Große Baustellen im Pflegesystem
Rechnungshof: Kein Überblick über Kosten, keine Gesamtstrategie.
Der Befund des Rechnungshofs (RH) nach einer Analyse des heimischen Pflegesystems ist dramatisch: „Österreich ist auf die demografischen Veränderungen in Bezug auf Pflege nicht ausreichend vorbereitet.“Die Experten der Prüfinstanz haben sich österreichweit Kosten und Zuständigkeiten im Pflegebereich angesehen und kommen zu dem Schluss, dass „aufgrund der Alterung die Zahl pflegender Angehöriger stark sinken wird“, das (professionelle) Angebot müsse daher deutlich erweitert werden, warnt der RH und rechnet vor: „Im Jahr 2020 liegt das Verhältnis von Personen dieser Altersgruppe zu Personen ab 80 Jahren bei vier zu eins.“Demnach könne eine Person über 80 potenziell auf vier pflegende Angehörige zählen. „Bis 2060 wird sich dieses Verhältnis drastisch verändern. Eine Person über 80 Jahre wird dann nur mehr auf 1,6 potenziell Pflegende kommen“, heißt es in dem Prüfbericht.
Doch bisher fehlt es sogar an Grundlagen. Laut den RH-Experten gibt es keine Statistik, wie viel Pflege österreichweit kostet. Die Experten mussten daher die Gesamtkosten selbst errechnen. Das Ergebnis: Für das Jahr 2016 entstanden im Bereich
Pflege Gesamtkosten von 7,9 Mrd. Euro für 452.688 Pflegebedürftige. Davon kamen rund 2,9 Mrd. Euro vom Bund und rund 2,1 Mrd. Euro von Ländern und Gemeinden. 2,9 Mrd. Euro wurden privat abgedeckt. Dazu zählten Eigenbeiträge, aber auch die privaten Pflegedienstleistungen, etwa durch Angehörige.
Der größte Anteil der 7,9 Mrd. Euro ist den Pflegeheimen zuzurechnen (3,4 Mrd. Euro), gefolgt von der Pflege durch Angehörige (3,1 Mrd. Euro), mobile Dienste (0,7 Mrd. Euro) und 24-Stunden-Betreuung. Die schlägt mit 0,6 Mrd. Euro zu Buche.
Zusammenfassend appelliert der RH für „eine bundesweit abgestimmte Bedarfsprognose sowie die Erarbeitung einer Gesamtstrategie zur Weiterentwicklung der Pflegedienstleistungen“. Außerdem müsse ein nachhaltiges Finanzierungssystem entwickelt werden.
Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht im kritischen Rechnungshofbericht „zentrale Unterstützung“für seine Reformbestrebungen. „Wir haben jetzt die Chance auf einen großen Wurf, und der ist notwendig“, sagte er am Freitag. Vor allem in der Kritik an mangelnder Koordination der Akteure und der zersplitterten Finanzverantwortung sah sich Anschober durch den Rechnungshof bestärkt.