Die Selbsterklärung beginnt auf einem zu hohen Niveau
Während Journalismus die Gewaltenteilung erläutern muss, lassen sich seine Hintergrundgespräche kaum erklären.
Der Kanzler hat mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft noch ein Hühnchen zu rupfen. So lässt sich kurz zusammenfassen, was so nicht bekannt werden sollte, aber jetzt jeder so oder so ähnlich zu wissen glaubt. Denn ein vertrauliches Geplauder mit vierzig Journalisten wurde leck geschlagen, obwohl alle dichtgehalten haben – in ihren Medien; aber nicht gegenüber Kollegen, die eingeladen, aber nicht dabei waren.
Ein möglicher Zwist von Regierung und Justiz schreit nach breiter Öffentlichkeit. Doch seine Brisanz ist schwer zu vermitteln. Die wechselseitigen Beziehungen der Staatsgewalten sind kein Gemeingut. Die durchschnittliche politische Bildung liegt so autoritär daneben, dass sie neben den Trümpfen Bürgermeister, Landeshauptmann, Bundeskanzler und -präsident allenfalls den lieben Gott als Joker anerkennt. Aber das Ansehen von Richtern und Staatsanwälten ist viel höher als jenes von Politikern.
Also versuchen gute Journalisten in ihrer aktuellen Berichterstattung auch die Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikatur zu verdeutlichen. Um die Wissensbasis für Kritik zu verbreitern.
Parallel dazu gibt es zahlreiche unterschiedliche Erklärungen, was ein Hintergrundgespräch mit Journalisten ist. Die Branche thematisiert sich und diskutiert ihre Regeln. Denn Transparenz über das Entstehen von Information ist ein Instrument der Glaubwürdigkeit. Doch in diesem Fall entsteht das Gegenteil. Auch die beste Verteidigung vertraulicher Hintergrundgespräche von Politikern mit Journalisten verstärkt lediglich das Vorurteil der Packelei. „Gut gemeint“wird hier zum Gegenteil von „gut“, weil die Umstände des Medienschaffens noch weniger allgemein geläufig sind als die Grundlagen der Demokratie.
Während wir die unterschiedlichen Kategorien der Vertraulichkeit von Hintergrundgesprächen nach deutscher und amerikanischer Definition debattieren, vermag viel Publikum nicht einmal zwischen Nachricht und Meinung zu unterscheiden. Die einen verwechseln ein Interview mit einem Duell und wollen das auch so. Die anderen halten jegliche kritische Befragung von Respektspersonen schon für Anmaßung. Unterdessen deklarieren Medien bereits als Investigation, was bloß Recherche ist, und Experten gelten als redaktionelles Personal statt als externe Auskunftsgeber.
Journalismus benötigt mehr Selbsterklärung. Sie muss auf einer Ebene beginnen, die der Absender für banal hält. Das Medienwissen des durchschnittlichen Empfängers ist noch geringer als seine politische Bildung. Wer vermeintliche Selbstverständlichkeiten voraussetzt, schmälert sein Publikum. Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.