Was zählt noch der Rechtsstaat in den USA?
Justizminister William Barr beschwert sich in einem Interview über Donald Trumps Tweets zu schwebenden Verfahren.
Die Klage des Justizministers über die Einmischung Donald Trumps in das Verfahren gegen dessen alten Freund Roger Stone hallte noch in den US-Medien nach, da feuerte der Präsident schon zurück – via Twitter, versteht sich. Natürlich habe er das „legale Recht“, seinen Justizminister anzuweisen, in ein Strafrechtsverfahren einzugreifen, posaunte Trump auf dem Kurznachrichtendienst heraus. Und fügte hinzu: „Ich habe es bisher noch nicht getan.“
Nichts anderes behauptet Barr in seinem Interview mit dem TV-Sender ABC. Darin präsentiert er sich als Wächter des Rechtsstaats, der sich von niemanden beeinflussen lasse – auch nicht vom Präsidenten der Vereinigten Staaten. Der entgegengesetzte Eindruck war im Fall des Strafverfahrens gegen Trumps ersten Wahlkampfmanager, langjährigen Berater und persönlichen Freund Stone entstanden.
Nachdem die mit dem Fall befassten Bundesanwälte, die Barr unterstehen, sieben bis neun Jahre Haft für Stone wegen dessen Rolle in der Russland-Affäre gefordert hatten, beschwerte sich Trump auf Twitter bitterlich darüber, wie „unfair“das Strafmaß sei. Kurz darauf kassierte das Justizministerium die Empfehlung der Bundesanwälte: Diese seien „exzessiv und den Umständen nicht angemessen“.
Stone hatte im Wahlkampf 2016 die Veröffentlichung der von russischen Hackern erbeuteten E-Mails Hillary Clintons und anderer Demokraten zwischen WikiLeaks und Trumps Wahlkampfteam abgestimmt. Bei den Ermittlungen belog er die Bundespolizei FBI und versuchte später, Zeugen einzuschüchtern. Eine Jury verurteilte Stone einstimmig.
Die vier zurückgepfiffenen Anwälte traten noch am selben Tag unter öffentlichem Protest von ihren Ämtern zurück. Trump griff daraufhin die Staatsanwälte an – und die Richterin in dem Verfahren, Amy Berman, die das Urteil am 20. Februar sprechen wird. Ebenfalls via Twitter pries Trump seinen Justizminister
für den beispiellosen Rückzug der Strafmaßempfehlung. Der Justizminister geriet in den Medien und in seinem Ministerium wegen des Vorwurfs, den Rechtsstaat auf Drängen des Präsidenten gebeugt zu haben, massiv unter Druck. Und fühlte sich ertappt.
Was den Justizminister stört, ist die Optik: dass es in der Öffentlichkeit so aussieht, als lasse er sich von Trump unter Druck setzen.
„Er macht es mir unmöglich, meinen Job zu erledigen“, sagte Barr in seinem Interview mit ABC-News, das am Donnerstagabend Schlagzeilen machte. Es sei sehr schwierig unter diesen Bedingungen, „den Gerichten, Staatsanwälten und dem Ministerium zu versichern, dass ich meine Aufgabe mit Integrität erfülle“.
Dass Senatsführer Mitch McConnell sowie Lindsey Graham, der Vorsitzende des Justizausschusses, und andere Republikaner Barr zur Seite sprangen und zudem Trumps Sprecherin Stephanie Grisham versicherte, der Präsident fühle sich „durch die Äußerungen überhaupt nicht angegriffen“, erhärtet den Verdacht der Demokraten, dass die ganze Kontroverse eine Inszenierung sei.
John Dean, ehemals Justiziar von Präsident Richard Nixon, erklärte zu dem Vorgang: „Ich wette, das Weiße Haus wusste vorher Bescheid. Ein Plot frei nach Shakespeares ,Hamlet‘.“