Prüfungsaktive Studierende gesucht
Die Universitäten brauchen mehr prüfungsaktive Studierende – sonst gibt es weniger Geld. Das Ministerium will so die „Systemleistung“anheben, für die Universitäten ist es eine Herausforderung.
Die österreichischen Unis müssen ab dem aktuellen Studienjahr die Prüfungsaktivität ihrer Studenten sowie die Zahl der Abschlüsse steigern. Ansonsten droht eine Reduktion ihres Budgets. Das sehen die Leistungsvereinbarungen der meisten Hochschulen mit dem Bund vor, die Anfang des Jahres beschlossen wurden. Als prüfungsaktiv betrieben gilt ein Studium, wenn im Studienjahr Prüfungen im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten abgelegt wurden. Dieser Wert wurde laut Wissenschaftsministerium von anderen Grenzwerten bei Familien- und Studienbeihilfen abgeleitet und entspricht rund einem Viertel der Studiengeschwindigkeit, die man zum Abschluss in Mindeststudiendauer benötigt: Die Studienpläne sind für 60 absolvierte ECTS pro Studienjahr angelegt. In absoluten Zahlen muss etwa die Uni Wien die Zahl ihrer prüfungsaktiv betriebenen Studien von 50.800 auf 52.800 pro Jahr steigern. Graz muss von 18.600 auf 19.300 zulegen, Innsbruck von 17.800 auf 18.600, die Technische Universität (TU) Wien von 15.600 auf 16.200 und die Wirtschaftsuniversität (WU) Wien von 12.900 auf 13.500. Nicht bzw. kaum steigern müssen sich dagegen jene Unis, an denen es flächendeckende Zugangsbeschränkungen und schon heute eine hohe Prüfungsaktivität gibt. Das sind die Medizinischen Unis sowie die Kunstunis. Über alle Universitäten gerechnet soll die Zahl der prüfungsaktiven Studien von 178.800 im Jahr 2016/17 auf 185.200 im Studienjahr 2019/20 anwachsen. „Wir haben eine große Diskrepanz im System: Auf die rund 270.000 inskribierten
Studierenden an den Universitäten kommen nur rund 178.000 prüfungsaktive“, erklärt Elmar Pichl, Sektionschef für Wissenschaft und Forschung im Wissenschaftsministerium. „Das Thema Steigerung der Prüfungsaktivität gibt es bereits seit Langem – und es war in Form der Vergabe von Hochschulraumstrukturmitteln in bisherigen Leistungsvereinbarungen. Jetzt gibt es ein neues Instrument mit noch klarerem Ziel.“
Dieses Ziel sei eine verbesserte „Systemleistung“der Unis. Es gehe heute an Unis nicht mehr nur um Forschung, sondern gleichermaßen auch um Lehre. „Was wir sehen, ist, dass dadurch ein neues Bewusstsein für die Lehre entstanden ist“, freut sich Pichl. Die Unis würden sich nun auf allen Ebenen damit beschäftigen, die „Studierbarkeit“ihrer Fächer zu erhöhen. Diese ist auch in den Leistungsvereinbarungen ein wichtiger Aspekt, es geht hier unter anderem um richtig justierte Workloads, die Verteilung der ECTS, die Unterstützung während des Studiums und vieles mehr. „Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass es bis 2021 auch 1,3 Milliarden mehr für die Unis gibt. Hier sind vor allem auch neue Professuren enthalten, um Betreuungsrelationen zu verbessern. Und wir wissen aus Studien, dass es hier einen engen Zusammenhang mit der Prüfungsaktivität gibt.“
Werden die Universitäten ihre Ziele erreichen? „Wir sind zuversichtlich. Aber das Ziel, eine Steigerung der Prüfungsaktivität, ist natürlich erst mal genau das: etwas, das noch nicht erreicht wurde.“Wäre es leicht erreichbar, würde etwas falsch laufen. „Dennoch muss man sagen, dass die Steigerung mit rund zwei Prozent überschaubar angelegt wurde. Für uns ist es eine gesamtösterreichische Zielsetzung, die dann je nach Ausgangslage verteilt wurde. Für manche sind die Ziele ambitionierter, vor allem für große Unis, andere wollten sogar von sich aus höher gesteckte Ziele, wie die Uni Linz. Nicht steigern können sich zum Beispiel die Medizinunis, hier geht es darum, das Level zu halten.“Entscheidend sei, dass die Mittel jedenfalls bei den Unis landen, betont Pichl. „Wir behalten nichts ein. Wenn Ziele nicht erreicht werden, schauen wir aber noch mal darauf – und es kann zu einer Umverteilung der Mittel kommen.“
Die Universität Salzburg hat davor keine Angst. Sie liegt mit 63,1 Prozent prüfungsaktiver Studierender bereits heute über dem Österreich-Schnitt von 57,6 Prozent. Die Tendenz ist bereits seit einigen Jahren steigend, im Gegensatz zum bislang noch eher gleichbleibenden Österreich-Trend. Trotzdem setzt die Uni weiter Akzente. „Wir sind für die Steigerung – das neue Modell der Finanzierung anhand von konkreten, gut nachvollziehbaren Kennzahlen ist prinzipiell zu begrüßen“, sagt Erich Müller, bis Oktober 2019 Vizerektor für Lehre. Dass die Zahl der prüfungsaktiven Studierenden hier einen wesentlichen Platz einnehme, sei nachvollziehbar. „Denn die Kosten entstehen vor allem durch das Angebot, zum Beispiel durch Labore oder Bibliotheken. Dass es hierbei zu einer Differenzierung bei den Leistungsvereinbarungen gekommen ist, ist logisch.“Naturwissenschaften seien eben teurer als Geisteswissenschaften.
Nicht hilfreich für die Steigerung der Prüfungsaktivität sei die rückläufige Studierendenzahl von zirka zwei bis drei Prozent, sagt Müller. Denn gerade bei neuen Studierenden könnte besser angesetzt werden. Und weiterhin problematisch sei ein Teil der Studierenden, der sich inskribiere, ohne jemals prüfungsaktiv zu werden. Diese seien in der Praxis kaum zu motivieren, und es gebe auch keinen rechtlichen Hebel dafür.
Der frühere geschäftsführende Präsident der Universitätenkonferenz (uniko), Oliver Vitouch, bezieht in diesem Zusammenhang seit einiger Zeit verschärft Stellung. Bereits 2017 betonte er in der „Presse“, dass die Unis strengere Regeln für ihre Studierenden wollen – bis hin zum Rauswurf, wenn sie zu lang keine Prüfungen ablegen. Studierende könnten negative Prüfungen bis zu vier Mal wiederholen, beliebig viele Fächer inskribieren und jahrzehntelang keine Prüfungen ablegen, das sei „fast weltkulturerbeverdächtig“, schilderte Vitouch damals. „Studenten dürfen fast alles, und sie müssen fast gar nichts.“Das führe mitunter dazu, dass sie sich verzettelten, anstatt planvoll und konsequent zu studieren. Seine Vorstellung: „Nach einer gewissen Zeit der Inaktivität sollte eine Exmatrikulation erfolgen. Wenn jemand eine Regelstudiendauer lang prüfungsinaktiv bleibt, gibt es ein Problem.“
„Man muss jedenfalls differenziert vorgehen“, betont Erich Müller. „Wir stehen im Bereich Prüfungsaktivität im Vergleich besser da, weil wir es in den vergangenen Jahren geschafft haben, die Betreuungsrelationen enorm zu verbessern. Wir haben kein Studium mehr, das man als ,Massenstudium‘ bezeichnen müsste.“
Wichtig für die Steigerung der Prüfungsaktivität sei ein Maßnahmenbündel basierend auf empirischen Befunden, das bis auf die Studienfächer-Ebene gehe: „Wir haben dazu einen Katalog entwickelt. Weiters stellen wir allen Fachbereichen Daten zur Verfügung, um noch zielgerichteter verbessern zu können, Stichwort Studierbarkeit. Heute haben wir die Situation, dass sie mit großem Engagement versuchen, die Zahl der prüfungsaktiven Studierenden zu erhöhen.“
Es ist ein neues Bewusstsein für die Lehre entstanden. Elmar Pichl, Wissenschaftsministerium