Die Welt steuert ein neues Steuersystem an
Wenn schon die Besteuerten nach einer Wende rufen, sollte man sie erhören.
In die schon geraume Zeit währende Debatte über eine Neuordnung des internationalen Steuersystems kommt Bewegung. Und sie kommt von einer Seite, von der man es nicht unbedingt erwartet hätte. Am Freitag sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei der Münchner Sicherheitskonferenz, dass er die Reformpläne der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterstütze. „Und wir akzeptieren, dass dies ein neues Regelwerk bedeuten könnte und wir künftig mehr Steuern bezahlen, und dies in unterschiedlichen Ländern.“Ähnlich wie Zuckerberg tönte Apple-Vorstandschef Tim Cook vor wenigen Wochen bei einem Besuch in Irland. Also just in dem Land, das dem Computerriesen über Jahrzehnte ermöglichte, die Steuer auf Milliardengewinne zu minimieren. Jeder wisse, sagte der Apple-Chef, „dass das globale System der Unternehmensbesteuerung überarbeitet werden muss“. Er sei der Letzte, der behaupten würde, dass das derzeitige System perfekt sei. Er sei aber optimistisch und hoffe, dass die OECD einen Weg finden werde.
Damit haben bereits zwei Spitzenvertreter jener Konzerne, die besonders im Fokus stehen, öffentlich Verständnis für eine Reform der Gewinnbesteuerung bekundet. Das wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Da haben Offshore-Leaks, Panama und Paradise Papers Wirkung gezeigt. Dennoch ist Vorsicht geboten, wenn Konzernchefs förmlich darum betteln, höher besteuert zu werden.
Aber den Bossen in den Führungsetagen der Konzerne dämmert, dass sie sich dem Druck der Öffentlichkeit und der Politik nicht mehr widersetzen können. Den Regierenden wird immer öfter schmerzlich bewusst, dass in einer globalisierten Wirtschaft der Fiskus auf verlorenem Boden steht, wenn seine Macht an der Staatsgrenze endet. Nur deshalb ist man bereit, von dem seit fast hundert Jahren bestehenden Prinzip abzugehen, dass Gewinne dort besteuert werden, wo Unternehmen ihren Sitz haben. Die Initiative geht dabei von Europa aus. Dass die Pläne dem US-Präsidenten sauer aufstoßen, ist ihm nicht zu verdenken. Die Debatte um die Abkehr vom Sitzlandprinzip bei der Körperschaftsteuer fände so nicht statt, wenn es in Europa ebenbürtige Konkurrenten zu Amazon, Apple, Facebook oder Google gäbe. Aber dieses Rennen ist gelaufen. Man kann andererseits nicht leugnen, dass es in der Digitalökonomie einen Trend zur Bildung von Oligopolen gibt, in dem eine Handvoll Unternehmen, wenn nicht gar nur ein einziges, ganze Branchen dominieren. Die Situation erinnert an die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als es in den USA Firmenkonglomerate gab, deren Allmacht nur durch deren Zerschlagung gebrochen werden konnte.
Dass die Welt jetzt umsteuern will, hat auch damit zu tun, dass in den Industriestaaten das Geld knapp wird, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bestreiten – ausgelöst durch Veränderungen in der Gesellschaft und der Umwelt. Die Menschen werden immer älter, aber die notwendige Anhebung des Pensionsalters hält damit nicht Schritt. Das bringt Länder mit beitragsfinanzierten Systemen unter Druck. Zweiter Treiber ist der Klimaschutz, der enorm hohe Investitionen erfordern wird. Da klingen die 100 Mrd. Dollar, die die Staaten laut OECD pro Jahr über eine Mindest-Körperschaftsteuer einnehmen könnten, verlockend. Ob wir Zeiten entgegengehen, in denen Benjamin Franklins Worte, wonach im Leben nichts sicher sei außer der Tod und die Steuern, uneingeschränkt für Großkonzerne gilt, ist offen. À la longue führt daran wohl kein Weg vorbei.