Eine unbequeme Stimme für die Frauen
Johanna Dohnal war Österreichs erste Frauenministerin. Ein Film erinnert nun an ihre Erfolge.
Julia Herr, Nationalratsabgeordnete
WIEN. „Karenzurlaub für Männer? Des is’ a Blödsinn“, sagt ein etwa 50jähriger Passant mit Schnauzbart bei einer Straßenbefragung in den späten 1980er-Jahren. Er lacht ungläubig ob dieser für ihn unvorstellbaren Möglichkeit. Heute, mehr als 30 Jahre später, gibt es die Väterkarenz sowie seit September 2019 den Rechtsanspruch auf den Papamonat. Dennoch ging im Jahr 2018 nicht einmal ein Fünftel der Väter in Karenz. Zurückzuführen ist diese Möglichkeit auf die Bemühungen von Johanna Dohnal. Als erste Frauenministerin kämpfte sie in den 1990er-Jahren für die Gleichberechtigung und betonte: „Die Frauenfrage ist keine Privatsache, sondern eine gesellschaftspolitische Frage.“
Am 14. Februar würde sie ihren 81. Geburtstag feiern. Es ist der VDay, der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Am 20. Februar jährt sich zudem ihr Todestag zum zehnten Mal.
Dohnals Aufstieg in der Politik erfolgte rasant, laut und „lästig“, wie sie selbst sagte. Dabei war dies alles andere als ein vorgezeichneter Weg. Sie wurde 1939 in Wien geboren und wuchs bei ihrer Großmutter auf. Als uneheliches Kind fühlte sie sich, wie sie sagte, immer als „Außenseiterin“.
Sie heiratete früh und bekam zwei Kinder. Trotz abgeschlossener Lehre als Industriekauffrau wurde es für die zweifache Mutter zunehmend schwierig, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. So verdingte sie sich durch Heimarbeit, bevor ihre Mutter sie bei der Kinderbetreuung unterstützen konnte. Ab 1969 arbeitete Dohnal als Bürokraft in einer Spenglerei, gleichzeitig begann sie ihre politische Laufbahn als SPÖ-Bezirksrätin in Penzing. Nur drei Jahre später stieg sie zur Wiener Landesfrauensekretärin auf. Bundeskanzler Bruno Kreisky holte sie 1979 als Staatssekretärin für Frauenangelegenheiten in die Regierung. Von gendergerechter Sprache war damals noch keine Spur: Auf ihrer Visitenkarte war die männliche Form „Staatssekretär“zu lesen. Im Jahr 1990 wurde sie als erste Frauenministerin Österreichs angelobt, eine Funktion, die sie bis 1995 unter Kanzler Franz Vranitzky ausübte.
Auf ihre Initiativen hin wurden elementare Verbesserungen für Frauen in Österreich erreicht: So wurde etwa die Amtsvormundschaft bei ledigen Müttern beseitigt und das Verbot von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gesetzlich festgemacht. Als ihr größter Erfolg wird das Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst aus dem Jahr 1993 angesehen. Der Grundsatz vom gleichen Lohn für gleiche Arbeit wurde darin verankert.
Im Gewaltschutz für Frauen hat Dohnal maßgebliche Verbesserungen erreicht. Das Gewaltschutzgesetz,
das 1997 verabschiedet wurde, bezeichnet die Politikwissenschafterin Birgit Sauer als „innovativ“. Es legte fest, dass nicht mehr das Opfer von familiärer Gewalt das gemeinsame Zuhause verlassen musste, sondern der Täter. Betretungsverbote und Wegweisungen zum Schutz vor Gewalt wurden als Maßnahmen eingeführt. Österreich war damit europaweit das erste Land, in dem ein solches Gesetz verabschiedet wurde. „Davor war Gewalt an Frauen ein Tabuthema in der Gesellschaft“, sagt Sauer.
Auch bei der sogenannten Fristenlösung – seit 1977 steht der Schwangerschaftsabbruch nicht mehr unter Strafe – stand sie an vorderster Front. Die Gründung des ersten Frauenhauses im Jahr 1978 in Wien war ebenso auf Johanna Dohnal zurückzuführen. Mittlerweile gibt es 30 Frauenhäuser in ganz Österreich. Der Bedarf ist nach wie vor groß, wie der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser bekundet. Bundesweit würden 100 Plätze fehlen.
Als Staatssekretärin erreichte Dohnal außerdem, dass auch Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt wurde. Sie konnte allerdings nicht alle ihre Anliegen durchbringen und scheiterte dabei oft an der eigenen Partei.
Johanna Dohnal prägte den vielzitierten Satz: „Aus taktischen Gründen leiserzutreten hat sich noch immer als Fehler erwiesen.“Das durfte sie schließlich am eigenen Leib erfahren. Nachdem die SPÖ bei den Wahlen im Jahr 1994 herbe Verluste hinnehmen musste, geriet Bundeskanzler Franz Vranitzky unter Druck. Er entschied sich, sein Regierungsteam zu verjüngen. Dohnal verlor die Unterstützung in der Partei. „Sie ist auf viel Widerstand gestoßen und hatte nicht alle Frauen hinter sich, auch nicht alle der Sozialdemokratie“, sagt Maria Mesner, Leiterin des Johanna-Dohnal-Archivs und Historikerin an der Universität Wien.
Unfreiwillig bot Dohnal letztlich ihren Rücktritt an, bat aber darum, ihre Agenden wie den Frauenbericht bis zum Herbst 1995 abschließen zu können. Es kam anders. Bereits Anfang April endete ihre Tätigkeit in der Bundesregierung. Noch am Morgen der Amtsübergabe war ihr Türschild entfernt worden. „Das tat weh“, notierte sie in ihren Aufzeichnungen. Von der Übergabe im Bundeskanzleramt musste sie mit dem Taxi nach Hause fahren, ein Chauffeur stand ihr nicht mehr zu.
Im Jänner 2010 ging die ehemalige Politikerin eine eingetragene Partnerschaft mit ihrer Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter ein. Im selben Jahr verstarb Johanna Dohnal infolge von Herzproblemen.
Im Film „Die Dohnal“, der am Freitag in die Kinos kommt, sprechen auch junge Frauen über ihre Erfahrungen mit Gleichstellung. Es wird deutlich: Die Umstände sind anders, die Probleme weitgehend dieselben. SPÖ-Nationalratsabgeordnete Julia Herr sagt: „Familienpolitik mit Arbeitszeitpolitik zusammenzuführen ist die Aufgabe von jungen Feministinnen von heute.“Es sei ein Umdenken in Sicht, aber „Frauenpolitik ist das Bohren von extrem harten Brettern“.
„Die Vision des Feminismus ist nicht eine weibliche Zukunft. Es ist eine menschliche“, sagte Dohnal im Jahr 2004. Sie galt als Pionierin für feministische Frauenpolitik. Was für viele heute als selbstverständlich gilt, hat sie vor 30 Jahren durchgekämpft, laut und stets „lästig“. Sie selbst sagte kurz vor ihrem Tod, sie hätte in manchen Fragen noch unbequemer sein sollen.
„Frauenpolitik ist das Bohren von extrem harten Brettern.“