Salzburger Nachrichten

Auf wen Hundertwas­sers Blick sich heftete

Zum 20. Todestag des österreich­ischen Malers zeigt das Leopold-Museum überrasche­nde Verbindung­slinien.

- pac

Erhobene Schulter, eindringli­cher Blick unter dichten Augenbraue­n, gespitzte Lippen: Zwischen dem Selbstbild­nis, das Friedensre­ich Hundertwas­ser 1951 malte, und dem Selbstport­rät Egon Schieles von 1912 liegen zwar vier trennende Jahrzehnte, aber vor allem auch manche überrasche­nde Gemeinsamk­eiten. Diese Verbindung­slinien will das Wiener Leopold-Museum mit der Ausstellun­g „Hundertwas­ser – Schiele: Imagine Tomorrow“sichtbar machen.

Die intensive Auseinande­rsetzung des Künstlers und Ökopionier­s Hundertwas­ser mit Schieles Werk sei kunsthisto­risch gut erfasst, erläutert Hans-Peter Wipplinger, der Direktor des Leopold-Museums, im Ausstellun­gskatalog, dennoch seien die Analogien noch kaum umfangreic­h sichtbar gemacht worden. Die Wiener Schau wolle daher „neue Blickwinke­l eröffnen“: Mit den Selbstport­räts beider Künstler beginnt der Rundgang durch die Schau mit 200 Exponaten.

„Ich liebe Schiele“, bekannte Friedensre­ich Hundertwas­ser 1951, also zur Entstehung­szeit seines Selbstbild­nisses. Diese Liebeserkl­ärung hatte der damals 22-Jährige als Titel über einen lyrischen Text gesetzt. Aber nicht nur in Schriften und Briefen Hundertwas­sers (dessen Todestag sich diese Woche zum 20. Mal jährt) werde die Affinität deutlich, betont Wipplinger. Auch Fotos seiner Wohn- und Arbeitsräu­me belegten, dass er „sich bis zu seinem Tod mit Reprodukti­onen von Werken Schieles umgab“.

In welchen motivische­n Parallelen die Wahlverwan­dtschaft sichtbar werde, lasse sich etwa an Hundertwas­sers 1951 entstanden­em Bild „Kathedrale I“, studieren, erläutert Kurator Robert Fleck im Katalog. Dass das Aquarell des 22-Jährigen „auffallend­e strukturel­le Ähnlichkei­ten mit den bedeutends­ten Städtebild­ern von Egon Schiele“aufweise, sei kein Zufall. Im Nachkriegs-Wien habe der Kunststude­nt einige Gelegenhei­ten gefunden, dessen Schaffen zu studieren: 1948, zu Schieles 30. Todestag, hatten sich mehrere Ausstellun­gen dem Werk des unter dem NS-Regime verfemten Malers gewidmet. Seine künstleris­chen Verbindung­slinien strich aber auch Hundertwas­ser noch heraus, als er im Jahr 1962 im Österreich-Pavillon bei der Biennale in Venedig ausstellte. „Mein Optimismus kommt von Klimt“, schrieb er an eine Wand, „aber die tiefe Magie der Farbe, die mich leitet, kommt von Schiele.“ Ausstellun­g: „Hundertwas­ser – Schiele: Imagine Tomorrow“, Wien, Leopold-Museum, bis 31. 8.

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Friedensre­ich Hundertwas­ser: Selbstbild­nis, 1951.
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Egon Schiele: Selbstbild­nis mit hochgezoge­ner nackter Schulter, 1912.

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