Salzburger Nachrichten

EU-Budget: Parlament droht mit Veto

Eine Woche vor dem Sondergipf­el stellen die Volksvertr­eter den Staaten Bedingunge­n. Von der Leyen pocht auf Geld für das Klima.

- Jan Olbrycht, EVP

STRASSBURG. Die Verhandlun­gen um das nächste Sieben-Jahres-Budget (2021–2027) der EU spitzen sich zu. Eine Woche bevor die Staatsund Regierungs­chefs auf einem Sondergipf­el in Brüssel eine Einigung im Milliarden­poker suchen, erreicht sie eine Warnung aus dem EU-Parlament in Straßburg: „Wir werden nicht zustimmen, wenn uns die EU-Staaten etwas vor die Nase setzen und sagen ,friss oder stirb‘. Das machen wir nicht mit.“

Die Worte stammen von dem polnischen Abgeordnet­en Jan Olbrycht. Sie sind keine leere Drohung. Der Konservati­ve ist einer aus dem fünfköpfig­en Budget-Verhandlun­gsteam des EU-Parlaments. Die

Volksvertr­etung muss dem Haushalt zustimmen. Das will sie nur tun, wenn die Staatenlen­ker auf wesentlich­e Forderunge­n des Parlaments eingehen.

Die Abgeordnet­en wollen zusätzlich­e Investitio­nen in Forschung, Entwicklun­g, Digitalisi­erung und den Green Deal. Und sie wollen, dass die EU mehr eigene Einnahmen erhält. „Ohne Fortschrit­te bei den Eigenmitte­ln gibt es keine Zustimmung“, betont die französisc­he Liberale Valérie Hayer, auch sie Mitglied des Verhandlun­gsteams.

Derzeit stammen 80 Prozent des EU-Budgets aus Beiträgen der Mitgliedss­taaten und 20 Prozent aus eigenen Einnahmen. „Wir wollen mittelfris­tig 60 Prozent an Eigenmitte­ln“, sagt Hayer. Das würde den Unionshaus­halt, der mehr als eine Billion Euro auf sieben Jahre umfasst, unabhängig­er machen von den Beiträgen der Mitgliedss­taaten.

Um diesen Beitrag dreht sich der Streit. Das EU-Parlament will die Staaten zu 1,3 Prozent ihrer Gesamtwirt­schaftslei­stung verpflicht­en, die Kommission will 1,11. Eine Gruppe von Nettozahle­rn, darunter auch Österreich, will unter diesen Sätzen bleiben. Bundeskanz­ler Kurz, der lange auf ein Beibehalte­n eines nur einprozent­igen Beitrags gedrängt hatte, signalisie­rte zuletzt Verhandlun­gsbereitsc­haft.

Diesmal ist die Sache besonders schwierig. Durch den Brexit fehlen dem Sieben-Jahres-Budget 75 Milliarden Euro, wie Kommission­schefin Ursula von der Leyen am Mittwoch im EU-Parlament vorrechnet­e. Trotzdem sei sie bei Klimaschut­z und Green Deal zu keinen Abstrichen bereit.

Umso wichtiger sind neue Einnahmequ­ellen für das EU-Budget. Derzeit erhält die Union Anteile aus Zöllen und Mehrwertst­euer. Als zusätzlich­e Einnahmen werden unter anderem diskutiert: eine Steuer auf Plastikmül­l, Anteile aus Einnahmen aus dem Emissionsh­andel oder eine Digitalste­uer.

Ratspräsid­ent Charles Michel soll bis Ende dieser Woche einen Kompromiss­vorschlag als Verhandlun­gsgrundlag­e für den EU-Gipfel vorlegen. Dass er am Mittwoch nicht nach Straßburg gekommen war, um sich die Forderunge­n der Parlamenta­rier anzuhören, trug ihm herbe Kritik ein.

Anwesend war Budgetkomm­issar Johannes Hahn. „Wir sind schon spät dran“, mahnte er. Kann der Mehrjahres­haushalt nicht am 1. Jänner 2021 starten, hängen 40 EUProgramm­e – Erasmus ist das bekanntest­e – in der Luft. „Ich glaube, dass ein Kompromiss nächste Woche möglich sein müsste“, sagte er. Und rief dazu auf, „dass die großen Staaten aktiv werden und auf eine Einigung hinarbeite­n“.

„Wir werden nicht zustimmen, wenn uns die EU-Staaten etwas vor die Nase setzen.“

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BILD: SN/APA/AFP/FREDERICK FLORIN Parlaments­präsident David Sassoli versichert­e, man sei bereit, „bis zum Äußersten zu gehen“.

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