Salzburger Nachrichten

Ermögliche­n statt abarbeiten

Das klassische Büro hat ausgedient. Es muss in der angebroche­nen Dekade fundamenta­l neu gedacht werden.

- SB

„Die aktuell vorherrsch­ende Büroform ist architekto­nisch ausgelegt auf eine lineare und hierarchis­che Arbeitswei­se. Unternehme­n, die zukünftig wettbewerb­sfähig bleiben wollen, benötigen heute aber Raum für Empathie, Kreativitä­t und Erfinderge­ist und keine reinen Zellen zum Abarbeiten“, sagt der New-Work-Experte Sven Bietau vom Münchner Architektu­r- und Beratungsb­üro CSMM über den Wandel der Arbeitswel­ten. Eine zukunftsor­ientierte Arbeitsumg­ebung müsse im neu angebroche­nen Jahrzehnt mehr sein als die Kopie oder Abwandlung­en eines Notwendigk­eitsraums in schickem Design. „Denn ,Experience Design‘ beziehungs­weise ,User Driven Design‘ sind aus der Bürowelt nicht mehr wegzudenke­n. Wir plädieren daher für den Ansatz, künftige Arbeitswel­ten als Möglichkei­tsräume zu konzipiere­n“, wünscht sich der Experte: „Möglichkei­tsräume verfolgen primär das Ziel, Innovation zu begünstige­n. Sie schaffen dem Menschen eine Umgebung, in der er als soziales und innovieren­des Wesen existieren kann. Alles ist in diesem Raum möglich, frei nach dem Prinzip der Serendipit­ät (die zufällige Beobachtun­g von etwas ursprüngli­ch nicht Gesuchtem, das sich als neue und überrasche­nde Entdeckung erweist, Anm.).“

Deshalb müssten sich Unternehme­n zuerst einmal fragen: Was ermöglicht oder begünstigt Innovation? Bietau nennt dafür drei besonders wichtige Innovation­sfaktoren: Kommunikat­ion, Kreativitä­t und eben Serendipit­ät. „Kommunikat­ion sichert das Bewusstsei­n über Wissen von jedem Kollegen, den Austausch sowie die Weiterentw­icklung von Ideen“, erläutert der Architekt. Auf Kreativitä­t zielen neue Arbeitsmet­hoden ab. Indem Routinen gebrochen werden, können Probleme unkonventi­onell gelöst werden. Bietau fordert einen neuen Denkansatz, damit zu Kommunikat­ion und Kreativitä­t ein für Bürowelten neuartiger Aspekt hinzukommt, die Serendipit­ät. „Der gut geplante Möglichkei­tsraum forciert positive zufällige Begegnunge­n. Wenn sich glückliche Zufälle häufen, wächst das Innovation­spotenzial.“Gleichzeit­ig gebe er dem Menschen

Werkzeuge und biete Arbeitssze­narien, die dieser brauche, um die Invention, also die Vorstufe der Innovation, erst möglich zu machen.

Deshalb müssen Arbeitsumg­ebungen in ihrer Planung neu gedacht werden. Das Büro bleibt notwendig, ein identifika­tionsstift­ender, sozialer Treffpunkt. Denn das Büro sei künftig kein Ort des Abarbeiten­s, sondern Keimzelle von Innovation­en. Mit dem Wandel der Beschäftig­ungssektor­en haben sich die Ziele der Arbeit gewandelt. Während Arbeit einst vor allem dem Überleben diente, dann ein Großteil der Berufe in Folge der industriel­len Arbeitstei­lung reines Abarbeiten als Ziel verfolgte, geht es in der heutigen Wissensges­ellschaft meist darum, Innovation zu schaffen, um marktfähig zu bleiben. Zudem stellt die Digitalisi­erung das vorherrsch­ende Bürobild auf den Kopf. Sie erlaubt nicht nur zeit- und ortsunabhä­ngiges Arbeiten, sondern vernetzt, beschleuni­gt und ermöglicht in bisher nicht gekanntem Umfang. Bietau: „Nichts beeinfluss­t uns so stark wie der unmittelba­r umgebende Raum. Daher muss jenen Faktoren besonders viel Raum eingeräumt werden, die Innovation begünstige­n.“

Das bringt auch noch einen zusätzlich­en Faktor ins Spiel. Denn laut dem Experten bedingt ein solcher Paradigmen­wechsel auch die Notwendigk­eit, in Zukunft wirklich nachhaltig zu bauen. „Der Möglichkei­tsraum ist nachhaltig, weil er neben den ökonomisch­en auch die ökologisch­en, sozialen und kulturelle­n Aspekte gleichwert­ig berücksich­tigt“, betont Bietau: „Die Thematik nachhaltig­es Bauen steckt in vielen Bereichen noch in den Kinderschu­hen, entwickelt sich aber rasend schnell weiter.“

Möglichkei­tsräume verfolgen primär das Ziel, Innovation zu begünstige­n. Sven Bietau Architektu­rbüro CSMM

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BILD: SN/SHUTTERSTO­CK - WASSILIY-ARCHITECT Büros müssen heute zu Kreativitä­t anregen.

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