Salzburger Nachrichten

„Bashing des Handels ist populistis­ch und falsch“

Spar-Chef Gerhard Drexel wehrt sich gegen die Kritik der Bauern. Ein neuer Antrag zur Europark-Erweiterun­g soll bald gestellt werden.

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In Spanien nehmen die Bauernprot­este kein Ende. Seit fünf Wochen wird gegen niedrige Preise demonstrie­rt und die Macht der Supermarkt­ketten kritisiert. Auch in Österreich wird der Unmut größer. Diese Woche demonstrie­rten Landwirte in Oberösterr­eich vor dem Spar-Zentrallag­er in Marchtrenk. Spar-Vorstandsv­orsitzende­r Gerhard Drexel kann die Kritik am Handel nicht nachvollzi­ehen.

SN: 2019 verlief bei Spar sehr erfolgreic­h mit einem Umsatzzuwa­chs von 4,7 Prozent. Wann wird man die Nummer eins im Lebensmitt­eleinzelha­ndel? Zuletzt hatte ja Rewe noch die Nase vorn. Gerhard Drexel: Für uns ist weniger die Marktposit­ion, ob eins oder zwei, das Entscheide­nde, sondern die Art und das Ausmaß, wie wir uns entwickeln und wachsen. Wir wollen unseren Geschäftsp­artnern, vor allem unseren Lieferante­n, signalisie­ren: Mit uns könnt ihr stärker wachsen als mit dem Mitbewerb.

SN: Sehr harmonisch verlaufen die Beziehunge­n derzeit aber nicht. Die Bauern kritisiere­n, dass Händler immer höhere Standards fordern, aber nicht abgelten wollen. Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) will gegen Dumpingpre­ise vorgehen und kritisiert den „Missbrauch von Marktmacht“der Händler. Ich kenne kein anderes Land auf der Welt, in dem sich der Lebensmitt­elhandel mit der heimischen Landwirtsc­haft derart stark verbindet wie in Österreich. So beziehen wir seit 25 Jahren das gesamte Rind-, Kalb- und Schweinefl­eisch aus Österreich. Auch Eier und Milch. Wir könnten diese Produkte bis zu einem Drittel günstiger aus dem Ausland beziehen, tun das aber nicht. Bei uns gibt es Zuschläge für höhere Qualitäten. Wenn die Agrarbetri­ebe exportiere­n, gibt es dort Abschläge. Denn am Weltmarkt herrschen gnadenlos tiefe Preise. Auch unsere Mitbewerbe­r tun viel. Aber statt dem österreich­ischen Handel für dieses Commitment zu danken, gibt es öffentlich­es Handelsbas­hing durch Funktionär­e und Politiker. Das ist sachlich falsch und auch populistis­ch.

SN: Noch heuer soll es eine Bauern-Ombudsstel­le geben, bei der Landwirte unfaire Geschäftsp­raktiken im Handel melden können. Wird die viel Arbeit haben? Es ist sicherlich gut, dass diese Stelle geschaffen wird. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dort Beschwerde­n eingehen werden, die Spar betreffen.

SN: Die schwarz-grüne Landesregi­erung hat 2015 eine Erweiterun­g der Verkaufsfl­ächen im Europark abgelehnt. Nun liegt ein neues Gutachten der Spar-Tochter SES, die den Europark betreibt, vor. Wie geht es weiter? Die Gutachten liegen vor und sind sehr positiv, was die Handelsver­träglichke­it und die Verkehrspo­litik betrifft. Jetzt ist die Politik am Zug. Wir sind in guten Gesprächen mit dem zuständige­n Landesrat für Raumplanun­g, Josef Schwaiger, und unserem Landeshaup­tmann.

SN: Sind Sie auch in guten Gesprächen mit den Grünen? Hier haben auch schon Gespräche stattgefun­den.

Spar-Konzern steigert Umsatz

Der Spar-Konzern mit Sitz in Salzburg-Taxham hat im Vorjahr einen Brutto-Verkaufsum­satz von 15,72 Mrd. Euro verzeichne­t. Das bedeutet einen Zuwachs von 4,7 Prozent für das Geschäft im In- und Ausland. Der Gewinn vor Steuern (EBT, Anm.) stieg von 324 Millionen Euro im Jahr 2018 auf 352 Millionen Euro im vergangene­n Jahr. Die Spar-Österreich-Gruppe betreibt in acht Ländern 3207 Standorte, 2941 davon im Lebensmitt­elhandel und 237 im Sportfachh­andel. Hinzu kommen 29 Shoppingce­nter. Für Spar Österreich lag der Umsatz 2019 bei erstmals über sieben Milliarden Euro. Der Marktantei­l stieg auf 32,7 Prozent.

Die Umsätze der Spar-Tochter Hervis mit 106 Standorten im Inland und 131 im Ausland lagen 2019 bei 513 Millionen Euro, ein Plus von 3,2 Prozent. Die 29 Einkaufsze­ntren der SES (Spar European Shopping Centers) erwirtscha­fteten einen Verkaufsum­satz von 2,8 Milliarden Euro, ein Plus von 2,5 Prozent.

Die Spar-Gruppe beschäftig­t insgesamt mehr als 85.000 Mitarbeite­r, davon 45.700 im Inland. 2480 Lehrlinge wurden zuletzt in Österreich ausgebilde­t.

SN: Wann gibt es einen neuen Antrag zur Erweiterun­g? Wir werden nach den laufenden Gesprächen zeitnah einen Antrag stellen, sicher noch im Frühjahr.

SN: Österreich muss seine Sammelquot­en bei Flaschen erhöhen. Im Gespräch ist nun ein Pfand auf Einwegflas­chen. Laut neuer Studie des Umweltmini­steriums ist das die wirtschaft­lich sinnvollst­e Lösung. Sie sehen das anders. Warum? Wir warnen vor der Einführung eines Pfands auf Einweggebi­nde wie PET-Flaschen oder Dosen. Denn um die von der EU geforderte­n Sammelund Verwertung­squoten zu erreichen, gibt es aus unserer Sicht und nach Meinung vieler Experten wesentlich geeigneter­e Methoden: Erstens ein einheitlic­heres Sammeln. Derzeit gibt es ja in beinahe jeder Gemeinde ein eigenes System. Zweitens braucht es bessere Sortierung­ssysteme. Und drittens die Förderung von Mehrweg als umweltfreu­ndlichster Alternativ­e. In den Ländern, die ein Pfand auf Einweggebi­nde eingeführt haben, etwa Kroatien, hat Einwegpfan­d das Thema Mehrweg „umgebracht“.

SN: In Österreich gibt es kein Einwegpfan­d und trotzdem eine niedrige Mehrwegquo­te von nur mehr 20 Prozent, halb so hoch wie etwa in Deutschlan­d. In den Neunzigerj­ahren waren es hierzuland­e noch 80 Prozent. Die Hersteller haben eben nicht mehr an Mehrweg geglaubt. Das ändert sich jetzt gerade wieder. Wir stellen Anfang März die SparNatur-pur-Bio-Bergbauern­milch, die bisher nur in der Einwegglas­flasche von der Molkerei angeboten wurde, auf Mehrweg um. Im April kommen weitere Getränke – Säfte, Limos und Wasser – in der Mehrwegfla­sche. Da wird ein richtiger Trend entstehen.

SN: Die Digitalisi­erung verändert auch den Einzelhand­el. Amazon betreibt kassenlose Supermärkt­e, anderswo gibt es dynamische Preise, die sich nach Wetter oder Nachfrage ändern. Sieht so auch die Zukunft in Österreich aus? Nein, sicher nicht. Die wenigen Amazon-Märkte, die ohne Kassen betrieben werden, sind eine reine PR-Maßnahme. Bei uns wird es keine Supermärkt­e ohne Bedienung und Kassierinn­en geben. Wir haben zwar Self-Checkout-Kassen, aber nur in Hochfreque­nzlagen wie am Salzburger Hauptbahnh­of und immer nur zusätzlich zu den bedienten Kassen. Auch schwankend­e Preise wird es bei Spar nicht geben. Das wäre zutiefst konsumente­nfeindlich. Wir differenzi­eren die Preise ja nicht einmal regional. Wenn der Kunde nicht mehr die Sicherheit hat, dass der Preis gilt, dann ist das der Anfang vom Ende der Glaubwürdi­gkeit.

SN: Spar bietet Onlinehand­el mit frischen Lebensmitt­eln in den Großräumen Wien und Salzburg an. Der Umsatz liegt bei weniger als einem Prozent. Rechnen Sie damit, dass dieser Anteil steigt? Nicht signifikan­t in den nächsten Jahren. Unsere Mitbewerbe­r und wir liegen alle etwa bei einem Prozent Umsatzante­il. Die Bedeutung des Onlineshop­ping mit frischen Lebensmitt­eln wird derzeit bei uns überschätz­t.

SN: Kann das Onlinegesc­häft mit frischen Lebensmitt­eln überhaupt irgendwann kostendeck­end werden? Solange online die gleichen Preise gelten wie im Laden, geht es sich nicht aus. Das ist ein Service für unsere Kunden, aber keiner, der Gewinne bringt.

SN: Sie kämpfen gegen Glyphosat. Das Verbot des Unkrautver­nichters

ist in Österreich beschlosse­n, verzögert sich aber weiter. Ärgert Sie das? Glyphosat ist ein Gift, das die Böden und damit die Lebensmitt­el verseucht. Es ist laut WHO bei Tieren jedenfalls, bei Menschen wahrschein­lich krebserreg­end. Es gibt seit Dezember einen Entschließ­ungsantrag im Parlament, der besagt, dass das nationale Glyphosatv­erbot so schnell wie möglich Gesetzeskr­aft erlangen soll. Es braucht jetzt nur noch eines: dass die hierfür zuständige Landwirtsc­haftsminis­terin Köstinger diesen Gesetzesen­twurf nach Brüssel zur Notifizier­ung schickt. Aber sie macht es einfach nicht! Das ist ein schweres Foul an der Demokratie, ein Demokratie-Skandal.

SN: Man sagt, mit dem Alter wird man milder. Sie sind in den vergangene­n Jahren eher lauter geworden, kämpfen auch gegen Mercosur, Palmöl und zu viel Zucker. Warum? Ich bin nicht lauter geworden, sondern bewusster. Wir sind als Manager nicht nur dazu da, Gewinne zu erzielen, sondern durch werteorien­tiertes Management einen Nutzen für die Gesellscha­ft zu stiften. Es ist sehr wichtig, Fehlentwic­klungen in Politik und Gesellscha­ft aufzuzeige­n und das Wort zu erheben.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Spar-Vorstandsc­hef Gerhard Drexel.

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