technologie, den Energiebedarf
massiv steigern wird. „Wir als Industrie können zeigen, dass wir nicht nur Teil des Problems sind, sondern auch Teil der Lösung.“Die Entscheidung, das Chipwerk in Villach und nicht etwa in Asien zu errichten, hat für Herlitschka aber auch strategische Bedeutung, nicht nur für den Standort Österreich. „Leben in der modernen Welt ist ohne Mikroelektronik nicht mehr möglich. Da geht es um eine Schlüsseltechnologie, bei der wir nicht alles Know-how und alle Kompetenz nach Asien abgeben dürfen.“Nur noch drei der weltweit 20 größten Halbleiterhersteller seien heute aus Europa, weit abgeschlagen hinter Giganten wie Samsung (Asien) oder Intel (USA). „Villach zeigt, dass solche immensen Investitionen auch in Hochlohnländern wie Österreich möglich sind.“Die Chip-Produktion in Villach ist schon jetzt hochautomatisiert. Transportsysteme an der Decke und Roboterarme übernehmen die handwerklichen Tätigkeiten, Mitarbeiter in steriler Schutzkleidung sorgen für Überwachung und Steuerung – und das oft von außerhalb der Reinraumproduktion.
Dabei hat das Villacher Werk – das heute wie ein ganzer Stadtteil anmutet, samt Kindergarten und Photovoltaik-Park – bescheiden begonnen, als Bauteile-Produzent für den damals zu Siemens zählenden Konzern. Heute arbeiten 2000 der 4600 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung. „Damit sind wir der forschungsstärkste Konzern Österreichs“, betont Herlitschka.