Dieser Gerichtshof ist den Regierenden nicht bequem
Der neue VfGH-Präsident sitzt auf einem politischen Ticket. Das ändert nichts an seiner Qualifikation – und an der des Höchstgerichts.
Mitunter ist die Politik sehr berechenbar. Christoph Grabenwarter, 2005 zum Verfassungsrichter bestellt, 2018 zum Vizepräsidenten ernannt, 2019 (nach der Kanzlerinwerdung von VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein) interimistisch mit der Führung des VfGH betraut, ist nun am Mittwoch auch formal zum neuen VfGH-Präsidenten gekürt worden. Die Überraschung hielt sich in Grenzen. Dass Grabenwarter einst auf einem ÖVP-Ticket in das Höchstgericht eingezogen ist, wird bei seinem nunmehrigen Aufstieg zum Präsidenten – neben seinen beeindruckenden Qualifikationen – eine Rolle gespielt haben.
Und mancher könnte versucht sein, parteipolitische Ränke hinter Grabenwarters Bestellung zu vermuten: Ein ÖVPler, eh klar. Und die neue Vizepräsidentin des VfGH, daran lassen Kanzler und Vizekanzler keinen Zweifel, wird von den Grünen vorgeschlagen werden. Ein abgekartetes Spiel. Könnte man sagen. Und man läge damit nicht einmal falsch. Denn wenngleich die Bestellung der Höchstrichter der Regierung, dem Parlament und dem Bundespräsidenten obliegt, ist nicht zu leugnen: Die Parteipolitik spielt bei alledem eine entscheidende Rolle.
Freilich ist zu bezweifeln, dass es kluge Alternativen zu diesem Bestellungsmodus gibt. Es hat Sinn, dass die Zusammensetzung eines Verfassungsgerichts die politische Zusammensetzung der Gesellschaft spiegelt, für die dieses Gericht zuständig ist. Denn der VfGH ist zwar an Buchstaben und Geist der Verfassung gebunden, er trifft aber durchaus politische Entscheidungen. Wie weit darf die Überwachung einer Gesellschaft gehen? Wie weit darf die Mindestsicherung für Familien gekürzt werden? Soll die Institution der Ehe für Homosexuelle geöffnet werden? Die Verfassungsrichter haben in diesen und anderen Fragen Antworten gegeben, die aus der Verfassung auch anders hätten herausgelesen werden können. Es waren Antworten, die der damaligen türkis-blauen Regierung ganz und gar nicht gepasst haben. Die Verfassungsrichter sind nicht den Vorgaben irgendwelcher Parteien gefolgt, sondern der Verfassung – und ihrem Gewissen. Trotz des verparteipolitisierten Bestellungsmodus, dem sie ihre Ämter verdanken.
Klarerweise gäbe es Verbesserungsmöglichkeiten. Beispielsweise gibt es keinen vernünftigen Grund, den Vorschlag der Neos abzulehnen, den neuen VfGH-Präsidenten einem Hearing im Parlament zu unterziehen. Im Gesamten gesehen gibt es aber keinerlei Veranlassung, in den Verfassungsrichtern Büttel von Parteien zu sehen.