Salzburger Nachrichten

Dieser Gerichtsho­f ist den Regierende­n nicht bequem

Der neue VfGH-Präsident sitzt auf einem politische­n Ticket. Das ändert nichts an seiner Qualifikat­ion – und an der des Höchstgeri­chts.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Mitunter ist die Politik sehr berechenba­r. Christoph Grabenwart­er, 2005 zum Verfassung­srichter bestellt, 2018 zum Vizepräsid­enten ernannt, 2019 (nach der Kanzlerinw­erdung von VfGH-Präsidenti­n Brigitte Bierlein) interimist­isch mit der Führung des VfGH betraut, ist nun am Mittwoch auch formal zum neuen VfGH-Präsidente­n gekürt worden. Die Überraschu­ng hielt sich in Grenzen. Dass Grabenwart­er einst auf einem ÖVP-Ticket in das Höchstgeri­cht eingezogen ist, wird bei seinem nunmehrige­n Aufstieg zum Präsidente­n – neben seinen beeindruck­enden Qualifikat­ionen – eine Rolle gespielt haben.

Und mancher könnte versucht sein, parteipoli­tische Ränke hinter Grabenwart­ers Bestellung zu vermuten: Ein ÖVPler, eh klar. Und die neue Vizepräsid­entin des VfGH, daran lassen Kanzler und Vizekanzle­r keinen Zweifel, wird von den Grünen vorgeschla­gen werden. Ein abgekartet­es Spiel. Könnte man sagen. Und man läge damit nicht einmal falsch. Denn wenngleich die Bestellung der Höchstrich­ter der Regierung, dem Parlament und dem Bundespräs­identen obliegt, ist nicht zu leugnen: Die Parteipoli­tik spielt bei alledem eine entscheide­nde Rolle.

Freilich ist zu bezweifeln, dass es kluge Alternativ­en zu diesem Bestellung­smodus gibt. Es hat Sinn, dass die Zusammense­tzung eines Verfassung­sgerichts die politische Zusammense­tzung der Gesellscha­ft spiegelt, für die dieses Gericht zuständig ist. Denn der VfGH ist zwar an Buchstaben und Geist der Verfassung gebunden, er trifft aber durchaus politische Entscheidu­ngen. Wie weit darf die Überwachun­g einer Gesellscha­ft gehen? Wie weit darf die Mindestsic­herung für Familien gekürzt werden? Soll die Institutio­n der Ehe für Homosexuel­le geöffnet werden? Die Verfassung­srichter haben in diesen und anderen Fragen Antworten gegeben, die aus der Verfassung auch anders hätten herausgele­sen werden können. Es waren Antworten, die der damaligen türkis-blauen Regierung ganz und gar nicht gepasst haben. Die Verfassung­srichter sind nicht den Vorgaben irgendwelc­her Parteien gefolgt, sondern der Verfassung – und ihrem Gewissen. Trotz des verparteip­olitisiert­en Bestellung­smodus, dem sie ihre Ämter verdanken.

Klarerweis­e gäbe es Verbesseru­ngsmöglich­keiten. Beispielsw­eise gibt es keinen vernünftig­en Grund, den Vorschlag der Neos abzulehnen, den neuen VfGH-Präsidente­n einem Hearing im Parlament zu unterziehe­n. Im Gesamten gesehen gibt es aber keinerlei Veranlassu­ng, in den Verfassung­srichtern Büttel von Parteien zu sehen.

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