Papst zögert bei verheirateten Priestern
In „Querida Amazonia“gibt Papst Franziskus kein grünes Licht zur Lockerung des Zölibats und zur Einführung des Diakonats für Frauen. Die Begriffe kommen in dem Schreiben gar nicht vor.
ROM. Seit Papst Franziskus 2013 ins Amt gekommen ist, sind Bischofssynoden ein wesentliches Instrument zur Steuerung der katholischen Kirche. Auf den Versammlungen machen die Bischöfe Vorschläge, der Papst spricht anschließend ein Machtwort. So sollte das Zusammenspiel funktionieren. Bereits die Wahl des Themas der Versammlung ist dabei mitentscheidend. Nach den Familiensynoden in den Jahren 2015 und 2016 verfügte Papst Franziskus die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion. Bei der AmazonienSynode im vergangenen Oktober schlugen die Bischöfe unter anderem die Weihe verheirateter Männer vor, um dem Priestermangel in der weitläufigen Region zu begegnen. Viele Teilnehmer forderten auch, Frauen zu Diakoninnen zu weihen. Die Synodenbeschlüsse galten als Vorlage für die Reformen von Papst Franziskus.
Diesmal blieb das Machtwort allerdings aus. In sein nachsynodales Schreiben „Querida Amazonia“(„Geliebtes Amazonien“) hat Franziskus diese umstrittenen Vorschläge nicht aufgenommen. In seinem mit 32 Seiten verhältnismäßig kurzen Dokument beschreibt der Papst vier Visionen für Amazonien. Dabei sollen die „Rechte der Ärmsten“ und der „kulturelle Reichtum“der Region gewahrt werden, Franziskus fordert den Schutz der „überwältigenden Schönheit der Natur“, die vierte Vision bezieht sich auf die christlichen Gemeinschaften in der Region, die „der Kirche neue Gesichter mit amazonischen Zügen schenken“sollen.
Zum Verhältnis der Empfehlungen und seinem nachsynodalen Schreiben stellte Franziskus fest: Er werde in seinem Dokument „nicht alle Fragen entfalten, die im Schlussdokument (der Bischöfe, Anm.) ausführlich dargelegt wurden“. Er habe „auch nicht vor, es hiermit zu ersetzen“. In gewisser Weise lässt Franziskus damit die Diskussion über die Lockerung des Pflichtzölibats oder das Diakonat für Frauen offen.
In seinem Text kommen diese Begriffe gar nicht vor. Und doch fordert Franziskus „Kühnheit“sowie „neue und größere Kreativität“bei der Lösung der Probleme der Region. Es gelte bisherige „Lösungsansätze zu überwinden und andere, vielleicht ungeahnte, bessere Wege zu finden“. Franziskus vermeidet eine klare Stellungnahme, ruft seine Kirche aber zur Fantasie auf.
Konkreter wird der Papst in seinem Schreiben nur, wenn es um die Beteiligung von Laien allgemein am kirchlichen Leben in der Region geht. „Verschiedene Laiendienste“müssten in Zukunft gefördert werden. Franziskus stellt „die stabile Präsenz reifer und mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteter Laien-Gemeindeleiter“in Aussicht. Insgesamt wünscht sich der Papst eine neue kirchliche Kultur, „die von Laien geprägt ist“. Dabei sollen nach dem Willen von Franziskus auch Frauen eine wesentliche Rolle spielen. Etwa 60 Prozent aller katholischen Gemeinden im Amazonas-Gebiet werden von Frauen geleitet. Für sie sieht Franziskus vor, „dass wir das Entstehen anderer spezifisch weiblicher Dienste und Charismen anregen“. Frauen sollten Zugang zu Aufgaben und kirchlichen Diensten haben, „die nicht die heiligen Weihen erfordern“. Gegen den Priestermangel setzt Franziskus auf alte Rezepte: Bischöfe sollten mehr Missionare nach Amazonien schicken, mehr (männliche) Diakone seien notwendig.
Das Papstschreiben löste unterschiedlichste Reaktionen aus. „Er hat den letzten Kredit verspielt bei denen, die auf ihn gesetzt haben“, urteilte der deutsche Kirchenrechtler Thomas Schüller. „Konservative Theologen werden in die Hände klatschen.“Im Pontifikat von Franziskus sei beim Thema Zölibat und Frauenweihe „nichts mehr“zu erwarten. Zwischen „herber Frustration und zarter Zuversicht“schwankte der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner. Die Absicht sei offenbar nicht, Türen zu schließen, sondern zu weiten und vor allem die Ortskirchen an ihre eigene Verantwortung zu erinnern, schrieb Zulehner in seinem Internet-Blog. Von Rom aus rufe der Papst den Bischöfen zu: „Seid mutig und handelt als bestellte Hirten in Eigenverantwortung!“
Auch Kardinal Christoph Schönborn erklärte: „Im Blick auf mögliche Ausweitungen der Ausnahmeregelungen zum Zölibat hat die Amazonien-Synode eine Tür geöffnet, der Papst hat sie offensichtlich nicht wieder geschlossen“, erklärte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz. Der Papst biete jedenfalls keine simplen Lösungen an. Die Erfahrung der Synode habe freilich auch ihm gezeigt, „wie richtig es ist, wenn der Papst nicht Schwarz-Weiß-Entscheidungen trifft“. Darüber würden manche wohl enttäuscht sein, die sich ein klares Ja oder Nein zu Ausnahmeregelungen erwartet hätten, räumte Schönborn ein.
„Wir brauchen Kühnheit und Kreativität.“
Papst Franziskus in „Querida Amazonia“