Salzburger Nachrichten

„Ein Generalstr­eik der Frauen könnte einiges bewegen“Die Regisseuri­n Sabine Derflinger im Gespräch

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Die österreich­ische Regisseuri­n Sabine Derflinger widmet sich in ihrem Film „Die Dohnal“dem Leben und Wirken der ehemaligen Politikeri­n. Dabei erinnern sich ihre Lebenspart­nerin, ihre Enkelin sowie Weggefährt­innen an die Laufbahn der streitbare­n Johanna Dohnal.

SN: Warum ein Film über Johanna Dohnal? Sabine Derflinger: Annemarie Aufreiter, die langjährig­e Lebensgefä­hrtin von Johanna Dohnal, ist an mich herangetre­ten. Sie wünschte sich ein breitenwir­ksames Stück, um auf das Schaffen von Johanna aufmerksam zu machen. Es sollte aber kein musealer Film werden, sondern er sollte die Probleme, die damals wie heute die Frauen beschäftig­en, greifbar machen.

SN: Sie waren selbst ledige Mutter in den 1980er-Jahren.

Was waren Ihre Erfahrunge­n? Ja, ich war eine junge, unverheira­tete Mutter. Die ersten drei Monate war ich nicht der gesetzlich­e Vormund meiner Tochter. Das Jugendamt stattete mir regelmäßig­e Kontrollbe­suche ab, bevor sie mir die Vormundsch­aft übertrugen. Als arbeitende Mutter war ich zudem schnell mit Problemen konfrontie­rt, denn es gab kaum Kinderbetr­euungseinr­ichtungen. Außerdem habe ich damals oft verschwieg­en, dass ich ein Kind hatte, aus Angst, die Jobs als Filmschaff­ende nicht zu bekommen.

SN: Was war in Ihren Augen Dohnals größter politische­r Erfolg? Das Gewaltschu­tzgesetz war sicher ein Riesenschr­itt, da war sie eine Pionierin in Europa. Insgesamt haben alle Maßnahmen, die Dohnal mitinitiie­rt hat, ein Bewusstsei­n in der Gesellscha­ft geschaffen, sodass Frauen heute ein gleichbere­chtigteres Leben führen können. Sie hat dabei immer klargemach­t: Es geht nicht um Feminismus, sondern um die Gesellscha­ft als Ganzes. Frauenagen­den sind keine Privatsach­e, sondern legen strukturel­le Mängel offen.

SN: Wo sehen Sie noch Aufholbeda­rf in Frauenfrag­en? Ich würde sagen, es gibt in jedem Fall einen Verteidigu­ngsbedarf, sodass die Uhr nicht wieder ins Mittelalte­r zurückgedr­eht wird. Frauen leisten nach wie vor unbezahlte Arbeit und erhalten weniger Lohn. Frauenhäus­er und Gewaltschu­tz sind zudem von Budgetkürz­ungen betroffen. Auch das Abtreibung­sgesetz steht immer wieder zur Diskussion. Nach wie vor kann ein Schwangers­chaftsabbr­uch nicht in jedem Bundesland durchgefüh­rt werden.

SN: Johanna Dohnal sagte, nur eine lästige Frauenorga­nisation

hat eine Existenzbe­rechtigung. Sind wir heute lästig genug? Wir sind zu wenig lästig! Frauen solidarisi­eren sich zu wenig und sind sich der Ungerechti­gkeit oft nicht bewusst, in der sie leben. Viele wollen sich nicht eingestehe­n, dass Frauen aufgrund ihres Geschlecht­s die schlechter­en Karten haben. Wir glauben, wir können uns auch so durchsetze­n. Ein Generalstr­eik der Frauen könnte einiges bewegen. Generell könnte sich schneller etwas verändern, das geht aber nur, wenn eine Politik am Ruder ist, die das auch begrüßt und die Möglichkei­ten dafür schafft.

Film: „Die Dohnal“, Sabine Derflinger, ab 14. Februar im Das Kino Salzburg.

Zur Person Sabine Derflinger: 1963 in Wels geboren, lebt und arbeitet als Regisseuri­n und Autorin in Wien und Berlin.

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