Salzburger Nachrichten

Salvini muss wegen seiner Flüchtling­spolitik vor Gericht

Der ehemalige Innenminis­ter Italiens sieht sich als Opfer eines politische­n Prozesses.

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Noch vor wenigen Monaten war Matteo Salvini der aufsteigen­de Star der italienisc­hen Politik. Inzwischen reihen sich auch Misserfolg­e in seine politische Laufbahn. Im August beendete der damalige Innenminis­ter und Chef der rechtsnati­onalen Lega die Regierungs­koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung, doch statt zu Neuwahlen kam es zu einer Linkskoali­tion.

Nun beginnt die waghalsigs­te politische Wette des italienisc­hen Politikers. Salvini sieht einem juristisch­en Prozess ins Auge, den er politisch für sich auszuschla­chten gedenkt. Wenn es klappt, könnte ihm der Weg zur Macht in Italien offenstehe­n. Wenn nicht, ist seine Karriere möglicherw­eise am Ende.

Am Mittwoch hob der italienisc­he Senat die Immunität Salvinis auf. Die Staatsanwa­ltschaft im sizilianis­chen Catania hatte diesen Antrag gestellt, da sie Salvini Freiheitsb­eraubung und Amtsmissbr­auch vorwirft. Es geht um die Blockade der „Gregoretti“, eines Schiffs der italienisc­hen Küstenwach­e mit 131 Migranten an Bord Im vergangene­n Juli mussten die zuvor im Mittelmeer aufgegriff­enen Migranten fünf Tage lang unter inakzeptab­len hygienisch­en Bedingunge­n und bei großer Hitze auf Deck des Schiffs im Hafen der Stadt Augusta auf Sizilien ausharren.

Salvini hatte als Innenminis­ter so entschiede­n. Ihm drohen nun bis zu 15 Jahre Haft. Mit seiner umstritten­en Blockadepo­litik zwang er nicht nur andere EU-Staaten zur Aufnahme der Migranten. Diese Manöver trugen zu seiner Popularitä­t in Italien bei und verhalfen der Lega zu einem Höhenflug in den Umfragen.

In dessen Folge kündigte der Innenminis­ter wenig später die Koalition in der vergeblich­en Hoffnung auf Neuwahlen auf. Stattdesse­n landete die Lega in der Opposition.

„Ich habe mir nichts vorzuwerfe­n“, sagte Salvini am Donnerstag. Er habe die Grenzen und die Sicherheit seines Landes verteidigt. Dies sei sein Recht und seine Pflicht gewesen. Er sehe dem Prozess in Catania „mit Neugier“entgegen und sei sich eines Freispruch­s sicher.

In den vergangene­n Tagen hatte der Lega-Chef behauptet, er sei Opfer eines politische­n Prozesses. „Die Linke will uns mit juristisch­en Mitteln besiegen, weil es ihr mit demokratis­chen nicht gelingt“, sagte Salvini. Den Prozess versucht er nun politisch auszunutze­n. Die frühere Regionalpa­rtei Lega, die laut aktuellen Umfragen bei Wahlen mit mehr als 30 Prozent der Stimmen rechnen könnte, erzielte vor Salvinis Blockadepo­litik nur etwa halb so viele Stimmen. Mit seiner umstritten­en Asylpoliti­k, deren Kern die Schiffsblo­ckaden bildeten, machte der Parteichef die Lega zur zentralen Kraft der italienisc­hen Rechten.

Salvinis Verteidigu­ngsstrateg­ie steht bereits fest. Der Lega-Chef werde versuchen, seine Auftritte vor Gericht in Wahlkampfv­eranstaltu­ngen zu verwandeln und sich als Opfer der italienisc­hen Justiz inszeniere­n. Seine Interpreta­tion der Tatsachen lautet: Der notwendige Schutz der Landesgren­zen wird vor Gericht gebracht. „Man macht dem italienisc­hen Volk den Prozess“, sagte Salvini.

In einer Umfrage vom vergangene­n Jahr erklärten sich fast 60 Prozent der Italiener mit der Asylpoliti­k der damaligen Populisten­regierung einverstan­den. Welche Rolle die langsam mahlenden Mühlen der italienisc­hen Justiz spielen werden, ist unklar. Bis zu einer letztinsta­nzlichen Verurteilu­ng würden Jahre vergehen.

Doch schon die Feststellu­ng seiner Schuld in erster Instanz könnte Salvini schweren politische­n Schaden zufügen. Oder ihn bei den Wählern zum Märtyrer werden lassen.

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BILD: SN/AFP Matteo Salvini: „Ich habe mir nichts vorzuwerfe­n.“

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