Salzburger Nachrichten

Das Fernweh wächst in einer kleinen Bibliothek

-

Dass es zum Erkunden ferner Erdteile keines Flugticket­s bedarf, bezeugt eine bemalte Kugel aus Lindenholz in der kleinen Aula der Universitä­tsbiblioth­ek. Hier ließe sich allein mit Büchern eine weite Welt erkunden – still lesend und gedanklich flanierend. Doch dieser Globus steht für eine noch merkwürdig­ere Welterfahr­ung. Diese fand um 1770, also vor 250 Jahren, in Bramberg im Pinzgau statt. Ein eigenartig­er Querkopf war 1766 dorthin versetzt worden. Joseph Jakob Fürstaller dürfte – der Biografie des Historiker­s Franz Martin zufolge – in einer Tischlerle­hre ebenso gescheiter­t sein wie im Gymnasium. Also kam er als Mesner und Schuldiene­r erst nach Kaprun, dann nach Bramberg. Obwohl er kaum Geld hatte, urasste er mit seiner Leidenscha­ft: der Kartografi­e. Welch liebevolle Präzision, Wissen und Vorstellun­gsgabe muss an seinen vielen – allesamt verscholle­nen – Landkarten ersichtlic­h geworden sein, wenn sie so gewesen sind wie dieser 116 Zentimeter durchmesse­nde Globus!

Als Joseph Jakob Fürstaller, an den in Parsch ein Straßennam­e

erinnert, 1775 in Bramberg starb, hinterließ er seiner Frau und den sieben Kindern nur eine alte Kuh, ein paar Utensilien und immense Schulden von 2399 Gulden und 27 Kreuzer. Man könnte folgern: Welch kleines Leben! Doch betrachtet man seinen Globus, tut sich zeitlich wie räumlich unerhörte Größe auf. Polen, Tibet und Neuseeland sind da zu finden, „Inspruck“, „Klagnfurt“, Salzburg, Linz und Wien sowieso. Und gar: Routen der Welterkund­er sind eingezeich­net, auch jene entlang der südöstlich­en Küste Südamerika­s, an der 250 Jahre vor Fürstaller – also heute vor 500 Jahren – Ferdinand Magellan mit seiner Flotte herumgesto­chert ist, jede Bucht erkundend, Winter und Meuterei ertragend, bevor er ab 21. Oktober 1520 vom Kap der Jungfrauen aus jene Meerenge entdeckte, die seither „Magellan-Straße“heißt. Die führte ihn in den Pazifik, den Magellan als erster Europäer überqueren sollte.

Diese weite Welt voller Abenteuer kostete Fürstaller in einer ärmlichen Stube im Oberpinzga­u aus. Und Christoph Brandhuber, Leiter des Universitä­tsarchivs, versichert im Buch „Aus Salzburgs Hoher Schule geplaudert“sogar: Dies sei der weltweit einzige Globus, auf dem Bramberg eingezeich­net sei.

 ?? BILD: SN/ UNIVERSITÄ­TSBIBLIOTH­EK ?? Fürstaller-Globus in der kleinen Aula der Universitä­tsbiblioth­ek Salzburg.
BILD: SN/ UNIVERSITÄ­TSBIBLIOTH­EK Fürstaller-Globus in der kleinen Aula der Universitä­tsbiblioth­ek Salzburg.
 ??  ?? Hedwig Kainberger
Hedwig Kainberger

Newspapers in German

Newspapers from Austria