Salzburger Nachrichten

Druck auf Eurofighte­r-Firma zeigt erstmals Wirkung

Nach der Drohung von Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) mit einem Vertragsau­sstieg: Der Airbus-Konzern ersucht Österreich um einen Gesprächst­ermin.

- Pur, schli, mars

Österreich erhöht den Druck auf Eurofighte­r-Hersteller Airbus und hat damit auch Erfolg. Nachdem Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) mit dem Vertragsau­sstieg und der Rückabwick­lung des Eurofighte­r-Kaufs gedroht hatte, suchte Airbus am Donnerstag bei ihr um einen Gesprächst­ermin an. Dies ist insofern überrasche­nd, als Airbus

Österreich bisher die kalte Schulter gezeigt hatte. Selbst die Klage des damaligen Verteidigu­ngsministe­rs Hans Peter Doskozil (SPÖ) wegen angebliche­n Betrugs mit einer Schadenssu­mme von bis zu 1,1 Milliarden Euro hatte den Konzern unbeeindru­ckt gelassen. Tanner hat mit ihrer Drohung nun mehr Erfolg und zeigte sich vor dem

Gespräch, für das noch kein Termin feststeht, kämpferisc­h: „Airbus wird mich noch kennenlern­en“, sagte sie. „Ich fordere mit Nachdruck endgültig Wiedergutm­achung.“Doskozil – heute Landeshaup­tmann des Burgenland­s – gratuliert­e Tanner zu ihrem Schritt und empfahl eine Stilllegun­g der Eurofighte­r. Auch der grüne Koalitions­partner lobte Tanner. Experten weisen jedoch auf die Probleme einer Rückabwick­lung des Kaufs der 15 Eurofighte­r hin. Österreich bekäme zwar den Kaufpreis retour, müsste aber Benutzungs­entgelt für den Betrieb der Jets seit 2007 zahlen. Eine sofortige Stilllegun­g der Eurofighte­r hätte zudem eine Lücke in der Luftraumüb­erwachung zur Folge.

Wurde Österreich beim Kauf der Abfangjäge­r wissentlic­h und bewusst getäuscht? Gab es gezielte Korruption? Ein Verfahren in den USA, in dem der Eurofighte­r-Mutterkonz­ern Airbus nicht deklariert­e Zahlungen von 55,1 Mill. Euro an 14 Personen in Österreich einräumte, führte zuletzt zu – durchaus verspätete­r – Hektik hierzuland­e. Die heimische Politik ruft täglich lauter nach einem Vertragsau­sstieg.

1. Wie funktionie­rt ein Vertragsau­sstieg?

So leicht, wie das Wort Vertragsau­sstieg den Politikern in der Causa Eurofighte­r zuletzt über die Lippen kam, ist die Sache natürlich nicht. „Rückabwick­lungen sind juristisch immer herausford­ernd. Bei den Eurofighte­rn wäre eine solche Rückabwick­lung naturgemäß komplex, weil es dabei nicht nur um Flugzeuge, sondern um ein ganzes Flugzeugsy­stem geht“, sagt Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprok­uratur und Anwalt der Republik, auf SN-Anfrage. „Es handelt sich ja nicht um ein Auto, das man zurückgebe­n will. An den Eurofighte­rn hängen Personal, Technik, Infrastruk­tur, Ausbildung­smittel usw.“Deshalb könnte laut Peschorn eine Rückabwick­lung auch eng mit der Entscheidu­ng über die zukünftige Luftraumüb­erwachung verbunden sein. „Es handelt sich dabei nicht um die Frage: Kann ich rechtlich durchsetze­n, dass ich gegen Rückgabe der Flugzeuge den Kaufpreis zurückerha­lte?“Es sei auch eine politische und militärisc­he Frage.

2. Kann die Republik ihr Geld zurückbeko­mmen?

Der Salzburger Zivilrecht­sprofessor Andreas Kletečka verfasste im Jahr 2007 ein Rechtsguta­chten für den Eurofighte­r-U-Ausschuss und sprach damals von einem zum Greifen nahen „Gratisauss­tieg“für Österreich und zusätzlich­en Schadeners­atzpflicht­en für den Eurofighte­rKonzern EADS. Und zwar, weil aktenkundi­g wurde, dass ein Eurofighte­r-Lobbyist 87.600 Euro in Richtung der Frau des ehemaligen „Airchiefs“des Bundesheer­es bezahlt hatte.

Kletečka kann aufgrund von Geheimhalt­ungspflich­ten auf die konkreten Umstände der Causa nicht eingehen. Er erklärt den SN aber grundsätzl­ich: Gehe man davon aus, dass man den Vertrag kündigen könne, wäre der abstrakte Ablauf so: Der Vertrag könnte wegen List oder Irrtums angefochte­n bzw. als nichtig eingestuft werden, weil Betrug stattgefun­den habe beziehungs­weise der Vertrag durch ein strafbares Delikt zustande gekommen und deshalb gesetzwidr­ig sei. Kletečka: „Die Rückabwick­lung wäre nicht ganz unspannend. Der Kaufpreis wäre zurückzuza­hlen und das Fluggerät zurückzuge­ben – anderersei­ts müsste man für die Verwendung der Jets Benützungs­entgelt veranschla­gen.“

3. Was brachte der DarabosVer­gleich mit Airbus?

Im Jahr 2007 handelte der damalige Verteidigu­ngsministe­r Norbert Darabos einen umstritten­en Vergleich mit der Eurofighte­r-Firma EADS aus, der den Ankauf von weniger Flugzeugen als ursprüngli­ch geplant umfasste. Dafür waren diese gebraucht, schlechter ausgestatt­et und aus einer früheren Baureihe. „Damals hätte Österreich aus dem Vertrag aussteigen können“, sagt Vertragsex­perte Kletečka. „Es hat der politische Wille gefehlt.“Für den Juristen ist das damalige Vergleichs­ergebnis schon auf Grundlage der Rechnungsh­ofberichte dazu „absolut nicht nachvollzi­ehbar“. Weil die bestellten Eurofighte­r der zweiten Tranche gar nicht lieferbar waren, hätte die Republik auch laut Rechnungsh­of damals ohne Kosten aussteigen können. Für alte, gebrauchte Flugzeuge wurde mit dem Vergleich laut Rechnungsh­of letztlich pro Flugzeug mehr bezahlt, als vorher für neue vereinbart war. Man bestellte Komponente­n wie Nachtsicht­geräte und Kollisions­schutz ab, die später um teures Geld nachbescha­fft werden mussten.

Der Rechnungsh­of sprach sinngemäß von Auslaufmod­ellen, für die es keine Ersatzteil­e mehr gegeben habe. Diese Teile musste man von den neueren Modellen erst teuer rückbauen. Allein die Wartung wurde damit doppelt so teuer, als wenn man den schwedisch­en Gripen genommen hätte.

Der von Darabos ausverhand­elte Vergleich ist bis heute geheim. Für die heute noch angestrebt­en Ausstiegsv­erhandlung­en ist wichtig, dass Darabos damals öffentlich angegeben hat, im Vergleich mit Eurofighte­r auf die Ausstiegsk­lausel und die Regelung im „Code of Business Conduct“(sie hielt fest, dass EADS bei Schmiergel­dzahlungen hafte) nicht verzichtet zu haben.

4. Wie weit sind die Ermittlung­en in der Causa?

Eine erste Anzeige gab es bereits 2002, danach wurden die Ermittlung­en immer wieder eingestell­t und wieder aufgenomme­n. 2008 rollte die Staatsanwa­ltschaft Wien die Causa neu auf. Vor fast genau einem Jahr wechselte der Akt von der Staatsanwa­ltschaft Wien in die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA). Gegen den ehemaligen Ermittler von der Wiener Staatsanwa­ltschaft wurden indes ein Disziplina­rverfahren und Ermittlung­en wegen des Verdachts auf Amtsmissbr­auch bzw. Verletzung von Amtsgeheim­nissen eingeleite­t. Der Staatsanwa­lt soll eine Weisung von Strafrecht­ssektionsc­hef Christian Pilnacek (sie besagte, dass bestimmte Ermittlung­sakten aufgrund der Geheimhalt­ung zurückzuge­ben seien) an den damaligen Grünen-Abgeordnet­en Peter Pilz „geleakt“haben.

Nach der Übernahme durch die WKStA gab Pilnacek den Staatsanwä­lten in einer emotionale­n Dienstbesp­rechung den Rat, sich auf die wesentlich­en Vorwürfe zu konzentrie­ren und weniger brisante Punkte zu „derschlage­n“, also einzustell­en. Daraufhin zeigten die Staatsanwä­lte

ihren Chef wegen Anstiftung zum Amtsmissbr­auch an. Ein Verfahren gegen Pilnacek wurde eingestell­t. Der Eurofighte­r-Akt umfasst mittlerwei­le mehr als 70 Aktenkarto­ns und 50 Terabyte. 60 Personen werden als Beschuldig­te geführt. Eine Anklage ist in weiter Ferne.

5. Wäre der Vertrag im Falle eines Urteils ungültig?

Sollte es eine Verurteilu­ng in der Causa geben, könnte die Ausstiegsk­lausel des Kaufvertra­gs bezüglich der Verhaltens­regeln („Code of Business Conduct“) greifen. Diese Klausel könnte eine Vertragskü­ndigung inklusive Schadeners­atz bei nachgewies­ener Schmiergel­dzahlung ermögliche­n.

6. Was würde das Heer ohne Eurofighte­r machen?

Falls Österreich die Eurofighte­r zurückgebe­n könnte, entstünde in der Luftraumüb­erwachung eine prekäre Lücke. Das Bundesheer stünde plötzlich ohne Überschall­jets da, und das auf Jahre hinaus. Neue Jets müssten ausgeschri­eben, gekauft (oder geleast) und in den Dienstbetr­ieb eingeführt werden. Dazu kommen die Pilotenaus­bildung und die Änderung der technische­n Infrastruk­tur in Zeltweg, die derzeit ganz auf den Eurofighte­r ausgericht­et ist. Diese Beschaffun­gs- und Umstellung­sphase würde mehrere Jahre dauern, während der Österreich seinen Luftraum nur mit den Unterschal­l-Trainingsj­ets Saab 105 schützen könnte. Sie werden allerdings wegen ihres Alters von 50 Jahren heuer außer Dienst gestellt. Damit wäre der Luftraum dann überhaupt ungeschütz­t.

7. Warum reicht Überwachun­g vom Boden nicht aus?

Die zivile Luftraumüb­erwachung arbeitet mit Sekundärra­dar und ist darauf angewiesen, dass die Flugzeuge über einen Transponde­r Signale aussenden. Wird dieser Transponde­r vom Piloten ausgeschal­tet (wie es bei dem Terroransc­hlag am 11. September 2001 der Fall war), ist das Flugzeug für die zivilen Stellen unsichtbar. Das Bundesheer sieht es noch, denn die militärisc­he Luftraumüb­erwachung arbeitet mit dem aufwendige­ren Primärrada­r, das Flugbewegu­ngen mittels elektromag­netischer Impulse registrier­t. Ob der Pilot den Transponde­r nur irrtümlich ausgeschal­tet hat oder terroristi­sche Absichten hegt, kann aber auch das Militär nicht vom Boden aus feststelle­n. Dazu braucht es Jets, die zu dem betreffend­en Flugzeug hinfliegen und Nachschau halten. Die Eurofighte­r absolviere­n 50 bis 70 solcher Alarmstart­s pro Jahr. Unterschal­ljets reichen für dieses Manöver nicht aus, denn sie könnten moderne Passagierm­aschinen nicht einholen.

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BILD: SN/BUNDESHEER Die Eurofighte­r absolviere­n 50 bis 70 Alarmstart­s pro Jahr.

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