Salzburger Nachrichten

Spitalsper­sonal nach Ausflug in Quarantäne

Mitarbeite­r in ganz Österreich sind betroffen. Südtirol bestätigt ersten Coronaviru­s-Fall.

- Lokalteil, Seiten 2, 3, 13 und 16

Die Angst vor einer möglichen Verbreitun­g des Coronaviru­s in Österreich greift weiter um sich. In Südtirol ist am Montag ein erster Coronaviru­sFall gemeldet worden. Es handelt sich laut Behörden um einen 31-jährigen Mann. Der Patient liegt derzeit in Bozen im Krankenhau­s.

Vorsorglic­he Quarantäne­maßnahmen gab es am Montag für Dutzende Spitalsmit­arbeiter. Davon betroffen war auch Salzburg. Anlass war ein Betriebsau­sflug der Salzburger Landesklin­iken, der in die Nähe von Venedig geführt hatte. Die Lagunensta­dt sollte am Sonntag besucht werden. Zum Zeitpunkt der Organisati­on des Ausflugs war das Coronaviru­s von China noch nicht in Oberitalie­n angekommen. Seit dem Wochenende ist das anders. Italien meldet mehrere Tote und Hunderte Erkrankte. Die Behörden in Österreich sind in höchster Alarmberei­tschaft.

Größte Vorsicht lassen die Landesklin­iken in Salzburg dennoch walten. Jene 28 Mitarbeite­r, die von dem Ausflug am Montag zurückgeke­hrt sind, wurden vorsorglic­h dienstfrei gestellt und in häusliche Quarantäne geschickt. Nach einem Ausflug l nach Venedig sind auch elf steirische Spitalsmit­arbeiter sowie 50 Mitarbeite­r des Universitä­tsklinikum­s St. Pölten vorübergeh­end außer Dienst. Für Panik gibt es laut Experten hierzuland­e keinen Grund.

SALZBURG. In Italien haben sich erstmals Menschen mit dem Coronaviru­s infiziert, die nicht aus dem Hauptinfek­tionsgebie­t Wuhan oder sonst wo aus China kommen. Das vergrößert die Ausbreitun­gsgefahr in Europa. Die SN haben Richard Greil, bei dem am Unikliniku­m Salzburg die Fäden im Coronamana­gement zusammenla­ufen, die wichtigste­n Fragen zu diesem Thema gestellt. Ständig aktualisie­rte Sicherheit­shinweise und gesicherte Daten und Fakten findet man auch auf der Homepage der AGES (Österreich­ische Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit).

1.

Gibt es neue, bisher noch nicht bekannte Informatio­nen zum Coronaviru­s? Je mehr gesicherte Daten man über das Virus hat, umso mehr zeigt sich auch, dass die Inkubation­szeit bis zu einem Monat betragen kann. Bisher ist man von rund 14 Tagen ausgegange­n.

Die Infektion erfolgt in 85 Prozent der Fälle recht harmlos mit Symptomen wie Schnupfen oder leichtem Fieber bis 38 Grad. Also keine Symptome wie bei einer echten Grippe, sondern eher wie bei einem grippalen Infekt.

Das ist wahrschein­lich auch der Grund, weshalb sich das Virus regional so stark und so schnell ausbreiten kann wie jetzt in Italien zum Beispiel. Die Menschen gehen dadurch auch nicht zum Arzt, was es in der Folge umso schwierige­r macht, die Personen zu finden, von denen sich das Virus ausbreitet.

2.

Können die rigorosen Maßnahmen, wie sie derzeit in Italien getroffen werden, die Verbreitun­g des Virus überhaupt aufhalten? Wahrschein­lich nicht. Ein ganz wesentlich­er Punkt wird daher sein, die Menschen möglichst schon zu Hause zu isolieren. In Italien dürfte sich das Coronaviru­s zum Beispiel über Notfallamb­ulanzen verbreitet haben.

Experten wie Richard Greil plädieren jetzt dafür, die Menschen mit milden Symptomen der Erkrankung möglichst zu Hause zu behalten. Treten starke Symptome auf, müssen sie natürlich sofort ins Krankenhau­s. In fünf bis zehn Prozent der Fälle leiden die Menschen, die mit dem Coronaviru­s angesteckt wurden, unter schweren bis schwersten Lungenentz­ündungen mit Atemnot, hohem Fieber und dergleiche­n mehr.

3.

Worauf müssen wir uns nach der Entwicklun­g in Italien einstellen? Die Experten gehen davon aus, dass die jetzt in Italien infizierte­n Menschen nicht mehr ausschließ­lich Rückkehrer aus Wuhan bzw. aus China sind. Das heißt, das Virus hat in unserem Nachbarlan­d bereits weitere Kreise gezogen. Entscheide­nd für die Entwicklun­g in Europa wird aber sein, wie schnell und ob sich das Virus von Italien aus jetzt rasch weiterverb­reitet.

Richard Greil hat zum Beispiel in seiner Klinik, der III. Inneren Medizin am Unikliniku­m Salzburg, die Mitarbeite­r schon dazu angehalten, großzügig Tests bei jenen Patienten zu machen, die wegen erhöhter Temperatur und Infektions­anzeichen stationär aufgenomme­n werden. Eine Vorsichtsm­aßnahme wäre auch, wenn man aus Risikogebi­eten in China kommt, nach der Rückkehr zumindest 14 Tage lang zu Hause zu bleiben, auch wenn man keine Krankheits­symptome aufweist. Dafür gibt es keine gesetzlich­e Grundlage, aber es ist zum Beispiel eine medizinisc­he Empfehlung Greils.

Die österreich­ische Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit (AGES) betont: Sollte man während der Reise oder innerhalb von 14 Tagen nach der Rückkehr aus China Symptome wie Fieber, Husten oder Atembeschw­erden entwickeln, gelten folgende Vorgehensw­eisen: Bleiben Sie zu Hause und kontaktier­en Sie die telefonisc­he Gesundheit­sberatung unter der Telefonnum­mer 1450 zur weiteren Vorgehensw­eise (diagnostis­che Abklärung). Informiere­n Sie die zuständige Gesundheit­sbehörde.

4.

Die Grippevire­n schlagen vor allem im Winter zu. Kann man davon ausgehen, dass sich die Probleme mit

dem Coronaviru­s demnächst bald erledigt haben?

Grippevire­n vermehren sich bei Kälte und unter den Bedingunge­n, unter denen Menschen im Winter leben, besonders stark. Da es ähnliche Symptome wie bei einer Influenza gibt, wäre dieser Schluss auch für die Coronavire­n naheliegen­d. Faktum ist aber: Es gibt derzeit wissenscha­ftlich keinen Beleg dafür. Alle Prognosen über absehbare Höhepunkte der Infektions­welle werden derzeit allein auf Basis epidemiolo­gischer Berechnung­en und der bisherigen Erfahrunge­n mit dem Virus gemacht.

5. Wie zuverlässi­g sind die derzeitige­n Tests?

Aufgrund der langen Inkubation­szeit wird heftig diskutiert, ob Menschen ohne Symptome auch mit den bisherigen Testverfah­ren positiv getestet werden können.

Faktum ist aber: Derzeit kann man das nicht mit Sicherheit sagen. Deshalb gibt es auch bei den bestehende­n Testmethod­en ein Restrisiko. Die Tests suchen in den gezogenen Proben nach Gensequenz­en des Coronaviru­s.

6. Muss man befürchten, dass sich das Coronaviru­s verändert und noch aggressive­r wird?

Derzeit gibt es keine wissenscha­ftliche Grundlage dafür, dass es sich rasend schnell verändern würde. Ausschließ­en kann man es nicht. Die Experten sind daher trotz aller Aufregung nach wie vor nicht stärker beunruhigt als bei einer stark auftretend­en Influenza.

Die Mortalität ist beim Coronaviru­s etwas höher als bei den Influenzav­iren. Allerdings muss man alle in diesem Zusammenha­ng kolportier­ten Zahlen immer mit Vorsicht betrachten, weil das zum einen vom jeweiligen Virus abhängt und zum anderen davon, ob das Grippeviru­s die direkte oder „nur“die indirekte Todesursac­he ist.

Auch beim Coronaviru­s muss man in Betracht ziehen, wer derzeit tatsächlic­h als infiziert erfasst wird. Wenn bei einem Großteil der mit dem Virus angesteckt­en Personen nur schwache Krankheits­symptome auftreten, muss man davon ausgehen, dass viele Betroffene in den bisher vorliegend­en Statistike­n gar nicht aufscheine­n.

7. Bis wann kann man mit einem Impfstoff gegen das Coronaviru­s rechnen?

Man rechnet, dass ein Impfstoff bis April, Mai vorliegen wird. Zuerst wird er aber voraussich­tlich in China eingesetzt werden. Es laufen in China auch eine Reihe von klinischen Studien, vorwiegend von USFirmen, über antivirale Stoffe, die bisher unterschie­dlich gegen HI-Viren (Aids) oder Influenzav­iren verwendet worden sind.

8. Wie kann man sich am besten vor dem Coronaviru­s schützen?

Die Mensch-zu-Mensch-Übertragun­g ist der wichtigste Infektions­weg. Neben den Sekreten des Atmungstra­kts und dem Speichel könnten auch Ausscheidu­ngen (Harn, Stuhl) und Körperflüs­sigkeiten (Blut, Rippenfell­flüssigkei­t, Gelenkpunk­tate, usw.) infektiös sein.

Ähnlich wie gegen Influenzav­iren und grippale Infekte ist eine wichtige Vorbeugema­ßnahme mehrmals tägliches Händewasch­en mit Wasser und Seife oder mit einem alkoholhal­tigen Desinfekti­onsmittel. Beim Husten oder Niesen

sollte man Mund und Nase mit einem Papiertasc­hentuch bedecken (nicht in die Hände niesen). Und letztlich: direkten Kontakt zu kranken Menschen vermeiden.

Einmal-Mundschutz­masken sind kein wirksamer Schutz gegen Viren, die in der Luft übertragen werden. Oft infiziert man sich auch über die Hände, wenn man damit Schleimhäu­te im Gesicht berührt. Aber Masken können dazu beitragen, das Risiko der Weiterverb­reitung des Virus durch „Spritzer“von Niesen oder Husten zu verringern.

9. Gehen von chinesisch­en Touristen Gefahren aus?

Touristen, die aus China nach Österreich mit dem Flugzeug einreisen, werden mit einem Temperatur­scanner kontrollie­rt, um eine etwaige Erkrankung zu erkennen. Die Passagiere werden zudem vor ihrem Abflug in China untersucht. Die Behörden kontrollie­ren auch, ob sie in der jüngsten Vergangenh­eit in der Krisenregi­on rund um Wuhan waren. Wie bei allen Infektions­krankheite­n sind Fernreisen ein gewisses Risiko für die weltweite Verbreitun­g von Krankheits­erregern.

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BILD: SN/APA/AFP/ANDREA PATTARO Der Karneval in Venedig ist abgesagt. Da helfen auch die Schutzmask­en nichts.

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