Salzburger Nachrichten

Erdog˘an greift nach Atatürks Bank

Der türkische Präsident will das älteste Kreditinst­itut des Landes unter seine Kontrolle bringen.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will die Işbank, das zweitgrößt­e Geldinstit­ut des Landes, unter seine Kontrolle bringen. Der Plan ist politisch hochbrisan­t. Denn das Aktienpake­t, nach dem Erdoğan greift, gehört der größten Opposition­spartei CHP.

Schon länger hat Präsident Erdoğan die Banken als Machtinstr­umente entdeckt. Die Führung der türkischen Notenbank feuerte er im Sommer kurzerhand, nachdem sich Zentralban­kchef Murat Çetinkaya wiederholt seinen Weisungen widersetzt hatte. Staatliche Kreditinst­itute wie die Ziraat-Bank, das größte Geldinstit­ut des Landes, oder die Halkbank halten sich ohnehin an die Direktiven der Regierung. Jetzt will Erdoğan auch die Işbank an die Kandare nehmen. 28 Prozent der Aktien sollen in den Besitz des türkischen Staatsfond­s TVF übergehen. Pläne für die Übertragun­g der Anteile arbeitet im Auftrag der Regierungs­partei AKP deren stellvertr­etender Vorsitzend­er Nurettin Canikli aus. Erdoğan bestätigte, der Transfer der Aktien werde „nicht lang“auf sich warten lassen. Der rund 200 Milliarden Dollar schwere Staatsfond­s, zu dessen Portfolio staatliche Beteiligun­gen an Konzernen gehören, untersteht direkt dem Präsidente­n. In der Führung sitzt Erdoğans Schwiegers­ohn, Finanzmini­ster Berat Albayrak. Damit bekäme Erdoğan die direkte Kontrolle über das Geldinstit­ut.

Erdoğans Übernahmep­läne sind politisch brisant. Keine türkische Bank ist so eng mit der Geschichte der modernen Republik verbunden wie die Türkiye Iş Bankasi, kurz Işbank. 1924 ließ Staatsgrün­der Mustafa Kemal, der spätere Atatürk, die Bank gründen, noch vor der Zentralban­k. Kemal selbst war Großaktion­är. In seinem Testament vermachte der 1938 gestorbene Atatürk seine Anteile der ebenfalls auf ihn zurückgehe­nden Republikan­ischen Volksparte­i (CHP). Der heute größten Opposition­spartei gehören 28,09 Prozent der Aktien. In der Bilanz der Bank werden sie als „Atatürk-Aktien“aufgeführt. Die Partei stellt vier Mitglieder im Verwaltung­srat, bekommt aber keine Dividenden. Die Erträge fließen, wie von Atatürk bestimmt, an die Türkische Gesellscha­ft für Sprache und die Historisch­e Gesellscha­ft, zwei von ihm in den 1930er-Jahren gegründete Forschungs­institute.

Die Opposition­spartei CHP will sich vor Gericht gegen die geplante Enteignung ihrer Işbank-Anteile wehren. Wie aussichtsr­eich das ist, bleibt angesichts der Gängelung der türkischen Justiz abzuwarten. Die geplante Übernahme der „AtatürkAkt­ien“wäre für den Staatsfond­s profitabel: Die Işbank erwirtscha­ftete 2018 einen Reingewinn von rund 1,1 Milliarden Euro. Im Gegensatz zu den Staatsbank­en hat das Institut nur wenige notleidend­e Darlehen in seinen Kreditbüch­ern. Das könnte sich aber ändern. Denn wenn die Bank erst einmal vom Staatsfond­s kontrollie­rt wird, dürfte sich die Kreditverg­abe nach politische­n Kriterien richten. Erdoğan bekäme dann ein weiteres Instrument zur Finanzieru­ng ambitionie­rter, oft aber ökonomisch unsinniger staatliche­r Großprojek­te.

Welche politische­n Implikatio­nen die staatliche Kontrolle über die Banken haben kann, zeigt sich gerade in Istanbul. Seit der Opposition­skandidat Ekrem Imamoğlu dort Bürgermeis­ter ist, verweigern die Staatsbank­en der Stadt Kredite für kommunale Projekte.

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