„Wir haben erwartet, dass Gott unsere Tochter gesund macht“
Während eine 13-Jährige im Sterben lag, suchten deren Eltern Heilung im Gebet. Fünf Jahre Haft wegen gröblicher Vernachlässigung einer unmündigen Person. Urteil ist nicht rechtskräftig.
Es waren gespenstische Details, die ein deutsches Ehepaar am Mittwoch am Landesgericht Krems schilderte. Dort mussten sich die 35-Jährige und der 39-Jährige verantworten. Die beiden hatten, so die Anklage, ihrer 13-jährigen Tochter mehr oder weniger beim Sterben zugesehen. Einen Arzt zu rufen oder die Rettung zu verständigen sei aus religiösen Gründen nicht infrage gekommen. Das Mädchen, eines von sieben Kindern der Familie, starb an einer chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Die Jugendliche wog zum Todeszeitpunkt nur noch 30 Kilogramm.
Der Prozess endete Mittwochabend mit nicht rechtskräftigen Schuldsprüchen wegen gröblicher Vernachlässigung einer unmündigen Person mit Todesfolge. Die beiden Eltern erhielten fünf Jahre Haft. Bei den mehr als zweistündigen Beratungen wurden sich die Geschworenen in Bezug auf die Hauptfragen nach Mord durch Unterlassung nicht einig, das Ergebnis lautete 4:4. Bei Stimmengleichheit ist zugunsten der Angeklagten vorzugehen. Die Fragen nach gröblicher Vernachlässigung einer unmündigen Person wurden aber einstimmig bejaht. Das Urteil wurde von den beiden Deutschen angenommen, die Staatsanwältin kündigte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
Dass das Mädchen sterben könnte, habe er zwar vermutet, hatte der Vater im Prozess erklärt, dennoch habe er weiter gehofft. „Wir glauben auch daran, dass Gott Tote auferwecken kann“, hatte der 39-Jährige Einblick ins religiöse Verständnis der Familie gegeben. Diese gehört der „Gemeinde Gottes“an, einer evangelikalen Religionsgemeinschaft. Ihre Mitglieder verstehen sich als strikt bibeltreu mit konservativen Moralvorstellungen und dem Glauben an Wunderheilungen.
Der 13-Jährigen habe er dennoch angeboten, zum Arzt zu fahren,
„aber sie wollte nicht. Sie hat ihr Vertrauen auf Gott gesetzt.“Seine Tochter habe gesagt, „wenn Gott mich nicht heilt, will ich in den Himmel“. Den Willen des Mädchens zu respektieren sei jedoch falsch gewesen, gab der 39-Jährige zu Protokoll.
„Es kommt leider immer wieder vor, dass Kinder Opfer von religiösem Wahn werden“, bedauert Brigitte Schiesser von der Bundessektenstelle. Bei der aktuell angeklagten Familie handle es sich um Anhänger der „Church of God“, einer evangelikalen Freikirche, von der es wiederum etliche Splittergruppen gibt. „Bei denen gab es immer wieder Todesfälle, weil sie der Überzeugung sind, dass nur das Gebet hilft. Krankheit ist Zeichen von Sünde und der Tod ausschließlich Gottes Wille, dem man sich zu unterwerfen hat“, erklärt Schiesser.
Im Prozess erklärte die Mutter, sie habe, anstatt einen Notruf abzusetzen, mit ihrer Tochter gesprochen, sie gestreichelt und intensiv gebetet. „Ich habe erwartet, dass Gott sie gesund macht. Er hat uns immer geholfen.“