Wie die „Kleinen“überleben
Möbelhändler und Raumausstatter haben gute Chancen im Schatten der „Großfläche“. Beratung, individuelle Lösungen, aber auch die Trends zu Regionalität und Nachhaltigkeit helfen dabei.
Möbelhäuser haben es hierzulande oft schwer, denn der Markt wird beherrscht von der sogenannten Großfläche, also Handelskonzernen, die mit teils penetranter Werbung Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Dieser Werbedruck hilft uns aber“, sagt Christian Wimmer, Geschäftsführer von Service&More, das die Einkaufsgemeinschaften Wohnunion und Garant Austria vertritt. Denn obwohl die „Großfläche“vieles abdeckt, kommen die kleineren Möbel- und Einrichtungshäuser – oft genug in Familienbesitz – dann ins Spiel, wenn es um individuelle Wünsche, Sonderanfertigungen, hohe Qualitätsansprüche oder komplette Einrichtungskonzepte geht.
Ein neues Tool zur Kundenbetreuung ist beispielsweise eVA 5.0, der elektronische Verkaufsassistent. „Damit werden nicht mehr 10.000 oder 20.000 Quadratmeter benötigt, um Auswahl und Kompetenz zu zeigen“, sagt Wimmer: „Vielmehr reichen bereits rund 600 Quadratmeter im Möbelhandel und 200 Quadratmeter bei den Raumausstattern, um alles präsentieren zu können.“
Konkret handelt es sich bei eVA 5.0 um ein sogenanntes Virtual Shelf, also einen überdimensionalen Bildschirm mit TouchFunktion, der quasi als digitaler Katalog dient. „Allerdings kann es einen solchen virtuellen Schauraum ohne Beratung und Kompetenz nicht geben“, sagt Wimmer. Vielmehr handelt es sich um ein Set an Dingen, die für die Beratung wichtig sind. Der Kundenbetreuer kann damit schon zu Beginn auf den individuellen Geschmack des Kunden eingehen. Eine der vielen Möglichkeiten: Im Geschäft lässt es sich auf einem Ausstellungsstück Probe sitzen, digital lassen sich die verschiedenen Modellvarianten optisch präsentieren.
Als reine Internetvariante sei das System nicht vorgesehen, sagt Wimmer: „Dort gibt es zwar eine Riesenauswahl, aber bei Polstermöbeln oder Küchen ist es genauso wie bei Schuhen, man muss sie probieren.“Und gerade bei Möbeln kann man nicht einfach mehrere Varianten bestellen und den Rest zurückschicken, wie das etwa bei Kleidungsstücken in Internetshops weitverbreitet ist.
Klar ist aber auch: „Wir müssen in der digitalen Welt auffindbar sein, dazu gehören Sichtbarkeit sowie Websites, Bildergalerien und Informationen auf dem neuesten Stand.“Interessantes Detail: Wer im Internet die Seite eines Möbelhauses oder Raumausstatters anklickt, schaut als Zweites auf die Seite „Über uns“. Für Wimmer ist das ein klares Indiz, dass die Kunden einen Ansprechpartner aus Fleisch und Blut suchen, idealerweise eine Person, mit der sich alle Wünsche bis hin zur Montage besprechen lassen. Wimmer: „Früher ist man spazieren gegangen und hat Auslagen angeschaut, heute gibt es digitale Spaziergänge.“
Im Verhältnis der „Großfläche“gegenüber den „Kleinen“zeigt sich jedenfalls eine stabile Struktur. So sind 2019 zwei Partner bei Service&More dazugekommen, wodurch sich die Gesamtzahl auf 296 erhöht hat, 159 davon entfallen auf Garant Austria, 137 auf die Wohnunion. „Wir sind da in einer guten Position, weil wir eben anders aufgestellt sind. Und wir haben alle Chancen, denn der Trend zu mehr Regionalität und Nachhaltigkeit spielt unseren Partnern in die Hände.“Deshalb sei bei seinen Partnern der Umsatz im Vorjahr um 7,4 Prozent gewachsen, gegenüber plus 1,1 Prozent auf dem Gesamtmarkt.
Und noch ein Trend nützt derzeit den Einrichtern und Ausstattern: der Immobilienboom. Denn die Immobilienkäufer wollen bzw. müssen ihre Objekte auch einrichten, dazu braucht es Möbelhändler und einen Raumausstatter. Der Bereich „Parkett“hat etwa um 14 Prozent zugelegt. Damit die „Kleinen“erfolgreich sein können, braucht es aber Unterstützung, einerseits durch Beratung, Strategie und IT im Hintergrund, andererseits durch Erfahrungsaustausch zwischen den Händlern. Bei regelmäßigen Treffen in kleinen Gruppen können die Handelspartner viel von den Kollegen lernen.
Bleibt die Frage nach dem Fachpersonal. Wimmer: „Jeder Partner sucht Montagetischler oder Bodenleger. Wir haben einen Leitfaden für Employer Branding erstellt und helfen den kleinen Betrieben damit im Recruiting.“15 verschiedene Berufsbilder werden in einem Video, das bei den Händlern gedreht wurde, präsentiert. Mit der eigenen Lehrlingsausbildung könne man Lücken schließen, auch weil die „Großfläche“viel Personal absauge. „Lehrlingsausbildung ist natürlich mühsam, bei uns können die jungen Menschen aber viel lernen“, sagt der Experte. Wer immer schon Lehrlinge ausgebildet habe, habe in der Regel keine Probleme, Lehrlinge zu finden. „Schwierig ist es, wenn eine Firma 15 Jahre lang niemanden ausgebildet hat und nun starten will.“Der Trend gehe aber dazu, selbst auszubilden, auch die Aufwertung von Lehre und Meistertitel unterstütze dies. Wimmer: „Man muss aber auch ein tolles Geschäft haben, wo es ,cool‘ ist, zu arbeiten.“