Kassen nach Klassen
Nicht nur, dass die Krankenversicherungen ständisch getrennt bleiben: Auf die Privilegiertesten wird vergessen.
Die Zusammenlegung der Krankenversicherungen war auch ein PR-Gag: Zweifel daran, dass eine Verwaltungsmilliarde in eine Patientenmilliarde umgewandelt wird, wie es ÖVP und FPÖ versprochen haben, sind durch die jüngsten Prognosen bestätigt worden. So weit können sie gar nicht daneben liegen. Erwartet werden steigende Defizite.
Noch ärgerlicher ist etwas anderes: Berufsständische Unterschiede sind nicht überwunden, sondern verfestigt worden. Es ist nicht eine Kasse für alle geschaffen worden. Und es sind auch nicht mehrere mit dem Ziel, es den Versicherten freizustellen, wohin sie sich wenden, nebeneinandergestellt worden; das hätte vielleicht zu Wettbewerb geführt.
Es gibt stattdessen eine exklusive Krankenversicherung für Vertreter des öffentlichen Dienstes, eine zweite nur für Selbstständige und eine dritte für Arbeiter und Angestellte. In genau dieser Reihenfolge bilden sie Klassen:
Die Krankenversicherung der Beamten und Vertragsbediensteten profitiert davon, dass ihre Versicherten sichere Jobs haben und relativ gut verdienen. Damit hat sie einen Vorteil. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) hat nicht nur die unselbstständig Beschäftigten aus der Privatwirtschaft, die schon einmal arbeitslos werden, sondern auch Asylbewerber, Sozialhilfebezieher und bald möglicherweise auch Häftlinge. Damit ist sie benachteiligt.
Solidarität würde gebieten, dass es nun zu einem Ausgleich unter den Krankenversicherungsträgern kommt. Aber damit nehmen es nicht einmal die führenden Gewerkschafter und SPÖ-Funktionäre ernst, die davon reden. Sie vergessen nämlich auf die geheimnisvollen Träger, die im Zuge der Zusammenlegung nicht einmal ignoriert worden sind: die Krankenfürsorgeanstalten (KFA) für rund 200.000 Bedienstete der Stadt Wien, der Länder Tirol und Oberösterreich sowie zahlreicher Gemeinden, von Baden (NÖ) bis Salzburg. Die einen sind politisch gesehen rot, die anderen schwarz, also gibt es weder für die ÖVP noch für die SPÖ ein Interesse, sie zu schwächen.
Die Wiener KFA hat ein eigenes Privatspital. Dieses Sanatorium Hera bietet zwar „kurze Vormerkzeiten auch für große Operationen“an, nimmt Angehörige fremder Träger aber nur „mit privater Zusatzversicherung oder gegen Aufzahlung“stationär auf. Auffallend bei Krankenfürsorgeanstalten sei, dass sie Ärzten die „mit Abstand“besten Vertragsbedingungen gewähren könnten, sagte der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Ja, man könnte neidisch werden. Das ist jedoch keine Kategorie. Es geht vielmehr darum, dass gerade hier deutlich wird, dass ein Ausgleich zugunsten benachteiligter Träger wie der ÖGK nicht nur vernünftig, sondern auch möglich wäre.