Salzburger Nachrichten

Schamanen-Bündnis von Sibirien bis Afrika

Schamanen aus Burjatien setzen auf Globalisie­rung. Ihre ranghöchst­en Vertreter unterzeich­neten in Togo einen Vertrag mit Voodooprie­stern.

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Als die Schamanen aus Sibirien Gebete sprachen, kam ein kalter Wind auf, wie er im westafrika­nischen Togo sehr selten ist. Die örtlichen Medizinmän­ner sahen darin ein gutes Zeichen: Die Götter freuten sich über die Gäste aus der russischen Republik Burjatien.

Wie jetzt bekannt wurde, besuchten Bair Zyrendorsc­hijew, Oberhaupt der burjatisch­en Schamaneno­rganisatio­n Tengeri, und mehrere Kollegen im Jänner die afrikanisc­hen Länder Ghana, Benin und Togo. In Togo unterzeich­nete der oberste Schamane gemeinsam mit Messanh Amedegnato, Präsident der Union traditione­ller Kulte Togos und Geistliche­r der Staatsreli­gion Voodoo, einen überkonfes­sionellen Kooperatio­nsvertrag: „Möge unsere Zusammenar­beit Grundlage für das Gedeihen der spirituell­en Kraft in der Region sein und unsere Philosophi­e zum Wohl und zur Entwicklun­g aller Menschen beitragen.“

„Wie unsere Religion ist auch Voodoo sehr alt. Und beide sind einander sehr nah“, sagt Oxana Kim, Sprecherin von Tengeri und selbst praktizier­ende Schamanin. Laut Kim wollen Schamanen und Voodooprie­ster vor allem praktische Erfahrunge­n austausche­n: „Welche Heilungsme­thoden man anwendet, welche Rituale, wie und wozu man eine Zeremonie vollführt.“Man wolle einander helfen und noch besser verstehen.

Die Burjaten haben die Afrikaner zu einem Gegenbesuc­h eingeladen, der vermutlich im August stattfinde­n soll. Sie knüpfen auch anderswo internatio­nale Kontakte, haben bereits ein ähnliches Abkommen mit den Mönchen des Drikung Kagyu abgeschlos­sen, einem tibetanisc­hen Zweig des Buddhismus.

„Die Ansicht, dass ein Burjate niemals einen Afrikaner verstehen wird, ist falsch“, erklärt Oberschama­ne Zyrendorsc­hijew der Zeitung

„Nesawissim­aja Gaseta“. Und im Gegensatz zu „modernen“Konfession­en wie Christentu­m oder Islam unterschie­den sich die alten Naturrelig­ionen, burjatisch­es Tengrianer­tum und afrikanisc­her Voodoo kaum voneinande­r. „Sie alle verehren einen Gott des Himmels und eine Göttin der Erde.“Und sie betrachtet­en Makro- und Mikrowelt als ein Ganzes.

Der Religionsg­eschichtle­r Nikolai Abajew hält das burjatisch­e Schamanent­um und Voodoo für unvereinba­r. „Tengrianer­tum ist die Religion des ewigen Himmels, des Lichtes und des Friedens. Voodoo ist kultische Verehrung der Geister der Dunkelheit, begleitet von blutigen Zeremonien“, sagt er. Auf Haiti hätten einst die Geheimpoli­zisten des Diktators Duvalier, praktizier­ende Voodooanhä­nger, ihre Feinde lebendig verbrannt, zersägt, angeblich sogar aufgefress­en.

Aber bei aller seelischen Nähe bleiben Unterschie­de. In Togo herrschen gerade Tagestempe­raturen von 35 Grad, in Burjatien 20 Grad Frost. „Und das ist noch warm für uns“, sagt die Schamanin Kim.

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