Die USA wollen China eindämmen
Chinas Macht wächst. Deswegen sind die Vereinigten Staaten entschlossen, den Vormarsch des neuen globalen Konkurrenten mit allen Mitteln zu bremsen. Die große Kraftprobe der kommenden Zeit.
Politisch sind die USA heute stärker polarisiert denn je. Doch parteiübergreifend herrscht in Washington ein Konsens darüber, dass das Land in der Auseinandersetzung mit China eine unnachgiebige Haltung einnehmen solle. Das ist ein dramatischer Schwenk im Verhältnis der Vereinigten Staaten zur Volksrepublik.
Jahrzehntelang ist es das Ziel der USPolitik gewesen, China in die vom Westen geprägte liberale Weltordnung zu integrieren. Washington setzte auf (politische) Einbindung – nicht auf (militärische) Eindämmung, wie es in den Zeiten des Kalten Kriegs gegen die Sowjetunion der Fall gewesen war. Heute hingegen definiert Amerika die Volksrepublik als strategischen Konkurrenten, ja als politischen Gegner.
Zerplatzt ist die Hoffnung auf eine Konvergenz der Systeme. In China verstärkt sich die Repression massiv. Auf die wirtschaftliche Modernisierung ist keineswegs, wie vielfach erwartet, eine politische Öffnung gefolgt. Stattdessen avanciert die diktatorisch regierte Volksrepublik zum technologischen Rivalen für die USA, der in Zukunftsfeldern wie künstliche Intelligenz (KI), Robotik und Digitalisierung die Spitzenstellung anstrebt.
Groß ist die Ernüchterung bei jenen Experten, die mit einer immer stärkeren Annäherung der Vereinigten Staaten und der Volksrepublik gerechnet haben. Als „Chimerica“hat der Historiker Niall Ferguson die wirtschaftliche Verflechtung zwischen China und den USA beschrieben. Mittlerweile sieht er zwischen den beiden Mächten den zweiten Kalten Krieg heraufziehen. Allerdings bleibt Amerika wirtschaftlich stark mit China verzahnt; die
Globalisierung lässt sich nicht so leicht zurückdrehen. Auch kulturell ist, weil Hunderttausende chinesische Studenten an US-Universitäten lernen, die Verschränkung beträchtlich.
David Leonhardt bilanziert in der „New York Times“, dass sich der Aufstieg der Volksrepublik China im vergangenen Jahrzehnt rasant fortgesetzt hat. Die Wirtschaft des Landes ist inzwischen stärker diversifiziert. Insbesondere der Bereich Wissenschaft und Forschung verzeichnet große Fortschritte in der Innovation. Das Regime hat auch die Militärkapazitäten des Landes drastisch gesteigert. China ist nach den USA und vor Russland zum zweitgrößten Waffenproduzenten der Welt geworden. Die
Einfluss-Position der Volksrepublik in Asien ist stärker denn je. Überhaupt hat China im Wettrennen mit den USA deutlich aufgeholt. Bis zum Jahr 2050 will die Volksrepublik auf gleichem Rang mit den Vereinigten Staaten die führende Weltmacht sein.
Leonhardt verweist darauf, dass die Vereinigten Staaten die Investitionen in Infrastruktur, Wissenschaft und Bildung vernachlässigt hätten – einst die Basis für den Aufstieg des Landes zur Weltmacht. Die USA hätten zudem an „soft power“, an politischer und kultureller Ausstrahlungskraft also, eingebüßt – ein Verlust bei einem Kernelement von Amerikas bisheriger Dominanz.
Vor allem aber habe Präsident Donald Trump mit seiner Politik dazu beigetragen, den strategischen Konkurrenten China zu stärken. Statt als globaler Anführer der demokratischen Staaten aufzutreten, scheint Amerika selbstbezogen in erster Linie die eigenen (National-)Interessen zu verteidigen. Statt als Reaktion auf Chinas Aufstieg eine Koalition der Staaten zu bilden (einschließlich der asiatischen Nationen im Schatten der Volksrepublik), riskiert der US-Präsident die Entfremdung von Alliierten. Statt die Demokratie als Alternative zu Chinas Autoritarismus zu propagieren, stellt der USPräsident zu Hause die Herrschaft des Rechts infrage und hofiert in der Außenpolitik Diktatoren wie Nordkoreas Staats- und Parteichef Kim Jong Un. Insgesamt ein politisches Verhalten, das laut Experten zu einem „strategischen
Geschenk“für China wird. Aus Angst vor Chinas Expansion haben die USA begonnen, die Volksrepublik einzudämmen. Wie diese Kraftprobe am Ende ausgeht, hängt von beiden Mächten ab.
Die etablierte Weltmacht USA hat ihre Vorrangstellung vor allem ihrer Innovationskraft zu verdanken, für die ein unaufhörlicher Zustrom von Immigranten gesorgt hat. Heute aber hindern eine nach innen gewendete und zudem total zerstrittene Politik und eine wachsende soziale Ungleichheit die Vereinigten Staaten von Amerika daran, sich auf die machtbegrenzende Realität eines multipolaren Systems einzustellen.
Amerikas Stagnation könnte zu Chinas größtem Vorteil werden. Der asiatische Riese steht trotz seines staunenswerten Vormarsches vor Riesenproblemen. Im Inneren droht dem Land als Folge der früheren Ein-Kind-Politik ein starker Rückgang bei der arbeitsfähigen Bevölkerung. Außenpolitisch sieht sich die Volksrepublik mit einer Welle des Argwohns konfrontiert, sobald sich immer mehr Staaten, insbesondere in Asien, der Macht und der Machtmethoden Pekings bewusst werden.
Die Führung in Peking will, dass das Land zuerst die Dominanz im Pazifik gewinnt und zusehends zu einer großen Gegenmacht zu den USA wird. Deshalb soll es global eine Koalition autoritär regierter Staaten anführen.