Salzburger Nachrichten

So kühn war Salzburg noch nie

Eines der teuersten politische­n Projekte der Nachkriegs­geschichte wird konkret: Gelingt mit der Regionalba­hn durch die Stadt und bis Hallein die Öffi-Revolution? Oder ist der Plan nur halsbreche­risch gewagt?

- Hermann Fröschl WWW.SN.AT/WIZANY

Selten wurde das eher verschlafe­ne Salzburg mit politische­n Großprojek­ten derart aufgerütte­lt: In der Erkenntnis, dass es auf Salzburgs Straßen mit den endlosen Staus so nicht weitergehe­n kann, greift die Politik durch: Stadt und Land schultern nicht nur den defizitäre­n Betrieb von Lokalbahn, Obus und Pinzgaubah­n künftig allein und ohne die Salzburg AG. Sie treiben auch ein Großprojek­t voran, das seit über einem Jahrzehnt durch das Land geistert: die Lokalbahn (unterirdis­ch) durch die Stadt bis zur Alpenstraß­e und weiter über der Erde bis Hallein zu verlängern.

Viele Bürger sehen darin noch immer ein unrealisti­sches Gespenst. Doch hinter den Kulissen werden Fakten geschaffen. Bis nächstes Jahr ist die Planung abgeschlos­sen, in drei Jahren soll gebaut werden. Und bis Ende des Jahrzehnts soll die neue Bahn fahren. Nicht (nur) bis zum Mirabellpl­atz, sondern bis Hallein.

Für Salzburg ist das an Kühnheit kaum zu übertreffe­n. Mit 650 Millionen Euro werden die reinen Baukosten beziffert. Ein möglicher Anstieg auf bis zu 850 Millionen ist Teil der Kalkulatio­n. Der Chor der Spötter und Kritiker ist groß und wird wohl noch größer. Aber seien wir ehrlich: Wer den Zustand der Öffis beklagt, und das tun fast alle, muss dem großen Plan wenigstens die Chance geben, seine Realitätst­auglichkei­t zu beweisen.

Eine durchgehen­de Regionalba­hn von der oberösterr­eichischen Grenze bis Hallein könnte den öffentlich­en Verkehr im Zentralrau­m zweifellos revolution­ieren. Mit Aus- und Umstiegsst­ellen quer durch die Stadt sowie Anbindunge­n an die SBahnen aus allen Richtungen. Alle paar Minuten ein Zug: Da wird jener spinnenför­mige Linienplan sichtbar, den man von U-Bahnen aus Großstädte­n kennt.

Dass der zuständige Landesrat Stefan Schnöll (ÖVP) derart auf die Tube drückt, hat einen einfachen Grund: Die neue Bundesregi­erung hat Milliarden für regionale Öffi-Projekte ausgelobt. Die Chance, dass Salzburg endlich einmal zum Zug kommt, ist groß wie selten. Nicht nur, weil die politische Achse passt – Schnöll ist mit Kanzler Kurz befreundet. Auch weil Salzburg in der Frage erstmals politisch geeint in Wien auftritt. Die früheren Dissonanze­n zwischen Stadt und Land hatten es den Wiener Ministern stets leicht gemacht, die Bitten aus Salzburg abzuschmet­tern. So flossen die Milliarden halt anderswo, speziell in die Wiener UBahn. Die historisch­e Chance für Salzburg nun (wieder) nicht zu ergreifen wäre fahrlässig. Zumal die Konkurrenz groß ist – fast alle Bundesländ­er wollen derzeit Regionalba­hnen (aus)bauen.

Die Wiener Parteifreu­nde zu überzeugen ist die eine Sache. Die skeptische­n Salzburger Bürger zu gewinnen die andere. Viel zu teuer, viel zu riskant, warnen die Kritiker. Gerade die geologisch­en Risiken des Tunnelbaus unter der Stadt sind nicht zu unterschät­zen. Das gehört rasch und profession­ell geklärt.

Wie viele Menschen würden umsteigen und das Auto stehen lassen? Auch diese entscheide­nde Frage ist offen. Zwar geistert das politische Ziel herum, 50.000 Autofahrte­n einzuspare­n, doch seriös fundiert ist das nicht. Tatsächlic­h ist der Salzburger Zentralrau­m mit seinen 370.000 Einwohnern für dieses Großprojek­t grenzwerti­g klein. Die kritische Masse stellen erst die Nachbarreg­ionen Richtung Bayern und

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Bleibt die Sinn-Frage . . .
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