Strahlendes Wundermittel?
Das Ehepaar Marie und Pierre Curie forschte zur Radioaktivität und entdeckte 1898 die Elemente Polonium und Radium; Letzteres – treffend „das Strahlende“genannt – faszinierte nicht nur die Welt der Wissenschaft, sondern löste einen Hype aus: Im frühen 20. Jahrhundert wurde es als Allheilmittel gefeiert, das so ziemlich alles kurieren konnte, von der Arthritis über Potenzstörungen bis hin zum Krebs. Kleinste Spuren wurden Tees und Kosmetikartikeln beigefügt, auch als Bestandteil von Badesalzen sollte es wirken. „Curie-Haarwasser“sollte gegen Haarausfall schützen, radiumhältige Zahnpaste die Zähne erhalten und strahlend weiß machen. Man mischte es zudem Düngemitteln bei, wovon man sich doppelte Ernteerträge versprach.
Bis 1931 wurde radioaktives Trinkwasser der Marke „Radithor“als „Heilung für lebende Tote“vermarktet. Auch der US-Industrielle Ebenezer McBurney Byers schwor darauf, trank Unmengen davon und starb qualvoll an Kieferkrebs. Denn seit den 1920er-Jahren wurde zunehmend klar, dass radioaktives Radium in höheren Dosen alles andere als gesund ist. Das zeigt auch das Schicksal der sogenannten Radium Girls, Fabrikarbeiterinnen in den USA, die Zifferblätter von Uhren mit radioaktiver Leuchtfarbe bemalten; viele zogen sich – da sie die Pinsel ableckten, um sie zu spitzen – unwissentlich eine Radiumvergiftung zu und erkrankten an Zungen- und Lippentumoren u. Ä. Einige Arbeiterinnen klagten; der Prozess endete 1928 mit einem Vergleich, führte aber dazu, die Schutzvorkehrungen in der Industrie zu verbessern. Alexandra Bleyer