Schiaches Wetter – auch gut
Wer mit seinen Politikern unzufrieden ist, der sollte sich nach Lösungen umsehen: Am besten in der Tierwelt.
Aristokraten haben Zeit. Auch heute noch. Nehmen wir etwa Endre Graf Esterházy. Er entstammt einem der bekanntesten Adelsgeschlechter Europas. Heute residiert er mit seiner Ehefrau, dem ehemaligen Opernstar Christine Obermayr, in Ranshofen, einem Stadtteil von Braunau am Inn. Esterházy ist überall gern gesehen. Wegen seiner formvollendeten Umgangsformen und seiner Großzügigkeit. Solche Leute mag das Volk. Dass Aristokraten viel Zeit haben müssen, erkennt man beim Studium ihrer Reisepässe. Wenn Sie Esterházys Namen in einem Zug aufsagen möchten, dann sollten Sie zuvor tief Luft holen. Da ist zu lesen: Endre Christof Maria Eustachius Graf Esterházy von Galántha. Über ähnlich lange Namen verfügen höchstens noch brasilianische Fußballer. Deshalb tragen diese Künstlernamen wie Pelé, Zico oder Neymar. Die gelten auch irgendwie als Aristokraten. Allein schon wegen ihrer fürstlichen Gehälter.
Ob Esterházy Verständnis dafür hat, dass der Adel im Jahr 1919 abgeschafft wurde? Er denkt kurz nach und sagt mit sanfter Stimme: „Abgeschafft klingt so aggressiv. Ich frage mich eher: Macht es Sinn, dass seitdem in Österreich eine ganze Gesellschaftsschicht geleugnet wird? Der Adel hat doch viel Positives bewirkt.“Was das wäre? „Ohne Adel stünde Österreich heute ziemlich nordkoreanisch da“, meint er. Dann schwärmt er von Bauwerken, die heute jährlich von Millionen Touristen besichtigt werden. Dann wäre da noch der Adel als Förderer der Künste. Mozart, Haydn, Liszt wären ohne Adel, so vermutet Esterházy, kaum denkbar. Adel verpflichtet eben. Da kann sich heute so mancher vom Volk gewählte Politiker wohl tatsächlich eine Scheibe abschneiden. Und war es nicht Kaiser Franz Joseph I., der seine wichtigste Aufgabe dem US-Präsidenten Theodore Roosevelt so erklärte: „Ich bin der letzte Monarch der alten Schule. Es ist meine Aufgabe, meine Völker vor ihren Politikern zu schützen.“Das war in Anbetracht des von Österreich-Ungarn ausgelösten Ersten Weltkriegs mit 17 Millionen Toten zwar ein wenig vollmundig, lenkt aber auch den Blick auf die Fehlerquelle einer jeden Monarchie: Das ist der Mann und dessen Imponiergehabe.
Dabei hätte seit jeher ein Blick in die Tierwelt Abhilfe geschafft. Denn richtig erfolgreich
Es ist meine Aufgabe, meine Völker vor ihren Politikern zu schützen. Franz Joseph I. Kaiser
ist eine Art nur dann, wenn an ihrer Spitze eine Königin steht. Nehmen wir nur einmal die Bienenkönigin. Sie hält es wie der von Antoine de Saint-Exupéry im „Kleinen Prinzen“beschriebene König. Dieser erfreut sich enormer Beliebtheit, weil er kaum Befehle erteilt. Und wenn – dann nur solche, die das Volk gern ausübt. Die Bienenkönigin dagegen ist ohnehin die Mutter sämtlicher „Bürger“, die untereinander wiederum Geschwister sind. Womit klar wäre, dass sich ausgerechnet das Bienenvolk weitgehend nach dem Leitspruch der französischen Revolution ausrichtet: „Liberté, Égalité,
Fraternité“, also „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Die Bienenkönigin selbst erteilt keine Befehle und erlässt keine Gesetze. Dass ein Bienenvolk trotzdem funktioniert, liegt daran, dass die Untertanen der Königin ihren Arbeitsalltag autark erledigen. Sie üben je nach Lebensphase unterschiedliche Tätigkeiten aus. Die jungen Bienen erledigen Putzdienste im Inneren des Stocks. Erst später werden sie Baumeister und beteiligen sich am Wabenbau. So, wie wir die Bienen kennen, verhalten sie sich erst in ihren letzten 14 Lebenstagen: Da beginnen sie außerhalb des Stocks die Blüten zu besuchen, um ihr Volk zu ernähren. Zoologen sprechen hier auch nicht von einer Monarchie, sondern von einem Superorganismus, weil hier die Funktionalität jeder einzelnen Biene im Vordergrund steht. Der Verlierer in diesem Matriarchat sind die Männchen. Da sie als arbeitsscheu und nichtsnutzig gelten, werden sie auch nur für die Zeit der Hochzeitsflüge gezeugt. Auf diesem Hochzeitsflug vollbringt aber auch die Königin eine Höchstleistung. Sie lässt sich von bis zu 40 Männchen verführen und sammelt deren Sperma, das dann bis zum Rest ihrer Regentschaft reichen muss. Anschließend werden die Männchen gefressen oder vertrieben.
Neben den Menschen sind Graumulle übrigens die einzigen Säugetiere, die sich in Monarchien organisieren. Täten sie das nicht, würden sie aussterben, erklärte kürzlich Hynek Burda von der Universität Duisburg-Essen dem bayerischen Rundfunk. Graumulle haben pro Familienverband einen König und eine Königin. Etwa 20 bis 40 Mulle bilden ein kleines Reich, an dessen Spitze „Mama Mull“und „Papa Mull“stehen. Hynek vergleicht diese Form des Zusammenlebens mit dem Zusammenleben auf einem Bauernhof vor 200 Jahren. Das war ein reines Patriarchat. Als Matriarchat hätte es sich vielleicht durchgesetzt.