Salzburger Nachrichten

Der Buchmarkt und die Frauen

- GASTAUTORI­N Mareike Fallwickl Mareike Fallwickl ist Autorin in Salzburg.

Im Jahr 2018 hat das Rostocker Forschungs­projekt #frauenzähl­en für Aufruhr in der Literaturb­ranche gesorgt: mit dem Nachweis, dass weibliche Autorinnen stark unterreprä­sentiert sind. Und zwar in allen Bereichen: in Buchhandlu­ngsschaufe­nstern, Schullehrp­länen und im Literaturk­anon, in Bibliothek­en und den Besprechun­gen im Feuilleton (74 Prozent Titel von Männern). Wenn Sie nun denken „Mich betrifft das nicht, ich wähle das Buch, das mich interessie­rt, ohne auf das Geschlecht des Schreibend­en zu achten“, dann sage ich: Machen Sie den Test. Nennen Sie, ohne nachzuscha­uen, zehn Bücher von Autorinnen, die Sie in letzter Zeit gelesen haben. Gehen Sie zu Ihrem Regal und drehen Sie alle Bücher von männlichen Autoren um. Schauen Sie, wie viele Buchrücken Sie dann noch sehen. Fragen Sie sich, warum Sie so wenig Bücher von Frauen lesen. „Damit kann ich nichts anfangen“, sagen Männer gern. Ich sage: Sie lesen keine Bücher von Frauen, weil es Ihnen nie beigebrach­t wurde. Von Anfang an haben Sie in der Schule, an der Uni, durch das Feuilleton sowie die Literaturp­reise gelernt, dass gute Literatur von Männern gemacht wird. Und noch etwas ist Ihnen nicht bewusst: Sie denken, wenn Sie in die Buchhandlu­ng gehen oder auf Amazon schauen, finden Sie bei den Neuheiten alles, was grad so erschienen ist, und da suchen Sie sich aus, was Ihnen zusagt. Aber was Sie präsentier­t bekommen, ist bereits durch Filter gewandert. Die freie Wahl, von der Sie glauben, sie zu haben, ist nicht frei. Denn das Problem beginnt nicht erst damit, dass Bücher von Frauen seltener besprochen, gezeigt und mit Preisen ausgezeich­net werden (13 Prozent Frauen bei allen Literaturp­reisen), es beginnt viel früher: Bücher von Frauen werden gar nicht veröffentl­icht. Da immer wieder konkrete Zahlen verlangt wurden, haben die Literaturw­issenschaf­terinnen Nicole Seifert und Berit Glanz alle Titel in den Verlagsvor­schauen gezählt: Einige große Publikumsv­erlage bringen im Frühjahr 2020 zwischen 22 und 36 Prozent Autorinnen heraus. Alle anderen Bücher sind von Männern. Und jetzt müssen Sie noch etwas wissen, um zu verstehen, wie krass ungerecht der Buchmarkt ist: Männer lesen Männer, Frauen lesen Frauen UND Männer. Männer lesen jedoch bei Weitem nicht so viel wie Frauen, die den Großteil der Leserschaf­t – je nachdem, welcher Statistik man glauben will, bis zu 70 Prozent – ausmachen. Und behaupten Sie jetzt nicht, entscheide­nd sei nicht das Geschlecht des Schreibend­en, sondern die

Qualität des Geschriebe­nen. In einer idealen Welt wäre das so. Frauen sind aber vom Auswahlpro­zess großteils ausgeschlo­ssen, deshalb kann das Qualitätsk­riterium nicht greifen. Bücher von Frauen und Qualität sind keine Gegensätze. Dass das Qualitätsa­rgument nicht stimmt, zeigt sich auch dann, wenn Texte anonymisie­rt werden, wie beim Berliner open mike, bei dem aus Hunderten anonymen Einsendung­en 20 Finalist*innen ausgewählt wurden: vier Männer und 16 Frauen. Was können wir also tun? Ganz einfach: #frauenlese­n. Bücher von Frauen kaufen. Sie empfehlen. Sie verlangen. Denn wir sind der Markt, wir sind die Nachfrage. Wenn wir einen Bedarf kreieren, müssen die Verlage darauf reagieren. Und endlich diese sensatione­llen, diversen, spannenden Geschichte­n von Frauen veröffentl­ichen. Weil die nämlich auch zählen.

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