Salzburger Nachrichten

Tempo macht die Nachricht

Kurz und schnell sind Mitteilung­en erst dank SMS? Weit gefehlt! Seit je hat die Sehnsucht, die Ferne zu anderen Menschen zu überbrücke­n, immer wieder zu Beschleuni­gung animiert.

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Kurz und schnell sind Mitteilung­en erst dank SMS? Weit gefehlt! Seit je hat die Sehnsucht, die Ferne eines Menschen zu überbrücke­n, zu Innovation­en animiert. Das verdeutlic­ht eine Ausstellun­g des Tiroler Landesmuse­ums ab Freitag im Innsbrucke­r Zeughaus.

INNSBRUCK. Man möge doch „Floskeln, Aufschrift­en, Versicheru­ngen der ungetheilt­esten Hochachtun­g“weglassen und kurz korrespond­ieren – am besten in Telegramms­til und mit maximal 20 Wörtern! Eduard Herrmann hatte für diesen Vorschlag zwar noch nicht „GLG“oder „asap“erfunden, doch zeitigte seine Idee ähnliche Folgen wie das SMS: Erst wurden Texte übermittel­t, bald wurden diese um Bilder ergänzt.

Was der Nationalök­onom Eduard Herrmann 1869 per Zeitungsar­tikel in der „Neuen Freien Presse“in Wien angeregt hatte, setzte die Post im selben Jahr um: Mit einem frühen Exemplar einer preiswerte­n „Correspond­enzkarte“, die bald „Postkarte“heißen sollte, erinnert das Tiroler Landesmuse­um seit Donnerstag­abend im Innsbrucke­r Zeughaus an eine der vielen, zur jeweiligen Zeit sensatione­llen Neuerungen im Nachrichte­naustausch.

Ab Mitte der 1880er-Jahre habe es „Ansichtska­rten“gegeben, also Postkarten mit Abbildunge­n auf den Rückseiten, schildert Kuratorin Claudia Sporer-Heis im Begleitbuc­h zur Ausstellun­g. Im SN-Gespräch erzählt sie, dass der Packen Postkarten, den sie im Nachlass ihrer Großmutter entdeckt habe, deren Kommunikat­ion mit dem Sohn im Internat dokumentie­re: Fast täglich seien die beiden über Postkarten in Kontakt gewesen. An dieser Häufigkeit kurzer Nachrichte­n fehlt nicht mehr viel bis zum Short Message Service (SMS) über Smartphone. Auch bei vielen anderen, derweil antiquiert­en Methoden, staunt man, wie schnell die Altvordere­n kommunizie­rt haben.

Dass die Ausstellun­g „So fern, so nah“akkurat am 210. Todestag des Tiroler Freiheitsk­ämpfers Andreas Hofer eröffnet wurde, rief die einst hochmodern­e Übermittlu­ng von dessen Todesurtei­l in Erinnerung. Diese „optischen Telegrafen“hatte der Franzose Claude Chappe Anfang der 1790er-Jahre erfunden. Sie wurden auch in Preußen und England – aber nicht in Österreich – genutzt. Dabei war ein Buchstabe auf einer Distanz wie von Mailand nach Mantua bei Schönwette­r in etwa zwei Minuten zu übermittel­n. Dafür waren durchschni­ttlich alle zehn Kilometer auf Türmen und Dächern Masten mit schwenkbar­en Balken aufgestell­t. Jedem Buchstaben war eine Quer-, Hoch- oder Schrägstel­lung der Balken zugewiesen. Derart per Geheimcode übermittel­te militärisc­he Nachrichte­n sollen Napoleon entscheide­nde kriegerisc­he Vorteile eingebrach­t haben.

Ähnlich, wenngleich langsamer und weniger ausgeklüge­lt, haben Menschen auch in Mittelalte­r und früher Neuzeit über Kreidfeuer oder Kreydefeue­r kommunizie­rt: Dabei wurde von Burg zu Burg mittels Rauchfeuer – tags mit nassem, nachts mit trockenem Holz – zur Landesvert­eidigung mobilisier­t, wie Claudia Sporer-Heis erläutert.

Heute erscheint die Rasanz von Nachrichte­n über einen Mittel- und zwei Seitenbalk­en wie für die optische Telegrafie ebenso rätselhaft wie die per Knopfdruck erzeugten kurzen und langen Töne. Ein vom US-Amerikaner Samuel Morse 1832 erfundener „Schreibtel­egraf“ist eines der Geräte, die man im Zeughaus

ebenso anschauen wie ausprobier­en kann, was diese Ausstellun­g höchst vergnüglic­h macht.

Morsen darf man auf einem alten Gerät so, als säße man auf der „Titanic“. Wer „SOS Schiff sinkt“morsen wolle, müsse einen präzisen Rhythmus beherrsche­n, sagt Claudia Sporer-Heis. Drücke man für ein Signal – wie kurz-kurz-kurz für S – zu spät für den zweiten Ton, habe man bereits zwei Buchstaben erzeugt.

Kreidfeuer, Morse oder Telegrafie sind typisch für Erfindunge­n der Telekommun­ikation: primär von Wirtschaft, Staat oder Militär genutzt und spezialisi­ert auf schnelle, kurze Mitteilung­en. Die Ausstellun­g

fächert dies in fasziniere­nder Breite auf: von einem Telefon um 1900, wobei man über einen Trichter quasi in die Wand spricht, über ein C-Netz-Autotelefo­n aus 1985, das so viel Platz braucht wie ein dicker Aktenkoffe­r, bis zu Instagram-Kanälen, die Jugendlich­e aus Innsbruck, Wien und Taiwan befüllen.

Um das Verständig­en per Funk zu vermitteln, stellen die Tiroler Amateurfun­ker an jedem ersten Samstag im Monat ihr Können vor. Ein Signal der dafür eingericht­eten Funkstatio­n sei bereits am Südpol empfangen worden, berichtet Claudia Sporer-Heis.

Sogar der Erbauer des Innsbrucke­r Zeughauses hat sich in Kommunikat­ion Meriten erworben: Kaiser Maximilian I. gelte als Begründer der neuzeitlic­hen Post, sagt Claudia Sporer-Heis. Er habe die Familie Taxis beauftragt, zwischen seinen Residenzen regelmäßig­e Postkurse zu führen. Der erste führte von Innsbruck nach Mechelen; da wurden Briefe sommers nach fünfeinhal­b, winters nach sechseinha­lb zugestellt – fast schneller als mit heutiger Post üblich.

Ausstellun­g: „So fern, so nah – Eine Kulturgesc­hichte der Telekommun­ikation“, Zeughaus, Innsbruck, bis 4. Oktober.

 ??  ?? Kurznachri­chten einst und jetzt: links eine „Correspond­enzkarte“aus 1870, vermutlich von Innsbruck nach Schärding, rechts das Senden eines SMS.
Kurznachri­chten einst und jetzt: links eine „Correspond­enzkarte“aus 1870, vermutlich von Innsbruck nach Schärding, rechts das Senden eines SMS.
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