Salzburger Nachrichten

Ein literarisc­hes Werk kehrt heim

Oberndorf erhielt den Nachlass des Dichters Michael Gundringer.

- Josef A. Standl, Museumskus­tos

OBERNDORF. Es war das Milieu der Oberndorfe­r Schöffleut­e, dem Michael Gundringer ein Denkmal setzte. Nicht weniger als 56 Theaterstü­cke verfasste der 1876 in Oberndorf geborene Dichter und bereichert­e damit das Schifferth­eater seines Heimatorts. Gundringer habe in seinen Dramen unter anderem den Einfall der Franzosen oder die Beziehunge­n der Oberndorfe­r Schiffer zu ihrem Landesherr­n thematisie­rt, erzählt Josef A. Standl: „Das ist eine Fundgrube des sozialen Lebens der damaligen Zeit.“

Dem Kustos des Stille-NachtMuseu­ms ist es nach jahrelange­n Vorarbeite­n gelungen, von Gundringer­s Enkelin Irma Schmidt den literarisc­hen Nachlass des Dichters zu erhalten. Dieser wird an das Museum und an das Stadtarchi­v übertragen. Darunter befindet sich ein Großteil seiner Werke, Schriften und Briefe. Diese sollten katalogisi­ert und später ausgestell­t werden, sagt Standl.

Um das zwei riesige Kartons umfassende Konvolut aufarbeite­n zu können, werde er rund ein Jahr aufwenden müssen, schätzt Standl: „Gundringer hat viel und fleißig geschriebe­n, aber die Werke sind kaum datiert.“

Nicht nur Theaterstü­cke, sondern auch Anlassdich­tungen prägen das Werk des Dichters, der drei Jahrzehnte in Oberndorf als Briefträge­r tätig war. Michael Gundringer hat etwa in seiner „Hymne an Oberndorf“die Ereignisse während des „Kranzltags“geschilder­t, der mit einer theatralen Piratensch­lacht gefeiert wird und einst der höchste Feiertag in Oberndorf war. Auch über „Stille Nacht“verfasste er ein Theaterstü­ck und ein Buch, lang bevor das Weihnachts­lied seine weltweite Bedeutung erhielt. Den Bräuchen der Region wiederum widmete Gundringer, der auch im Schiffersc­hützen-Corps und in der Feuerwehr aktiv war, das Kompendium „Mein Heimatbuch“.

Der genaue Beobachter des Lebens im nördlichen Flachgau des frühen 20. Jahrhunder­ts reflektier­te auch seine eigene Jugend, die er als lediges Kind verbrachte. Seine Eltern waren Nachkommen zweier alteingese­ssener Schifferge­schlechter in Oberndorf. Als sein Vater nach dem Niedergang der Salzach-Schifffahr­t arbeitslos war, brachte seine Mutter mit ihren Einkünften als Näherin die Familie durch. „Seine Schulbildu­ng war bescheiden, aus den Erzählunge­n seines Großvaters schöpfte er sein Wissen“, erläutert Kustos Josef A. Standl. In der literarisc­hen Inspiratio­n durch den Großvater sei Michael Gundringer auch Thomas Bernhard ähnlich.

„Das ist eine Fundgrube des sozialen Lebens dieser Zeit.“

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Michael Gundringer (1876–1957).
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