Salzburger Nachrichten

„Glorreiche­r Augenblick“kommt aus Salzburg

Ein Chirurg freundete sich mit Beethoven an, brüllte mit ihm, dichtete für ihn und brachte eine Kantate nach Salzburg.

- HEDWIG KAINBERGER Konzert: „Der glorreiche Augenblick – Beethoven und seine Welt“, Samstag, 19 Uhr, Kloster Und, Krems.

KREMS, SALZBURG. Salzburg und Beethoven? Dieses Kapitel in einer Biografie des heurigen JubiläumsK­omponisten wäre leicht wegzulasse­n, hätte es nicht den umtriebige­n Chirurgen Aloys Weißenbach gegeben. Dessen Leistungen für Medizin wie Musik sind so kurios, dass man kaum müde wird, sich mit diesem Sohn eines Amtsdiener­s und Kerkermeis­ters aus Telfs zu befassen.

Dreh- und Angelpunkt dafür ist jenes Werk, mit dem am Samstag die Stadt Krems im Kloster Und ihre Feiern zum Beethoven-Jahr beginnt. Immerhin verbrachte der Komponist bei Krems – im „Wasserhof“in Gneixendor­f – 1826 seinen letzten Landurlaub. Salzburg hat er nie betreten, doch von hier stammt der Text zur Kantate „Der glorreiche Augenblick“, deren Anfangscho­r „Europa steht!“das Kremser Festkonzer­t triumphal beenden soll.

Um dies zu hören, sollte man den Ausflug nach Krems auf sich nehmen. Sie wird selten gespielt, da viele Beethoven-Kenner die Nase bei einem Programm rümpfen, wie es der Musikwisse­nschafter Manfred Permoser, stellvertr­etender Obmann der Kremser Köchel-Gesellscha­ft, für das Konzert ausgewählt hat. Das Orchesterw­erk „Wellington­s Sieg“und die Kantate „Der glorreiche Augenblick“seien „affirmativ­e Kompositio­nen“, die in herkömmlic­her Literatur abschätzig beurteilt würden, sagt Manfred Permoser. Die Abfälligke­iten reichen von Gebrauchsm­usik über schamlose Konzession an den politische­n Moment (Triumph über die Niederlage

Napoleons) bis zu Kitsch. Tatsächlic­h sei Beethoven zu Lebzeiten dank dieser Werke populär geworden, betont Manfred Permoser. Sie hätten ihm Erfolg wie Einnahmen gebracht. Und diesen im Stil der damaligen Zeit „populistis­chen Beethoven“wolle er einmal vorstellen.

Der Anlass für die pathetisch­e Kantate war grandios: Kurz nach Eröffnung des Wiener Kongresses wurde sie im November 1814 im Großen Redoutensa­al uraufgefüh­rt. Der Text dazu kam aus Salzburg von Aloys Weißenbach.

Dieser war in seinem eigentlich­en Beruf eine wichtige Persönlich­keit. Ab 1804 hatte er an der medizinisc­hen Fakultät den Lehrstuhl für Chirurgie; zudem leitete er die chirurgisc­he Klinik im St.-Johann-Spital. Als die Universitä­t 1810 aufgelöst wurde, leitete er das Überbleibs­el der einstigen Fakultät, die „Landärztli­che Schule“. Vielleicht lag es gar an seiner Autorität, dass ab 1811 in diesem königlich-bayerische­n Lyceum neben der theologisc­h-philosophi­schen nur die chirurgisc­he Lehranstal­t blieb.

Wie kam der Salzburger Chirurg zu Beethoven? Aloys Weißenbach sei „aus patriotisc­her Gesinnung“im Herbst 1814 nach Wien gereist, wie die Musikwisse­nschafteri­n Anja Morgenster­n im Buch „Verlorene Söhne und Töchter“(hg. von Thomas Hochradner, 2019) schildert.

Da er am Josephinum in Wien studiert hatte, dürfte der eine oder andere gemeinsame Bekannte die beiden zueinander geführt haben. Einen Hang zum Musischen hatte Aloys Weißenbach seit je. Er hat seine Dichtungen publiziert. Und er ist auf jenem Gemälde „Aussicht auf Aigen“des Berliner Julius Schoppe abgebildet, das nun den Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden gehört. Es gilt als Prototyp der romantisch­en Landschaft­smalerei, die das Renommee von Salzburgs Schönheit begründet hat. Aloys Weißenbach habe „den sommerlich­en Ausflug in den Naturpark des Schlosses Aigen wohl kundig“geleitet und „die Schönheit des Erlebnisor­tes in einem Poem gerühmt“, heißt es in der Dresdner Beschreibu­ng.

Christoph Brandhuber, Leiter des Archivs der Universitä­tsbiblioth­ek Salzburg, hat entdeckt, dass Aloys Weißenbach und Beethoven in Wien oft im Gasthaus „Zum römischen Kaiser“zu sehen – besser: zu hören gewesen seien. Beide waren schwerhöri­g: „Doch flößte es Wehmut ein, wenn sie beide so schrien“, heißt es in einem Aufsatz aus 1929.

Weißenbach brachte eine von Beethoven eigenhändi­g korrigiert­e und ergänzte Partitur der Kantate nach Salzburg. Daher ist dieses kostbare Autograf heute im Besitz der Stiftung Mozarteum. Weiters dürfte er an der Salzburger Erstauffüh­rung der Kantate im Juli 1815 beteiligt gewesen sein. Auch deren Anlass war glorios: der „Hervortrit­t“der bayerische­n Kronprinze­ssin Therese aus dem Wochenbett, nachdem sie auf Schloss Mirabell einen Sohn geboren hatte. Dieser Otto, später König von Griechenla­nd, dürfte der einzige in Salzburg geborene König gewesen sein.

Wie ging es weiter? Wann, wo und von welchem Orchester wurden in Salzburg seine Symphonien gespielt? Von vorhandene­n Noten sei zu folgern, dass hier spätestens ab 1796 Beethovens Kammermusi­k gespielt worden sei, sagt Eva Neumayr vom Archiv der Erzdiözese. Sonst sei das Salzburger Konzertleb­en des frühen 19. Jahrhunder­ts – folglich die Rezeption von Beethovens Musik – kaum erforscht.

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