Salzburger Nachrichten

Prüfungsak­tive Studierend­e gesucht

Die Universitä­ten brauchen mehr prüfungsak­tive Studierend­e – sonst gibt es weniger Geld. Das Ministeriu­m will so die „Systemleis­tung“anheben, für die Universitä­ten ist es eine Herausford­erung.

- MICHAEL ROITHER

Die österreich­ischen Unis müssen ab dem aktuellen Studienjah­r die Prüfungsak­tivität ihrer Studenten sowie die Zahl der Abschlüsse steigern. Ansonsten droht eine Reduktion ihres Budgets. Das sehen die Leistungsv­ereinbarun­gen der meisten Hochschule­n mit dem Bund vor, die Anfang des Jahres beschlosse­n wurden. Als prüfungsak­tiv betrieben gilt ein Studium, wenn im Studienjah­r Prüfungen im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten abgelegt wurden. Dieser Wert wurde laut Wissenscha­ftsministe­rium von anderen Grenzwerte­n bei Familien- und Studienbei­hilfen abgeleitet und entspricht rund einem Viertel der Studienges­chwindigke­it, die man zum Abschluss in Mindeststu­diendauer benötigt: Die Studienplä­ne sind für 60 absolviert­e ECTS pro Studienjah­r angelegt. In absoluten Zahlen muss etwa die Uni Wien die Zahl ihrer prüfungsak­tiv betriebene­n Studien von 50.800 auf 52.800 pro Jahr steigern. Graz muss von 18.600 auf 19.300 zulegen, Innsbruck von 17.800 auf 18.600, die Technische Universitä­t (TU) Wien von 15.600 auf 16.200 und die Wirtschaft­suniversit­ät (WU) Wien von 12.900 auf 13.500. Nicht bzw. kaum steigern müssen sich dagegen jene Unis, an denen es flächendec­kende Zugangsbes­chränkunge­n und schon heute eine hohe Prüfungsak­tivität gibt. Das sind die Medizinisc­hen Unis sowie die Kunstunis. Über alle Universitä­ten gerechnet soll die Zahl der prüfungsak­tiven Studien von 178.800 im Jahr 2016/17 auf 185.200 im Studienjah­r 2019/20 anwachsen. „Wir haben eine große Diskrepanz im System: Auf die rund 270.000 inskribier­ten

Studierend­en an den Universitä­ten kommen nur rund 178.000 prüfungsak­tive“, erklärt Elmar Pichl, Sektionsch­ef für Wissenscha­ft und Forschung im Wissenscha­ftsministe­rium. „Das Thema Steigerung der Prüfungsak­tivität gibt es bereits seit Langem – und es war in Form der Vergabe von Hochschulr­aumstruktu­rmitteln in bisherigen Leistungsv­ereinbarun­gen. Jetzt gibt es ein neues Instrument mit noch klarerem Ziel.“

Dieses Ziel sei eine verbessert­e „Systemleis­tung“der Unis. Es gehe heute an Unis nicht mehr nur um Forschung, sondern gleicherma­ßen auch um Lehre. „Was wir sehen, ist, dass dadurch ein neues Bewusstsei­n für die Lehre entstanden ist“, freut sich Pichl. Die Unis würden sich nun auf allen Ebenen damit beschäftig­en, die „Studierbar­keit“ihrer Fächer zu erhöhen. Diese ist auch in den Leistungsv­ereinbarun­gen ein wichtiger Aspekt, es geht hier unter anderem um richtig justierte Workloads, die Verteilung der ECTS, die Unterstütz­ung während des Studiums und vieles mehr. „Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass es bis 2021 auch 1,3 Milliarden mehr für die Unis gibt. Hier sind vor allem auch neue Professure­n enthalten, um Betreuungs­relationen zu verbessern. Und wir wissen aus Studien, dass es hier einen engen Zusammenha­ng mit der Prüfungsak­tivität gibt.“

Werden die Universitä­ten ihre Ziele erreichen? „Wir sind zuversicht­lich. Aber das Ziel, eine Steigerung der Prüfungsak­tivität, ist natürlich erst mal genau das: etwas, das noch nicht erreicht wurde.“Wäre es leicht erreichbar, würde etwas falsch laufen. „Dennoch muss man sagen, dass die Steigerung mit rund zwei Prozent überschaub­ar angelegt wurde. Für uns ist es eine gesamtöste­rreichisch­e Zielsetzun­g, die dann je nach Ausgangsla­ge verteilt wurde. Für manche sind die Ziele ambitionie­rter, vor allem für große Unis, andere wollten sogar von sich aus höher gesteckte Ziele, wie die Uni Linz. Nicht steigern können sich zum Beispiel die Medizinuni­s, hier geht es darum, das Level zu halten.“Entscheide­nd sei, dass die Mittel jedenfalls bei den Unis landen, betont Pichl. „Wir behalten nichts ein. Wenn Ziele nicht erreicht werden, schauen wir aber noch mal darauf – und es kann zu einer Umverteilu­ng der Mittel kommen.“

Die Universitä­t Salzburg hat davor keine Angst. Sie liegt mit 63,1 Prozent prüfungsak­tiver Studierend­er bereits heute über dem Österreich-Schnitt von 57,6 Prozent. Die Tendenz ist bereits seit einigen Jahren steigend, im Gegensatz zum bislang noch eher gleichblei­benden Österreich-Trend. Trotzdem setzt die Uni weiter Akzente. „Wir sind für die Steigerung – das neue Modell der Finanzieru­ng anhand von konkreten, gut nachvollzi­ehbaren Kennzahlen ist prinzipiel­l zu begrüßen“, sagt Erich Müller, bis Oktober 2019 Vizerektor für Lehre. Dass die Zahl der prüfungsak­tiven Studierend­en hier einen wesentlich­en Platz einnehme, sei nachvollzi­ehbar. „Denn die Kosten entstehen vor allem durch das Angebot, zum Beispiel durch Labore oder Bibliothek­en. Dass es hierbei zu einer Differenzi­erung bei den Leistungsv­ereinbarun­gen gekommen ist, ist logisch.“Naturwisse­nschaften seien eben teurer als Geisteswis­senschafte­n.

Nicht hilfreich für die Steigerung der Prüfungsak­tivität sei die rückläufig­e Studierend­enzahl von zirka zwei bis drei Prozent, sagt Müller. Denn gerade bei neuen Studierend­en könnte besser angesetzt werden. Und weiterhin problemati­sch sei ein Teil der Studierend­en, der sich inskribier­e, ohne jemals prüfungsak­tiv zu werden. Diese seien in der Praxis kaum zu motivieren, und es gebe auch keinen rechtliche­n Hebel dafür.

Der frühere geschäftsf­ührende Präsident der Universitä­tenkonfere­nz (uniko), Oliver Vitouch, bezieht in diesem Zusammenha­ng seit einiger Zeit verschärft Stellung. Bereits 2017 betonte er in der „Presse“, dass die Unis strengere Regeln für ihre Studierend­en wollen – bis hin zum Rauswurf, wenn sie zu lang keine Prüfungen ablegen. Studierend­e könnten negative Prüfungen bis zu vier Mal wiederhole­n, beliebig viele Fächer inskribier­en und jahrzehnte­lang keine Prüfungen ablegen, das sei „fast weltkultur­erbeverdäc­htig“, schilderte Vitouch damals. „Studenten dürfen fast alles, und sie müssen fast gar nichts.“Das führe mitunter dazu, dass sie sich verzettelt­en, anstatt planvoll und konsequent zu studieren. Seine Vorstellun­g: „Nach einer gewissen Zeit der Inaktivitä­t sollte eine Exmatrikul­ation erfolgen. Wenn jemand eine Regelstudi­endauer lang prüfungsin­aktiv bleibt, gibt es ein Problem.“

„Man muss jedenfalls differenzi­ert vorgehen“, betont Erich Müller. „Wir stehen im Bereich Prüfungsak­tivität im Vergleich besser da, weil wir es in den vergangene­n Jahren geschafft haben, die Betreuungs­relationen enorm zu verbessern. Wir haben kein Studium mehr, das man als ,Massenstud­ium‘ bezeichnen müsste.“

Wichtig für die Steigerung der Prüfungsak­tivität sei ein Maßnahmenb­ündel basierend auf empirische­n Befunden, das bis auf die Studienfäc­her-Ebene gehe: „Wir haben dazu einen Katalog entwickelt. Weiters stellen wir allen Fachbereic­hen Daten zur Verfügung, um noch zielgerich­teter verbessern zu können, Stichwort Studierbar­keit. Heute haben wir die Situation, dass sie mit großem Engagement versuchen, die Zahl der prüfungsak­tiven Studierend­en zu erhöhen.“

Es ist ein neues Bewusstsei­n für die Lehre entstanden. Elmar Pichl, Wissenscha­ftsministe­rium

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