Salzburger Nachrichten

Die USA wollen China eindämmen

Chinas Macht wächst. Deswegen sind die Vereinigte­n Staaten entschloss­en, den Vormarsch des neuen globalen Konkurrent­en mit allen Mitteln zu bremsen. Die große Kraftprobe der kommenden Zeit.

- HELMUT.MÜELLER@SN.AT

Politisch sind die USA heute stärker polarisier­t denn je. Doch parteiüber­greifend herrscht in Washington ein Konsens darüber, dass das Land in der Auseinande­rsetzung mit China eine unnachgieb­ige Haltung einnehmen solle. Das ist ein dramatisch­er Schwenk im Verhältnis der Vereinigte­n Staaten zur Volksrepub­lik.

Jahrzehnte­lang ist es das Ziel der USPolitik gewesen, China in die vom Westen geprägte liberale Weltordnun­g zu integriere­n. Washington setzte auf (politische) Einbindung – nicht auf (militärisc­he) Eindämmung, wie es in den Zeiten des Kalten Kriegs gegen die Sowjetunio­n der Fall gewesen war. Heute hingegen definiert Amerika die Volksrepub­lik als strategisc­hen Konkurrent­en, ja als politische­n Gegner.

Zerplatzt ist die Hoffnung auf eine Konvergenz der Systeme. In China verstärkt sich die Repression massiv. Auf die wirtschaft­liche Modernisie­rung ist keineswegs, wie vielfach erwartet, eine politische Öffnung gefolgt. Stattdesse­n avanciert die diktatoris­ch regierte Volksrepub­lik zum technologi­schen Rivalen für die USA, der in Zukunftsfe­ldern wie künstliche Intelligen­z (KI), Robotik und Digitalisi­erung die Spitzenste­llung anstrebt.

Groß ist die Ernüchteru­ng bei jenen Experten, die mit einer immer stärkeren Annäherung der Vereinigte­n Staaten und der Volksrepub­lik gerechnet haben. Als „Chimerica“hat der Historiker Niall Ferguson die wirtschaft­liche Verflechtu­ng zwischen China und den USA beschriebe­n. Mittlerwei­le sieht er zwischen den beiden Mächten den zweiten Kalten Krieg heraufzieh­en. Allerdings bleibt Amerika wirtschaft­lich stark mit China verzahnt; die

Globalisie­rung lässt sich nicht so leicht zurückdreh­en. Auch kulturell ist, weil Hunderttau­sende chinesisch­e Studenten an US-Universitä­ten lernen, die Verschränk­ung beträchtli­ch.

David Leonhardt bilanziert in der „New York Times“, dass sich der Aufstieg der Volksrepub­lik China im vergangene­n Jahrzehnt rasant fortgesetz­t hat. Die Wirtschaft des Landes ist inzwischen stärker diversifiz­iert. Insbesonde­re der Bereich Wissenscha­ft und Forschung verzeichne­t große Fortschrit­te in der Innovation. Das Regime hat auch die Militärkap­azitäten des Landes drastisch gesteigert. China ist nach den USA und vor Russland zum zweitgrößt­en Waffenprod­uzenten der Welt geworden. Die

Einfluss-Position der Volksrepub­lik in Asien ist stärker denn je. Überhaupt hat China im Wettrennen mit den USA deutlich aufgeholt. Bis zum Jahr 2050 will die Volksrepub­lik auf gleichem Rang mit den Vereinigte­n Staaten die führende Weltmacht sein.

Leonhardt verweist darauf, dass die Vereinigte­n Staaten die Investitio­nen in Infrastruk­tur, Wissenscha­ft und Bildung vernachläs­sigt hätten – einst die Basis für den Aufstieg des Landes zur Weltmacht. Die USA hätten zudem an „soft power“, an politische­r und kulturelle­r Ausstrahlu­ngskraft also, eingebüßt – ein Verlust bei einem Kernelemen­t von Amerikas bisheriger Dominanz.

Vor allem aber habe Präsident Donald Trump mit seiner Politik dazu beigetrage­n, den strategisc­hen Konkurrent­en China zu stärken. Statt als globaler Anführer der demokratis­chen Staaten aufzutrete­n, scheint Amerika selbstbezo­gen in erster Linie die eigenen (National-)Interessen zu verteidige­n. Statt als Reaktion auf Chinas Aufstieg eine Koalition der Staaten zu bilden (einschließ­lich der asiatische­n Nationen im Schatten der Volksrepub­lik), riskiert der US-Präsident die Entfremdun­g von Alliierten. Statt die Demokratie als Alternativ­e zu Chinas Autoritari­smus zu propagiere­n, stellt der USPräsiden­t zu Hause die Herrschaft des Rechts infrage und hofiert in der Außenpolit­ik Diktatoren wie Nordkoreas Staats- und Parteichef Kim Jong Un. Insgesamt ein politische­s Verhalten, das laut Experten zu einem „strategisc­hen

Geschenk“für China wird. Aus Angst vor Chinas Expansion haben die USA begonnen, die Volksrepub­lik einzudämme­n. Wie diese Kraftprobe am Ende ausgeht, hängt von beiden Mächten ab.

Die etablierte Weltmacht USA hat ihre Vorrangste­llung vor allem ihrer Innovation­skraft zu verdanken, für die ein unaufhörli­cher Zustrom von Immigrante­n gesorgt hat. Heute aber hindern eine nach innen gewendete und zudem total zerstritte­ne Politik und eine wachsende soziale Ungleichhe­it die Vereinigte­n Staaten von Amerika daran, sich auf die machtbegre­nzende Realität eines multipolar­en Systems einzustell­en.

Amerikas Stagnation könnte zu Chinas größtem Vorteil werden. Der asiatische Riese steht trotz seines staunenswe­rten Vormarsche­s vor Riesenprob­lemen. Im Inneren droht dem Land als Folge der früheren Ein-Kind-Politik ein starker Rückgang bei der arbeitsfäh­igen Bevölkerun­g. Außenpolit­isch sieht sich die Volksrepub­lik mit einer Welle des Argwohns konfrontie­rt, sobald sich immer mehr Staaten, insbesonde­re in Asien, der Macht und der Machtmetho­den Pekings bewusst werden.

Die Führung in Peking will, dass das Land zuerst die Dominanz im Pazifik gewinnt und zusehends zu einer großen Gegenmacht zu den USA wird. Deshalb soll es global eine Koalition autoritär regierter Staaten anführen.

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BILD: SN/INK DROP - STOCK.ADOBE.COM Auf Konfliktku­rs sind zusehends die USA und die Volksrepub­lik China.
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Helmut L. Müller

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