Meer und mehr für alle
Unterwegs mit der Motoryacht in Dalmatien. Ein Familienerlebnis: viel Kultur für die Großen, viele Badestopps für die Kleinen. Und umgekehrt.
Lenja kennt Schiffe aller Größen. Die 13-Jährige ist ein Kind der norddeutschen Küste, wo die Luft immer ein bisschen nach Salz schmeckt und das Meer zum täglichen Leben gehört. Aber als Lenja die Kabinentür öffnet, entfährt ihr ein verzücktes: „Ist das mega!!!“Echtes Yachtfeeling, hier im Unterdeck des kleinen Kreuzfahrers. Uff, die erste Hürde ist genommen, das Kind ist glücklich. Sieben Tage lang wird jetzt die Motoryacht mit Lenja und weiteren 39 Passagieren durch die Inselwelt Dalmatiens tuckern. Von Trogir aus führt die Reise nach Norden bis nach Zadar, von dort aus zurück nach Split, ehe Kapitän, Matrosen und Urlauber wieder in den Hafen von Trogir einlaufen.
„MY Relax“heißt das hübsche Schiffchen, warum, das wird schon beim ersten Badestopp klar. Vor ein paar Seemeilen erst hat das Schiff unter dem Kommando des jungen Kapitäns Karlo die Insel Vela Sestrica mit ihrem malerischen Leuchtturm Tajer passiert, der hier hoch auf seiner Insel mitten in den Kornaten thront. Das Schiff zieht so nahe an der Insel vorbei, dass man die in den Pinien zirpenden Grillen sogar an Bord hört. Dann lässt Käpt’n Karlo Anker werfen, und das Schiff macht unweit von Piškela in einer der zahllosen, einsamen Buchten fest, die die dalmatinische Küste schmücken. Mit einem vielfachen Platsch gehen Mann und Maus von Bord, genauer gesagt von der breiten Badeplattform am Heck des Schiffes, mitten ins glasklare, türkisfarbene Wasser. Dort lassen sich – ausgerüstet mit Maske, Schnorchel und Flossen – die mediterranen Schönheiten über und unter Wasser genießen. Ein Schauspiel, das sich von nun an jeden Tag zwei Mal wiederholen wird, denn die Badepausen sind fester Bestandteil des Reiseprogramms.
„Am letzten Tag der Weltschöpfung wollte Gott seine Tat krönen und schuf so die Kornaten, Tränen, Sterne und Seufzer ausstreuend.“So schrieb der Ire George Bernard Shaw. Die Kornaten bestehen aus 120 bis 150 Inseln – je nachdem, ob man größere Felsen dazuzählt. Der 1980 gegründete Nationalpark im südlichen Teil des Archipels besteht aus 89 Inseln, meist recht karg bewachsen, ohne Wasserlauf, ohne Quelle. Reizvoll sind sie trotzdem, mit ihren Steinmäuerchen und vereinzelten, kümmerlichen Kiefern. Doch es sind die steil zum Meer abfallenden Kalksteinfelsen, die die Einwohner „Kronen“nennen, die letztlich der Inselgruppe den Namen gaben: Kornati, die Gekrönten.
Nach gut zwei Stunden lässt Kapitän Karlo den Anker wieder lichten, seine Matrosen lösen die dicken Taue von einem der Felsen an Land, dann geht die Reise weiter. Diesen Teil der Adria kennt der junge Kapitän wie andere ihren Vorgarten, die Kreuzfahrten sind sozusagen Familiensache. Schon sein Großvater Tomislav tuckerte hier auf einem Holzboot mit Touristen, sein Vater Arsen baute das Geschäft aus. Heute kreuzen für ihn vier hochmoderne Kreuzfahrtschiffe, die Kapitäne sind er selbst und seine drei Söhne, Karlo, Paško und Roko. An Bord der „Relax“ist übrigens auch ein weiterer Arsen an Bord, Karlos fünfjähriger Sohn. Mit dem ganzen Selbstbewusstsein eines Nachwuchskapitäns geht der Knirps der Crew spontan auch mal als Hilfsmatrose zur Hand. Früh übt sich ...
Die Häfen auf der Route zeigen ein buntes Bild dessen, was Dalmatien zu bieten hat. Nicht alles muss dem Gast gefallen, das Städtchen Vodice etwa glänzt im Hochsommer vor allem als kommerziell überladenes Touristennest, laut und voller Krimskrams „made in China“. Charmantes Gegenstück: Šibenik. Schon die Einfahrt ist pittoresk, ein schmaler, felsiger Durchlass führt in den perfekt geschützten Hafen, von dem sich die Stadt den Hügel hinaufzieht. Von dem steinernen Kai sind es nur wenige Schritte in die verträumte Altstadt mit ihren alten Pflastersteinen, in den engen, schattigen Gässchen werden Souvenirjäger mit Anspruch auch endlich fündig: individuell und witzig bedruckte T-Shirts, Kunstdrucke oder handgenähte Uhrbänder aus Leder. Und wer möchte, findet schnell ein Plätzchen für ein kühles Bierchen.
Von Šibenik tuckert das Schiff die enge, kurvenreiche Mündung des Krka-Flusses aufwärts, unter der großen Brücke durch, links und rechts liegen Muschelfarmen, darüber rund und glatt gewaschene Felsen und grüne Büsche. Noch ein paar Windungen, dann beginnt der Nationalpark Krka. Hier steigt man um auf eines der kleineren Ausflugsschiffe, nach einer halben Stunde Fahrt sind die Wasserfälle erreicht, unter denen Lenja sofort ein Bad der Kategorie „Unvergesslich“nimmt – und sich nicht daran stört, dass etwa hundert andere Badegäste gerade dasselbe tun.
Auch die beiden Pole dieser Reise – Zadar im Norden und Split im Süden – sind fraglos einen längeren Spaziergang wert. Von Zadars Meeresorgel, wo durch Röhren an der Kaimauer die Wellen Musik machen, bis zum gigantischen Palast in Split, der seit 1700 Jahren bewohnt wird und in dessen Schlagschatten heute Bars, Cafés und Restaurants auf Gäste warten. Und natürlich muss der Startund-Ziel-Punkt der Reise ausführlich erkundet werden. Trogir, Dalmatiens älteste Stadt und seit 1997 UNESCO-Erbe, war einst eine griechische Siedlung, später haben die Venezianer die Stadt zu einer künstlichen Insel ausgebaut und als Bollwerk gegen die Osmanen befestigt. Eine historische Spurensuche also, Trogir gilt als der besterhaltene romanisch-gotische Komplex Osteuropas. Herausragend – und das ist ganz wörtlich zu nehmen – sind hierbei wohl die St.-Laurentius-Kathedrale aus dem 13. und die Festung Kamerlengo aus dem 15. Jahrhundert. Und sogar Filmfreunde kommen auf ihre Kosten. Für „Winnetou III“diente Trogir als Ersatz für die Stadt Santa Fé, und im Kloster St. Dominik wurden Szenen von „Game of Thrones“gedreht, der Kreuzgang des Klosters diente dabei als Garten der Stadt Qarth. In all dem Trubel kommt plötzlich Sehnsucht auf: nach dem kleinen Wanderweg hinter den Krka-Wasserfällen – Lenja war im Wasser geblieben –, wo man unverhofft schon nach wenigen Minuten mit sich und der einzigartigen Natur allein war. Und plötzlich Dalmatiens schönste Seite für ein paar Augenblicke ganz exklusiv für sich hatte.