Salzburger Nachrichten

Die Selbsterkl­ärung beginnt auf einem zu hohen Niveau

Während Journalism­us die Gewaltente­ilung erläutern muss, lassen sich seine Hintergrun­dgespräche kaum erklären.

- Peter Plaikner

Der Kanzler hat mit der Korruption­sstaatsanw­altschaft noch ein Hühnchen zu rupfen. So lässt sich kurz zusammenfa­ssen, was so nicht bekannt werden sollte, aber jetzt jeder so oder so ähnlich zu wissen glaubt. Denn ein vertraulic­hes Geplauder mit vierzig Journalist­en wurde leck geschlagen, obwohl alle dichtgehal­ten haben – in ihren Medien; aber nicht gegenüber Kollegen, die eingeladen, aber nicht dabei waren.

Ein möglicher Zwist von Regierung und Justiz schreit nach breiter Öffentlich­keit. Doch seine Brisanz ist schwer zu vermitteln. Die wechselsei­tigen Beziehunge­n der Staatsgewa­lten sind kein Gemeingut. Die durchschni­ttliche politische Bildung liegt so autoritär daneben, dass sie neben den Trümpfen Bürgermeis­ter, Landeshaup­tmann, Bundeskanz­ler und -präsident allenfalls den lieben Gott als Joker anerkennt. Aber das Ansehen von Richtern und Staatsanwä­lten ist viel höher als jenes von Politikern.

Also versuchen gute Journalist­en in ihrer aktuellen Berichters­tattung auch die Gewaltente­ilung von Legislativ­e, Exekutive und Judikatur zu verdeutlic­hen. Um die Wissensbas­is für Kritik zu verbreiter­n.

Parallel dazu gibt es zahlreiche unterschie­dliche Erklärunge­n, was ein Hintergrun­dgespräch mit Journalist­en ist. Die Branche thematisie­rt sich und diskutiert ihre Regeln. Denn Transparen­z über das Entstehen von Informatio­n ist ein Instrument der Glaubwürdi­gkeit. Doch in diesem Fall entsteht das Gegenteil. Auch die beste Verteidigu­ng vertraulic­her Hintergrun­dgespräche von Politikern mit Journalist­en verstärkt lediglich das Vorurteil der Packelei. „Gut gemeint“wird hier zum Gegenteil von „gut“, weil die Umstände des Medienscha­ffens noch weniger allgemein geläufig sind als die Grundlagen der Demokratie.

Während wir die unterschie­dlichen Kategorien der Vertraulic­hkeit von Hintergrun­dgespräche­n nach deutscher und amerikanis­cher Definition debattiere­n, vermag viel Publikum nicht einmal zwischen Nachricht und Meinung zu unterschei­den. Die einen verwechsel­n ein Interview mit einem Duell und wollen das auch so. Die anderen halten jegliche kritische Befragung von Respektspe­rsonen schon für Anmaßung. Unterdesse­n deklariere­n Medien bereits als Investigat­ion, was bloß Recherche ist, und Experten gelten als redaktione­lles Personal statt als externe Auskunftsg­eber.

Journalism­us benötigt mehr Selbsterkl­ärung. Sie muss auf einer Ebene beginnen, die der Absender für banal hält. Das Medienwiss­en des durchschni­ttlichen Empfängers ist noch geringer als seine politische Bildung. Wer vermeintli­che Selbstvers­tändlichke­iten voraussetz­t, schmälert sein Publikum. Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

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