Wie die Kraft der Gedanken unsere Gesundheit beeinflusst
Es gibt immer mehr wissenschaftliche Belege, dass wir mit unserem Denken die Gesundheit positiv beeinflussen können. Noch wird das oft in ein esoterisches Eck gestellt.
Es gibt immer mehr wissenschaftliche Belege, dass Menschen mit ihrem Denken die Gesundheit positiv beeinflussen können. Marcus Täuber ist Neurobiologe, Lehrbeauftragter an der Uni Wien und der DonauUniversität Krems sowie Mentaltrainer. Im Interview mit den SN erklärt er, wie sich positive und negative Gedanken auf den ganzen Körper auswirken können, warum die mentalen Kräfte in der Medizin unterschätzt sind und oft in ein esoterisches Eck gestellt werden. Und: Dass ein hohes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl das Leben verlängern können.
Marcus Täuber ist Neurobiologie, Lehrbeauftragter an der Uni Wien und der Donau-Universität Krems sowie Mentaltrainer. In seinem jüngsten Buch „Gedanken als Medizin“und im Interview mit den SN erklärt er, wie sich Gedanken auf den ganzen Körper auswirken können.
SN: Werden die mentalen Kräfte des Menschen in der Medizin unterschätzt? Marcus Täuber: Gedanken werden stark unterschätzt und oft in ein esoterisches Eck gestellt. Viele denken, dass Gedanken nichts Greifbares sind, wie Luft oder etwas Spukhaftes. Dabei vergisst man, dass Nervenzellaktivitäten dahinterstecken, die die Physiologie im ganzen Körper beeinflussen.
SN: Wie funktioniert das genau? Stark beeinflusst werden die Immunabwehr, Entzündungsreaktionen, Hormone und die glatte Muskulatur wie auch die Skelettmuskulatur.
Nehmen wir als Beispiel die Hormone und ein medizinisches Experiment dazu: Bei Versuchspersonen, die einen Milchshake trinken und glauben, er ist hochkalorisch, wird das Hungerhormon, das Ghrelin, deutlich stärker gesenkt als in einer Vergleichsgruppe, die den gleichen Shake trinkt, aber von einem Diätmilchshake ausgeht.
Und so gibt es viele Beispiele: Zimmermädchen, die glauben, sie machen beim Bettenmachen Sport und das sei gesund, verlieren nach einem Monat ein Kilo Gewicht und der systolische Blutdruck sinkt um zehn Punkte.
Das belegt, dass innere Überzeugungen und Gedanken sehr spezifisch wirken.
SN: Müsste sich die Medizin viel stärker mit Placeboeffekten beschäftigen? Absolut, eine Zeit lang galt Placebo als eine Störgröße. Die Patienten bilden sich halt etwas ein. Das Medikament muss in seiner Wirkung besser sein als die Placebogruppe. Nachdem man dann gemessen hat, dass dahinter eine echte Veränderung steckt, glaubte man, das beruhe auf Entspannung. Aber die Ergebnisse mit Ghrelin und dem Zimmermädchen zeigen, dass diese Veränderungen spezifisch sind – also weder Einbildung noch Entspannung. Das Gehirn versucht, im Körper das umzusetzen, was es sich gerade vorstellt.
SN: Gibt es ähnliche Belege auch für die Noceboeffekte, also die Auswirkungen negativer Gedanken? Da gibt es noch sehr wenig. Man weiß aber zum Beispiel, wenn der Arzt Patienten über Nebenwirkungen aufklärt, dass die Nebenwirkungsrate steigt. Zu den Placeboeffekten gibt es inzwischen sehr viele Studien.
SN: Reicht es nun, einfach positiv zu denken? Das positive Denken ist eigentlich ein Mythos. Aus den Nonnen-Studien weiß man, dass das richtige Denken sich auf die Lebenserwartung auswirkt. Der Unterschied ist so stark wie zwischen Nichtraucher und Kettenraucher. Das ist aber nicht das positive Denken, wie man das vor ein paar Jahren noch geglaubt hat. Wenn man sich das in den Tagebüchern der Nonnen anschaut, ist der Unterschied die sogenannten Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Je mehr ich glaube, dass ich der Welt nicht ausgeliefert bin, sondern mein Leben selbst gestalten kann, dass alles einen Sinn hat, ich eingebettet bin in etwas Größerem, umso besser ist das für die Lebenserwartung. Das ist nicht das klassische positive Denken, dass alles gut wird, sondern es ist eher das Gefühl, alles hat einen Sinn und ich habe Einfluss darauf.
SN: Wie weit geht die Kraft der Gedanken, wo sind die Grenzen? Kann man eine Krebserkrankung beeinflussen? Bei Krebs gibt es zu wenige gesicherte Daten, um zu sagen, dass man den Verlauf der Erkrankung oder die Lebenserwartung durch Gedanken beeinflussen kann. Es wird bei der Krebsentstehung auch der Faktor Stress überschätzt. Die Wissenschaft ist sich da sehr uneins und kann das so nicht unterstützen.
Was man aber sagen kann: Die Lebensqualität steigt, wenn man als Krebspatient mentales Training macht, wenn man visualisiert und Entspannungsübungen macht. Dass zum Beispiel die Nebenwirkungen einer Chemotherapie gesenkt werden.
Wo die Grenzen wirklich liegen, ist derzeit aber schwer zu sagen.
SN: Was kann jeder im Alltag tun, um seinen Körper, sein Immunsystem mental positiv zu beeinflussen? Das Immunsystem reagiert sehr empfindlich auf Stress und umgekehrt auf Entspannung. Das Immunsystem hat im Prinzip zwei Anteile:
Das eine sind Zellen, die andere Zellen fressen. Das ist die Immunabwehr gegen Bakterien, Viren oder Krebszellen. Die zweite Gruppe der Helferzellen sind die Antikörper, die Antigene angreifen. Unter Stress wird die Balance zwischen diesen Helferzellen gestört. Das öffnet Krankheiten Tür und Tor.
Durch echte, tiefe Entspannung, wie Mediation und positive Bilder, kann man dieses Gleichgewicht wiederherstellen.
SN: Also Methoden zur Stressbewältigung sind für die Gesundheit elementar? Genau. Wobei damit nicht das Chillen auf dem Sofa gemeint ist, sondern moderate Bewegung in der Natur zum Beispiel, Meditation, tiefe Entspannungsübungen.
„Die Einstellung zu Stress ist wesentlich.“
Marcus Täuber, Neurobiologe
SN: Muss man aber nicht auch zwischen positivem Stress, der für Leistung wichtig ist, und negativem Stress unterscheiden? Aus der Stressforschung weiß man, dass die Einstellung zu Stress wesentlich ist. Also wenn ich sehr viel Stress habe und glaube, er ist schädlich, wirkt sich das negativ aus. Aber wenn ich glaube, der Stress ist positiv oder zumindest nicht schädlich, hat das keinen oder keinen so großen negativen Einfluss.
SN: Wenn Sie eine goldene Regel formulieren müssten: Wie würde sie lauten? Ich würde drei Schritte vorschlagen: Erstens die Entspannung, am besten durch Meditation. Zweitens kann man mit inneren Bildern arbeiten, sich zum Beispiel eine Heilung vorstellen. Drittens kann man die Selbstwirksamkeitsüberzeugung fördern, indem man an seinem Selbstbewusstsein, an seinem Selbstwert arbeitet. Wer bin ich? Was sind meine Werte? Was ist mir wichtig? Und für sich einen Weg findet, wo das Leben und die Welt einen Sinn hat. Ob religiös oder säkular, ist hier nicht so wichtig.