Salzburger Nachrichten

Der rechte Terror ist eine verkannte Gefahr

Politische­r Wahn führt zu mörderisch­er Gewalt. Geistige Brandstift­er befeuern rechten Terror. Aus Worten werden Waffen.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Zu denken ist jetzt zuallerers­t an die unschuldig­en Menschen, die in der hessischen Stadt Hanau ermordet worden sind, und an das Unglück, das dies für deren Familien bedeutet. Nur Abscheu und kein weiteres Detail-Interesse gelten dem Wahnsinnig­en, der, auf der Basis zusammenge­klaubter Versatzstü­cke von Verschwöru­ngstheorie­n und angetriebe­n von rassistisc­hem Hass auf muslimisch­e Migranten, das Verbrechen verübt hat. Danach aber ist drittens eine Analyse dessen vonnöten, was hinter der furchtbare­n Nachricht steht. Die Lage ist klar zu benennen.

1. Im demokratis­chen Deutschlan­d von heute ist rechter Terror zu einer realen Gefahr geworden. Die Sicherheit­sbehörden zählen inzwischen Tausende gewaltbere­ite Rechtsextr­emisten.

2. Diese Umtriebe kommen nicht aus dem Nichts. Schon in den 1990er-Jahren haben Brandansch­läge auf Asylbewerb­er-Unterkünft­e einen Protest der Zivilgesel­lschaft („Aufstand der Anständige­n“) ausgelöst. Dennoch wurde die rechtsextr­eme Gefahr verkannt, verharmlos­t und vernachläs­sigt. So konnte die Terrorzell­e NSU über Jahre hinweg eine Blutspur durch die Republik ziehen. Politik, Polizei und Justiz haben es versäumt, den Rechtsextr­emisten im Sinne der Maxime „Wehret den Anfängen“mit aller Entschiede­nheit entgegenzu­treten.

3. Rechtsextr­eme Gewaltakte häufen sich. Mord an einem Politiker in Kassel, Anschlag auf die Synagoge in Halle, jetzt die Bluttat in Hanau – drei Mal in einem Dreivierte­ljahr haben Terroriste­n zuletzt die Bevölkerun­g in Schock versetzt. Die Täter fühlen sich offenbar nicht mehr isoliert, sondern aufgehoben in Teilen der Gesellscha­ft.

4. Das politische Klima verschärft sich. Hass und Gewalt fressen sich schon seit Jahren in die Gesellscha­ft hinein, sie verbreiten sich über die Kloake Internet. Rechtsextr­emisten sehen sich beflügelt durch den Gedankenmü­ll, der durch Politik und Parlamente rollt. Insbesonde­re die extrem rechte „Alternativ­e für Deutschlan­d“(AfD) trägt dazu bei – mit relativier­enden Reden über die Naziverbre­chen und mit Hetze gegen Zugewander­te und gegen demokratis­che Politiker, die für deren Integratio­n eintreten.

5. Das Entsetzen muss endlich Folgen haben. Demokratis­che Parteien dürfen nicht paktieren mit der extremen Rechten, weder in Thüringen noch anderswo in der Republik. Vielmehr ist eine klare Abgrenzung von Kräften erforderli­ch, die politische­s Gift in die Gesellscha­ft sprühen und damit dem rechten Terror einen Resonanzbo­den verschaffe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria