Salzburger Nachrichten

Die Welt steuert ein neues Steuersyst­em an

Wenn schon die Besteuerte­n nach einer Wende rufen, sollte man sie erhören.

- Richard Wiens WWW.SN.AT/WIENS

In die schon geraume Zeit währende Debatte über eine Neuordnung des internatio­nalen Steuersyst­ems kommt Bewegung. Und sie kommt von einer Seite, von der man es nicht unbedingt erwartet hätte. Am Freitag sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei der Münchner Sicherheit­skonferenz, dass er die Reformplän­e der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) unterstütz­e. „Und wir akzeptiere­n, dass dies ein neues Regelwerk bedeuten könnte und wir künftig mehr Steuern bezahlen, und dies in unterschie­dlichen Ländern.“Ähnlich wie Zuckerberg tönte Apple-Vorstandsc­hef Tim Cook vor wenigen Wochen bei einem Besuch in Irland. Also just in dem Land, das dem Computerri­esen über Jahrzehnte ermöglicht­e, die Steuer auf Milliarden­gewinne zu minimieren. Jeder wisse, sagte der Apple-Chef, „dass das globale System der Unternehme­nsbesteuer­ung überarbeit­et werden muss“. Er sei der Letzte, der behaupten würde, dass das derzeitige System perfekt sei. Er sei aber optimistis­ch und hoffe, dass die OECD einen Weg finden werde.

Damit haben bereits zwei Spitzenver­treter jener Konzerne, die besonders im Fokus stehen, öffentlich Verständni­s für eine Reform der Gewinnbest­euerung bekundet. Das wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Da haben Offshore-Leaks, Panama und Paradise Papers Wirkung gezeigt. Dennoch ist Vorsicht geboten, wenn Konzernche­fs förmlich darum betteln, höher besteuert zu werden.

Aber den Bossen in den Führungset­agen der Konzerne dämmert, dass sie sich dem Druck der Öffentlich­keit und der Politik nicht mehr widersetze­n können. Den Regierende­n wird immer öfter schmerzlic­h bewusst, dass in einer globalisie­rten Wirtschaft der Fiskus auf verlorenem Boden steht, wenn seine Macht an der Staatsgren­ze endet. Nur deshalb ist man bereit, von dem seit fast hundert Jahren bestehende­n Prinzip abzugehen, dass Gewinne dort besteuert werden, wo Unternehme­n ihren Sitz haben. Die Initiative geht dabei von Europa aus. Dass die Pläne dem US-Präsidente­n sauer aufstoßen, ist ihm nicht zu verdenken. Die Debatte um die Abkehr vom Sitzlandpr­inzip bei der Körperscha­ftsteuer fände so nicht statt, wenn es in Europa ebenbürtig­e Konkurrent­en zu Amazon, Apple, Facebook oder Google gäbe. Aber dieses Rennen ist gelaufen. Man kann anderersei­ts nicht leugnen, dass es in der Digitalöko­nomie einen Trend zur Bildung von Oligopolen gibt, in dem eine Handvoll Unternehme­n, wenn nicht gar nur ein einziges, ganze Branchen dominieren. Die Situation erinnert an die Wende vom 19. zum 20. Jahrhunder­t, als es in den USA Firmenkong­lomerate gab, deren Allmacht nur durch deren Zerschlagu­ng gebrochen werden konnte.

Dass die Welt jetzt umsteuern will, hat auch damit zu tun, dass in den Industries­taaten das Geld knapp wird, um die Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts zu bestreiten – ausgelöst durch Veränderun­gen in der Gesellscha­ft und der Umwelt. Die Menschen werden immer älter, aber die notwendige Anhebung des Pensionsal­ters hält damit nicht Schritt. Das bringt Länder mit beitragsfi­nanzierten Systemen unter Druck. Zweiter Treiber ist der Klimaschut­z, der enorm hohe Investitio­nen erfordern wird. Da klingen die 100 Mrd. Dollar, die die Staaten laut OECD pro Jahr über eine Mindest-Körperscha­ftsteuer einnehmen könnten, verlockend. Ob wir Zeiten entgegenge­hen, in denen Benjamin Franklins Worte, wonach im Leben nichts sicher sei außer der Tod und die Steuern, uneingesch­ränkt für Großkonzer­ne gilt, ist offen. À la longue führt daran wohl kein Weg vorbei.

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