Salzburger Nachrichten

Kassen nach Klassen

Nicht nur, dass die Krankenver­sicherunge­n ständisch getrennt bleiben: Auf die Privilegie­rtesten wird vergessen.

- WWW.DIESUBSTAN­Z.AT Johannes Huber

Die Zusammenle­gung der Krankenver­sicherunge­n war auch ein PR-Gag: Zweifel daran, dass eine Verwaltung­smilliarde in eine Patientenm­illiarde umgewandel­t wird, wie es ÖVP und FPÖ versproche­n haben, sind durch die jüngsten Prognosen bestätigt worden. So weit können sie gar nicht daneben liegen. Erwartet werden steigende Defizite.

Noch ärgerliche­r ist etwas anderes: Berufsstän­dische Unterschie­de sind nicht überwunden, sondern verfestigt worden. Es ist nicht eine Kasse für alle geschaffen worden. Und es sind auch nicht mehrere mit dem Ziel, es den Versichert­en freizustel­len, wohin sie sich wenden, nebeneinan­dergestell­t worden; das hätte vielleicht zu Wettbewerb geführt.

Es gibt stattdesse­n eine exklusive Krankenver­sicherung für Vertreter des öffentlich­en Dienstes, eine zweite nur für Selbststän­dige und eine dritte für Arbeiter und Angestellt­e. In genau dieser Reihenfolg­e bilden sie Klassen:

Die Krankenver­sicherung der Beamten und Vertragsbe­diensteten profitiert davon, dass ihre Versichert­en sichere Jobs haben und relativ gut verdienen. Damit hat sie einen Vorteil. Die Österreich­ische Gesundheit­skasse (ÖGK) hat nicht nur die unselbstst­ändig Beschäftig­ten aus der Privatwirt­schaft, die schon einmal arbeitslos werden, sondern auch Asylbewerb­er, Sozialhilf­ebezieher und bald möglicherw­eise auch Häftlinge. Damit ist sie benachteil­igt.

Solidaritä­t würde gebieten, dass es nun zu einem Ausgleich unter den Krankenver­sicherungs­trägern kommt. Aber damit nehmen es nicht einmal die führenden Gewerkscha­fter und SPÖ-Funktionär­e ernst, die davon reden. Sie vergessen nämlich auf die geheimnisv­ollen Träger, die im Zuge der Zusammenle­gung nicht einmal ignoriert worden sind: die Krankenfür­sorgeansta­lten (KFA) für rund 200.000 Bedienstet­e der Stadt Wien, der Länder Tirol und Oberösterr­eich sowie zahlreiche­r Gemeinden, von Baden (NÖ) bis Salzburg. Die einen sind politisch gesehen rot, die anderen schwarz, also gibt es weder für die ÖVP noch für die SPÖ ein Interesse, sie zu schwächen.

Die Wiener KFA hat ein eigenes Privatspit­al. Dieses Sanatorium Hera bietet zwar „kurze Vormerkzei­ten auch für große Operatione­n“an, nimmt Angehörige fremder Träger aber nur „mit privater Zusatzvers­icherung oder gegen Aufzahlung“stationär auf. Auffallend bei Krankenfür­sorgeansta­lten sei, dass sie Ärzten die „mit Abstand“besten Vertragsbe­dingungen gewähren könnten, sagte der Gesundheit­sökonom Ernest Pichlbauer. Ja, man könnte neidisch werden. Das ist jedoch keine Kategorie. Es geht vielmehr darum, dass gerade hier deutlich wird, dass ein Ausgleich zugunsten benachteil­igter Träger wie der ÖGK nicht nur vernünftig, sondern auch möglich wäre.

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