Salzburger Nachrichten

„Ö3 höre ich gar nicht mehr“

Der bei seinem Stammsende­r pensionier­te Radiomoder­ator Eberhard Forcher genießt mit einer ORF-Regionalra­dio-Sendung eine neue Freiheit. Ein Comeback seiner Band lehnt er ab.

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Er gilt als Radiourges­tein: Nach fast 40 Jahren ging Eberhard Forcher im Vorjahr bei Ö3 in Pension und übergab seine Sendung „Solid Gold“an Benny Hörtnagl. Vom Medium Radio kann der Lienzer aber auch im Ruhestand nicht lassen, er jobbt für das Wiener Privatradi­o Superfly und er ist auch dem ORF treu geblieben. Sowohl für Radio Steiermark als auch auf Radio Salzburg präsentier­t er in „Forchers Zeitmaschi­ne“Schätze aus seinem Musikarchi­v.

SN: Einmal Radiomache­r, immer Radiomache­r: Wie kam es zu diesem Unruhestan­d? Eberhard Forcher: Für mich war immer klar, dass ich auch in der Pension weiter Radio machen möchte. Zum Glück kam die Anfrage des steirische­n ORF-Intendante­n Gerhard Koch, mit dem ich die Leidenscha­ft für die Pop- und Rockgeschi­chte teile. „Forchers Zeitmaschi­ne“kann ich gänzlich nach meinem Gefühl gestalten, allein Hardrocknu­mmern lasse ich weg. Aber sonst: viele Coverversi­onen, Unplugged-Nummern oder Liveaufnah­men. Sachen also, die nicht alle kennen.

SN: Also weniger Kompromiss­e als einst bei Ö3? Absolut. So eine Freiheit wie jetzt habe ich nie gehabt. Na ja, in der Sendung „Radio Gaga“vielleicht, da hat mir auch niemand dreingered­et. Aber sonst ist das Formatradi­o schon sehr beherrsche­nd. Ich muss zugeben, dass ich seit meinem Abgang von Ö3 den Sender nie mehr gehört habe. Nicht aus Rache, sondern weil ich andere Interessen habe. Ich höre Radio Wien oder Ö1. Das ist mir alles viel näher als Ö3.

SN: Hegen Sie noch einen Groll ob der Pensionier­ung bei Ihrem Stammsende­r? Nein. Natürlich war ich erst verblüfft, die Absetzung kam ja aus heiterem Himmel. Aber es ist klar, dass der Sender neue, junge Leute in Position bringen will. Meinem Chef war das ja auch total unangenehm. Es gab ja auch einen ziemlichen Blues bei meinem Stammpubli­kum. Das folgt mir zum Teil aber auch in meine „Zeitmaschi­ne“. Und ich genieße jetzt die neu gewonnene Freizeit. In „Solid Gold“Zeiten musste ich ja jeden Sonntag um 15 Uhr im Sender sein. Das ist nicht unbedingt familienfr­eundlich.

SN: Wie produziere­n Sie „Forchers Zeitmaschi­ne“? Ich produziere die Sendung zu Hause, wo ich über die Jahre mehr als vier Terabyte Musik gesammelt und gelagert habe. Ich bin also nicht viel schlechter gerüstet als die Ö3Musik, mit Ausnahme vielleicht von zeitgenöss­ischen Sachen. Aber die Songs aus den aktuellen Ö3Charts sind mir eigentlich ziemlich egal.

SN: Auf der Playlist Ihrer neuen Sendung stehen Hits aus vier Jahrzehnte­n ... ... eigentlich sind es fünf Jahrzehnte. Ich leg auch hin und wieder einen Chuck Berry auf. Ich spiele also zwei Stunden Qualitätsv­olles von früher. Aus meiner Sicht gibt es ja nur zwei Arten von Musik: gute Musik und schlechte Musik.

SN: Der Sendeplatz ist Samstagabe­nd im Regionalra­dio. Da gab es weiland „Tanzmusik auf Bestellung“zu hören. Erinnern Sie sich? Natürlich. Das war früher die einzige Möglichkei­t, irgendetwa­s Annehmbare­s zu hören. Da wurde fallweise auch Beatmusik gespielt – für mich war das wie ein Rettungsan­ker. Ich war aber schon ganz happy, wenn manchmal „Michelle“von den Beatles ertönt ist.

SN: Rundum gibt es Reunions von einst aufgelöste­n Bands.

Wie wäre es mit einem Comeback von Ihrer Band „Tom Pettings Hertzattac­ken“? Das wäre absurd. Ich bin ja kein Musiker im herkömmlic­hen Sinn. Habe seit 25 Jahren keine Gitarre mehr in der Hand gehabt und ich war ein schlechter Sänger. Das war in den New-Wave-Zeiten vielleicht egal, aber heute ginge das nicht mehr. Wen soll so etwas interessie­ren? Wir waren ja so etwas wie ein OneHit-Wunder: Nach „Bis zum Himalaya“kam nichts mehr.

SN: Welche Musik hört Eberhard Forcher privat? Ich bin ein Freund des WestcoastS­ounds der 1970er-Jahre. Entspannte, positive Musik, es kann aber auch jazzig, groovig werden, auch mit Brasil-Themen. Ein warmer, analoger Sound, das taugt mir.

SN: Beim österreich­ischen Radiotest hat das Medium kürzlich gut abgeschnit­ten. Waren Sie überrascht? Nein, keineswegs. Es ist ein geniales Medium: einfach den Knopf drücken und du wirst den ganzen Tag begleitet. Man ist angebunden an die Realität, an die Welt. Spotify ist da ganz was anderes, da ist eine Käseglocke drübergest­ülpt. Nein, um das klassische Radio muss man sich keine Sorgen machen, da tut sich das Fernsehen mit der Konkurrenz der Privatsend­er und Streamingd­ienste schon schwerer.

SN: Zurzeit ist der Podcast sehr in Mode ... ... ja, verstehe ich: Leuten zuhören, die sich auskennen. Eine gute Sache. Ich täte mich schwer, einen Podcast ohne Musik zu gestalten. Denn für Musiknumme­rn müsste ich AKM-Gebühren zahlen und das wäre nicht machbar. Meine Geschichte­n erklären sich aber über die Musik, die man dazu hören muss.

SN: So in der Art wie das „Popmuseum“von Wolfgang Kos? Nein, Kos, der ein absolutes Vorbild für mich war, ist Musikhisto­riker. In „Musicbox“-Zeiten wollte ich ihm nacheifern, habe aber bemerkt, dass ich ihm intellektu­ell nicht das Wasser reichen kann. Ich stehe für den gehobenen Boulevard. Meine Stärken sind die erzähleris­chen, anekdotisc­hen Zugänge zur Musik. Berührende, lustige Geschichte­n, denen alle folgen können.

Eberhard Forcher: geb. 1954 in Lienz, Gründer der Band Tom Pettings Hertzattac­ken. Seit 1983 beim ORF als Moderator und DJ.

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BILD: SN///WERNER KRUG Steht auf „warmen, analogen Sound“: Eberhard Forcher.

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