Der Beginn des Plastikzeitalters?
Leo Hendrik Baekeland und der Kunststoff
Stein-, Bronze- und Eisenzeit erhielten ihren Namen durch die jeweils dominierenden Werkstoffe, die von den Menschen der jeweiligen Epoche genutzt wurden. Werden zukünftige Historiker unsere Zeit einmal als Plastikzeit einstufen? Schon in der Neuzeit schufen experimentierfreudige Tüftler aus in der Natur vorkommenden Stoffen neue Materialien: halbsynthetische Kunststoffe. So entdeckte Charles Goodyear 1839, dass sich Kautschuk durch Zugabe von Schwefel und unter Hitze – also durch Vulkanisation – zu Gummi verwandelt.
Den ersten vollsynthetischen Kunststoff entwickelte der belgischamerikanische Chemiker Leo Hendrik Baekeland (1863–1944), der mit Phenol und Formaldehyd experimentierte. Die beiden Stoffe konnten zu einem Kunstharz polymerisiert und als noch warme Masse in verschiedene Formen gepresst werden. Einmal ausgehärtet, behielt der widerstandsfähige, langlebige Kunststoff seine Form, auch wenn er erneut erhitzt wurde. Baekeland ließ ihn unter dem Namen Bakelit 1907 patentieren. Isolationsmaterial, Küchengeräte, Waffen, Fenstergriffe, Lichtschalter, Telefone und vieles mehr konnte daraus hergestellt werden. Gefärbt ersetzte Bakelit sogar Schmucksteine und Elfenbein. Baekeland gründete in den USA und in Deutschland Fabriken, denn die Nachfrage nach günstigem Material war enorm. Kunststoff wurde zum Inbegriff des modernen Zeitalters. Doch die Vorteile des Materials – wie seine Langlebigkeit – können, wie wir heute wissen, auch ein Fluch sein. Buchtipp: Pia Ratzesberger: Plastik (Reclam-Verlag).
Alexandra Bleyer